Kenias neues Berufsbildungssystem bietet Perspektiven für Nachhaltigkeit

Sonnenkollektoren in den Bergen
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Kenia war einer der ersten Unterzeichner des Weltklimavertrags von Paris und hat sich ambitionierte Entwicklungsziele gesetzt. Die kenianische Regierung ist für Nachhaltigkeitsideen offen und verfolgt sie aktiv.

Der andauernde Reformprozess im Bildungswesen bietet Ansatzpunkte zur Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in Curricula.

Bei ökologischer Nachhaltigkeit ist Kenia in mancher Hinsicht deutlich weiter als Deutschland: Kenias ökologischer Fußabdruck ist wesentlich kleiner als der von Deutschland.

Rund drei Viertel der Elektrizität werden aus erneuerbaren Energien generiert, vor allem aus Wasserkraft und seit einigen Jahren vermehrt auch aus Geothermie. Seit 2017 sind Plastiktüten verboten, um die Mülbelastung zu reduzieren, und das Verbot soll auch auf Einwegplastikflaschen ausgeweitet werden. Für Mehrfamilienhäuser gibt es seit einiger Zeit die Vorgabe, einen Teil ihres Warmwasserbedarfs über Solaranlagen zu decken. Wer mit offenen Augen durch Nairobi geht, sieht auf immer mehr Dächern neu installierte Solaranlagen, und das ganz ohne "EEG-Umlage".

In anderen Bereichen gibt es großen Nachholbedarf. Die Recyclingquote von Abfall liegt bei nur vier Prozent. Obwohl einige engagierte Unternehmen auch auf diesem Gebiet erste Fortschritte erzielen, ist Mülltrennung bisher kaum ein Thema beziehungsweise geschieht unter katastrophalen Umwelt- und Gesundheitsbedingungen auf den metastasisch wachsenden Mülldeponien an den Stadträndern. Das Land schafft es zudem nicht, sich auf die periodisch wiederkehrenden Dürren einzustellen. Das hat im Jahr 2017 zu einem nationalen Notstand geführt, bei dem rund 15 Millionen Menschen von akuter Nahrungsmittelknappheit betroffen waren. Auch das Thema Kohle ist noch nicht komplett abgehakt. Die Regierung plant ein neues Kohlekraftwerk an der kenianischen Küste.

Herausforderungen für ein nachhaltiges wirtschaftliches und soziales Wachstum stellen die hohe Arbeitslosigkeit und die extrem ungleiche Verteilung des Wohlstands dar. Hier wurden einige Gegenstrategien eingeleitet, die zu wirken beginnen: Kenias Wirtschaft wächst seit Jahren stabil und das Land verbesserte sich beim "Ease of Doing Business"-Index der Weltbank von Platz 136 im Jahr 2015 auf Platz 118 im laufenden Jahr.

Wirtschaftswachstum durch Nachhaltigkeit

Nachhaltiges Handeln nimmt in der Wirtschaft einen immer wichtigeren Stellenwert ein. Der Markt für "grüne" Technologien wächst in Kenia stärker als andere Wirtschaftssektoren. Viele kenianische Unternehmen erkennen die Zeichen der Zeit und bemühen sich um umweltfreundlichere Produktionstechniken, etwa im Bereich erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Müll und Recycling sowie Wassernutzung. Nachhaltige Technologien aus Deutschland gelten als Beleg für "Qualität made in Germany".

Auch das deutsche duale Ausbildungssystem genießt in Kenia einen exzellenten Ruf, so es denn bekannt ist. Die niedrige Jugendarbeitslosenrate Deutschlands – und damit die soziale Nachhaltigkeit des Systems – sowie der internationale wirtschaftliche Erfolg deutscher Unternehmen, der sich auch in der hohen Wertschätzung für deutsche Produkte in Kenia widerspiegelt, all das wird auch in Kenia wahrgenommen.

Als Konsequenz wurden erste duale Ausbildungsgänge nach deutschem Vorbild durchgeführt. Die Trainings, etwa in den Bereichen Mechatronik und Systemelektronik, waren erfolgreich und werden sowohl von Unternehmen als auch von Jugendlichen nachgefragt.

Sowohl Regierung als auch der Privatsektor betonen die wichtige Rolle von Berufsbildung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Kenias. Das Land konzentriert sich bei der Bearbeitung der globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) unter anderem auf das Ziel Nummer 4: Bildung.

