Bildungsexport in Zeiten der Corona-Krise: Chancen, Herausforderungen, Ausblick

Am 27. Mai 2020 führte iMOVE die digitale Veranstaltung "Bildungsexport in Zeiten der Corona-Krise" durch. Im Mittelpunkt standen Informationen aus den Kooperationsländern des Bildungsministeriums sowie aus China, Indien und Iran.

Collage mit Portraits der vier Referenten
 

Unsere Referentin und Referenten von links nach rechts: Robert Koch von GOVET, Britta Buschfeld von iMOVE in China, Arunachalam Karthikeyan von iMOVE in Indien, Amir Radfar von iMOVE in Iran

Ziel der digitalen iMOVE-Veranstaltung war es, die Bildungsanbieter aus dem iMOVE-Netzwerk über die aktuellen Herausforderungen für den Berufsbildungsexport zu informieren, und gleichzeitig die Chancen, die sich aus der Krise für Aus- und Weiterbildungsanbieter aus Deutschland in internationalen Märkten ergeben können, aufzuzeigen. Mehr als 20 Anbieter aus dem iMOVE-Netzwerk nahmen daran teil.

GOVET informiert über die BMBF-Partnerländer

Die Zentralstelle der Bundesregierung für internationale Berufsbildungskooperation (GOVET) berichtete von den Auswirkungen der Corona-Krise auf die internationale Berufsbildungszusammenarbeit in den Partnerländern des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). GOVET hat dazu bei Partnerministerien und nachgeordneten Organisationen, deutschen diplomatischen Vertretungen und Auslandhandelskammer sowie bei Instituten und Stiftungen in den Partnerländern des BMBF eine erste Abfrage durchgeführt.

Die Ausführungen von Robert Koch von GOVET ließen erkennen, dass die Länder mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben:

  • Schließung von Schulen und Bildungseinrichtungen.
  • Aussetzung der Produktion und Schließung von Unternehmen.
  • Dadurch bedingte starke Wirtschaftseinbrüche, die vermutlich dazu führen werden, dass Ausbildungsplätze nicht mehr pünktlich und auch nicht mit Priorität besetzt werden.
  • Ängste der Auszubildenden, deren Ausbildung unterbrochen wurde oder die sich für das neue Ausbildungsjahr nicht bewerben können, da die Unternehmen derzeit andere Prioritäten setzen, um die Krise zu überstehen.
  • Benachteiligte Gruppen könnten dauerhaft den Zugang zu (beruflicher) Bildung und Qualifizierung verlieren.
  • Negative Auswirkungen auf gesamtgesellschaftliche Entwicklung der Partnerländer.

Die Sprecherinnen und Sprecher der iMOVE-Kontaktstellen in China, Indien und Iran berichteten von der jeweiligen Situation vor Ort und ihren Einschätzungen zur Entwicklung des Bildungsbereichs im kommenden Jahr.

Die Lage in China

Britta Buschfeld von iMOVE in Shanghai fasste die Situation in China in Bezug auf die Berufsbildung zusammen und schilderte auch, wie die chinesische Regierung mit der Pandemie im Allgemeinen umgeht.

Das chinesische Bildungsministerium hat zum Beispiel bereits ab Februar 22 kostenlose Online-Kursplattformen mit 24.000 Online-Kursen zur Verfügung gestellt. Rund 265 Millionen Schülerinnen und Schüler sowie Studentierende haben diesen Online-Bildungsservice genutzt. Über 39,3 Milliarden RMB (Chinesischer Renminbi Yuan) sind im Jahr 2019 in die berufliche Bildung geflossen, dabei verzeichnete die Online-Berufsbildung eine Wachstumsrate von rund 20 Prozent. Schwerpunkte waren laut Britta Buschfeld die beruflichen Fähigkeiten und Prüfungskurse.

