Pflegeausbildung im Kosovo
Die Unternehmensgruppe Heimerer setzt in Pristina ein deutsch-kosovarisches Projekt um: eine Pflegeausbildung nach deutschen Ausbildungsstandards auf Bachelor-Niveau. Das auf andere Länder übertragbare Modell kann als innovative Lösung zur Fachkräftegewinnung für Deutschland beitragen.

Kurz nach der Unabhängigkeit des Kosovos entstand das deutsch-kosovarische College 2010 aus der Unternehmensgruppe Heimerer, die seit 1980 Gesundheitsfachkräfte aus- und weiterbildet.
Ziel ist es, qualifizierte Pflegekräfte für Deutschland auszubilden – eine Lösung, die auch den heimischen Arbeitsmarkt stärkt. Das Konzept wurde global entwickelt. Damit kann es als Blaupause für andere Länder dienen, um dem Fachkräftemangel in Deutschland in der Pflege wirksam zu begegnen.
Das College bietet die Studiengänge Pflege, Pflegepädagogik, Pflegemanagement (Master), Ergotherapie und Logopädie an.

Organisation der Ausbildung – Schritt für Schritt
Einstieg - Die ersten Semester
Zu Beginn des Pflegestudiums lernen die Studierenden neben Fachwissen auch die deutsche Sprache. Für Kandidatinnen und Kandidaten, die später in Deutschland arbeiten möchten, gibt es in den Studiengang integrierte Wahlpflichtmodule. Diese bereiten gezielt auf die Anforderungen im deutschen Gesundheitswesen vor, etwa in den Bereichen Gesundheitsdokumentation, rechtliche Rahmenbedingungen und Fachdeutsch.
In Absprache mit dem deutschen Landesamt für Pflege beinhalten die Wahlpflichtmodule alle deutschen Ausbildungsinhalte, die im Regelstudium nicht abgedeckt werden.
Fünftes Semester
Im fünften Semester müssen die Studierenden das Sprachniveau B1 erreichen.
Parallel zum Studium organisiert das College Vorstellungsgespräche mit deutschen Arbeitgebern – online oder vor Ort in Pristina. Diese Gespräche führen häufig zu Praktika oder sogar Arbeitsverträgen.

Sechstes Semester
Hier absolvieren die Studierenden ihre ersten studienfachbezogenen Einsätze in Deutschland.
Die Visaverfahren sind geklärt, und neben dem Praktikumsvertrag sowie dem Nachweis einer Unterkunft wird die vorgeschriebene Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit eingeholt.
Bis zum Ende dieses Semesters müssen die Studierenden Deutschkenntnisse auf Niveau B2 nachweisen.
Mit einem gültigen deutschen Arbeitsvertrag in der Tasche müssen die angehenden Pflegekräfte den Antrag auf Berufsanerkennung stellen, wofür sie eine kosovarische Arbeitslizenz für ihren Beruf benötigen.
Abschluss: Siebtes Semester
Im letzten Semester stehen ausschließlich Praxisstunden im Kosovo auf dem Programm, die für die Lizenzierung im Heimatland notwendig sind. Nur nach dem Erwerb dieser Lizenzierung kann der Antrag auf Berufsanerkennung gestellt werden.
Dank der vorherigen Abstimmung mit dem zuständigen Landesamt für Pflege und der Absolvierung der Wahlpflichtmodule sollten die Absolventinnen und Absolventen einen Anerkennungsbescheid erhalten, der die Gleichwertigkeit der Ausbildung bescheinigt. Der Bescheid macht die Anerkennungsphase mit Ausgleichsmaßnahmen in Deutschland inklusive Arbeitsbeginn als Pflegehilfskraft überflüssig.
Mit diesen Voraussetzungen sind die Fachkräfte bereit für die Einreise nach Deutschland und den Einstieg als anerkannte Pflegefachkraft.