Nahaufnahme der Autorin bei einem Vortrag

Marah Köberle, stellvertretende Landesdirektorin bei der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Kenia und Mit-Autorin der iMOVE-Marktstudie Kenia

Beteiligung des Privatsektors an neuen Curricula

Momentan befindet sich Kenias Berufsbildungssystem in einem Reformprozess. Die Regierung hatte Schwachstellen des Systems wie die Diskrepanz zwischen den Bedarfen des Arbeitsmarkts und den Angeboten des Berufsbildungssystems, die fehlende Einbindung des Privatsektors und die Fragmentierung des Bildungssektors erkannt und reagiert. 2013 wurde das "kompetenzbasierte Berufsbildungssystem" (CBET) eingeführt. Nach und nach werden jetzt die Curricula, unter Beteiligung des Privatsektors, erneuert.

Die Bildungseinrichtungen in Kenia, die Kurse etwa im Bereich Solartechnik und Energieauditierung anbieten, können den hohen Bedarf an qualifizierten Fachkräften in Kenia nicht decken. Nachdem beispielsweise die neue Verordnung zur Warmwasserbereitung mit Solaranlagen in Kraft getreten war, zeigte sich sehr schnell, dass nicht genügend Installationsfirmen über ausreichend qualifiziertes Personal verfügten. Viele Anlagen wurden darum mangelhaft angebracht, was wiederum negative Auswirkungen auf das Ansehen dieser eigentlich erprobten Technologie hatte.

Nachhaltigkeitsbedarfe gibt es aber nicht nur in den Sektoren Energie und Verwertungswirtschaft. Landwirtschaft und Tourismus sind zwei der wichtigsten Wirtschaftssektoren in Kenia und gleichzeitig ökologisch überaus sensibel. Eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Ausbildung kann hier einen großen Beitrag zu einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung Kenias leisten.

Das von deutschen Inhabern geführte Hotel "Severin Sea Lodge", das an der kenianischen Küste nördlich von Mombasa liegt, hat gerade ein interessantes Projekt gestartet. In der von hoher Jugendarbeitslosigkeit geprägten Region werden im hauseigenen Ausbildungszentrum des Hotels verschiedene Ausbildungsgänge, beispielsweise zum Tischler und zum Metallarbeiter, angeboten. Der praktische Teil der Ausbildung findet in der Hotelanlage statt. Da das Hotel sehr auf Umweltschutz achtet und auch eine eigene Kläranlage betreibt, sind auch Kompetenzen auf diesem Gebiet Bestandteil der Ausbildung.

Wettbewerbsvorteil Nachhaltigkeit

Deutsche exportierende Bildungsanbieter können sich in verschiedenen Bereichen der Berufsausbildung in Kenia positionieren. Die Einführung des "kompetenzbasierten Berufsbildungssystems" (CBET) öffnet ein besonderes Zeitfenster, um Nachhaltigkeitsaspekte in den Curricula zu platzieren.

Eine Möglichkeit stellt die Beratung dar, beispielsweise im Rahmen von geberfinanzierten Projekten internationaler und deutscher Hilfsorganisationen. Auch technische Ausstattung wird in den staatlichen und privaten Schulen benötigt, was Marktchancen für Hersteller von Lehr- und Lernmitteln bietet. Eine Fokussierung auf nachhaltige Themen kann für alle einen Vorteil im Wettbewerb darstellen, da erst wenige Anbieter diesen Markt bearbeiten.

Für ausländische Bildungsanbieter gibt es, ebenso wir für kenianische, ein geregeltes Verfahren, mit dem sie sich für ihre Ausbildungstätigkeit in Kenia zertifizieren lassen können. Die dafür zuständige Behörde ist die Agentur für Berufsbildung (TVETA), die jedes Trainingszentrum auf Eignung überprüft und entsprechend genehmigt. Die Curricula werden vom Curricularat (CDACC) auf Eignung und Konformität mit dem CBET-Prinzip überprüft.

Die genauen Voraussetzungen für die Registerierung von Trainingszentren und Curricula sowie Informationen, die beim Export von Trainingsmaterialien nach Kenia beachtet werden müssen, finden Interessenten in der iMOVE-Marktstudie Kenia, die die Delegation der Deutschen Wirtschaft in Kenia erstellt hat.

Fachartikel zur Nachhaltigkeit in der Berufsbildung

Dieser Fachartikel ist aus dem aktuellen iMOVE-Exportmagazin xPORT. Die Ausgabe 1/2018 ist im Juni erschienen.
 

  • Autorin: Marah Köberle

Mit Tansania, Thailand und Malaysia gibt es in xPORT drei weitere internationale Schlaglichter zur Nachhaltigkeit in der beruflichen Bildung.

xPORT-Magazin 1/2018

Titelbild, Text: xPORT Das iMOVE-Exportmagazin, Frau in Arbeitskleidung schaut in die Ferne

Marktstudie Kenia

Titelbild der Marktstudie

Berufsbildung in Kenia

wehende kenianische Nationalflagge

Marktinformationen


Quelle: iMOVE, Artikel aus xPORT - Das iMOVE-Exportmagazin, Ausgabe 1/2018