Wie viele Fachkräfte wollen nach Deutschland?
Derzeit schreiben sich jährlich rund 200 Studierende im Kolegji Heimerer in Pristina neu für den Pflegestudiengang ein. Die Kapazitäten sind durch die kosovarische Akkreditierungsagentur begrenzt.
Jährlich interessieren sich etwa 100 bis 150 Pflegestudierende für eine spätere Tätigkeit in Deutschland. Ziel ist es, diese qualifizierten Fachkräfte mit einem festen Arbeitsvertrag nach Deutschland zu vermitteln.

Modell mit Vorbildcharakter
Das erfolgreiche Ausbildungskonzept lässt sich auch in anderen Ländern umsetzen. Die Heimerer-Gruppe hat bereits erste Schritte in Nordmazedonien und Albanien unternommen.
In Albanien wurden im Rahmen eines GIZ-Projekts die Ausbildungsstandards analysiert und Unterschiede zum deutschen System herausgearbeitet. Nach einer Aufbauphase von drei Jahren könnten dort auch jährlich 100 bis 150 Pflegekräfte für den deutschen Markt ausgebildet werden.
Mit über einem Jahrzehnt Erfahrung ist das College in Pristina bestens positioniert, um als internationaler oder als deutscher Campus zu fungieren. Das Land selbst bietet aufgrund seiner Affinität zu Deutschland ideale Voraussetzungen für ein solches Projekt.
Auf einem deutschen Campus in Pristina könnten neben kosovarischen Studierenden auch Interessierte aus Ländern wie der Türkei, Indien, den Philippinen oder Vietnam die Pflegeausbildung nach deutschem Standard absolvieren. Bereits bestehende Partnerschaften in diesen Ländern erleichtern den Aufbau weiterer Kontakte. Für die Entwicklung und Erweiterung dieser internationalen Kooperationen sind Markterkundungs- und Delegationsreisen, bei denen iMOVE aktiv mitwirkt, eine wertvolle Unterstützung.
Das Potenzial dieses Konzepts zur Fachkräftegewinnung für Deutschland ist enorm. Es bietet eine nachhaltige Lösung, um den Fachkräftemangel in der Pflege gezielt anzugehen und gleichzeitig die internationale Zusammenarbeit im Gesundheitswesen zu stärken.

Finanzierung der Pflegeausbildung
Die Ausbildung wird durch verschiedene Finanzierungswege getragen. Ein Teil der Mittel stammt aus EU-Projekten, die die Entwicklung und Implementierung des Programms unterstützen. Die Studierenden selbst tragen mit einer Gebühr von etwa 9.000 Euro für die gesamte Studiendauer von 36 Monaten bei. Die Kosten werden in gleicher Höhe durch die Arbeitgeber mitgetragen, um den Studierenden keine zusätzlichen finanziellen Belastungen aufzubürden.
Die genannten Kosten entstehen durch die Sprachförderung, zusätzliche Deutschmodule sowie die Organisation und Koordination vor Ort. Neben den Anerkennungsverfahren und Visaverfahren werden Vorstellungsgespräche, Ferienarbeiten und studienintegrierte Praktika organisiert.
Insgesamt belaufen sich die Kosten auf etwa ein Viertel dessen, was eine vergleichbare Ausbildung in Deutschland kosten würde – bei gleicher Qualität und Anerkennung. Dieses innovative Finanzierungsmodell macht die Ausbildung nicht nur effizient, sondern auch nachhaltig und zugänglich für eine breite Zielgruppe.
Derzeit strebt Heimerer eine Finanzierung über den Pflegeausbildungsfonds an, um die Nachhaltigkeit zu sichern. Dafür muss die Politik zunächst anerkennen, dass neue Wege zur Finanzierung einer Pflegeausbildung notwendig sind. Ob ein Schulträger die Ausbildung in München, Leipzig oder Pristina durchführt– wenn die Qualität gewährleistet ist, ist es ganz egal, wo die Auszubildenden ihre Ausbildung absolvieren.