China hat heute eine gut ausgebaute digitale Infrastruktur, auch wenn es in entlegeneren Gebieten einige Herausforderungen gab. Insgesamt standen aber viele Angebote sehr schnell nach Ausbruch von Covid-19 und dem Lockdown zur Verfügung und das Land investiert auch weiterhin viel in die Infrastruktur. So hat beispielsweise Tencent, ein chinesischer Internetkonzern, kürzlich angekündigt, 70 Milliarden US-Dollar in die Infrastruktur zu investieren, insbesondere in die Bereiche Cloud Computing, Künstliche Intelligenz und Cybersecurity.

Britta Buschfeld wies auf die Ergebnisse einer McKinsey-Analyse hin, nach der sich die folgenden fünf Trends unter Covid-19 in China weiter entwickeln werden und potenzielle Marktchancen für deutsche Aus- und Weiterbildungsanbieter sein können: (1) Digitalisierung, (2) rückläufige globale Entwicklung, (3) steigende Wettbewerbsintensität, (4) das Altern der Verbraucherinnen und Verbraucher und (5) die Stärkung des Privat- und Sozialsektors.

Indien-Informationen aus erster Hand

Arunachalam Karthikeyan von der iMOVE-Kontaktstelle berichtete aus Indien.

Indien hat aufgrund seiner hohen Bevölkerungsdichte strenge Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ergriffen und seit dem 25. März 2020 in verschiedenen Abstufungen Lockdowns angeordnet. Aktuell gelten gelockerte Regelungen, die eine Aufnahme der wirtschaftlichen Aktivitäten seit 18. Mai 2020 wieder möglich machen.

Das Ministry of Skill Development and Entrepreneurship (MSDE, Ministerium für die Entwicklung von Fertigkeiten und Unternehmertum) hat mit reduzierter Belegschaft strategische Planungen von verschiedenen Vorhaben und Projekten seit Beginn der Krise vorgenommen. Alle Hauptprojekte und Vorhaben sind jedoch so lange zurückgestellt, bis die Situation wieder klarer wird. Das Directorate General of Training (DGT, Generaldirektorat für Aus- und Weiterbildung) hat alle Prüfungen durch Industrial Technical Institutes (ITIs, Technische Ausbildungsinstitute der Industrie) für die derzeitigen Prüflinge ausgesetzt und die neue Ausbildungsphase um mehr als zwei Monate verschoben. Die Einschreibungen können aktuell zum 1. August erfolgen, je nach Situation startet die Ausbildung aber auch erst ab 1. September.

Die Industrie hat ihre Produktion wieder aufgenommen und arbeitet im Moment mit einer 25 prozentigen Auslastung, da viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den indischen Metropolen aus Angst vor Covid-19 zurück in ihre Heimatregionen gezogen sind.

Private Bildungsanbieter bieten seit April Online-Trainings an. Die Theorieteile sind auf wenige Stunden pro Tag limitiert und werden von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gut angenommen. Die Online-Kurse bieten privaten Bildungsanbietern somit auch eine Möglichkeit, ihre Angebote abseits der Präsenzseminare zu platzieren.

Die indische Jugend und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben sich sehr schnell auf die Online-Lernangebote eingestellt. Private Lehrinstitute werden ihre Präsenztrainings voraussichtlich am 1. September wieder aufnehmen.

Private Berufsbildungseinrichtungen in Indien entwickeln Online-Ausbildungsmodule nach den aktuellen Curricula und suchen gezielt nach deutschen Aus- und Weiterbildungsanbietern aus den Bereichen Mechatronik, Automotive und Automotive Technologien, Künstlicher Intelligenz, Robotics, Industrie 4.0 und Energieeffizientes Bauen, nur um einige Beispiele zu nennen.

Positiv wirken sich im Moment Nachfragen aus den USA und Europa aus, die sich für Joint Ventures mit indischen Unternehmen interessieren. Viele indische Provinzen stellen sich auf die erhöhte Nachfrage ein und versuchen, ihre Zugangsvoraussetzungen für ausländische Unternehmen in den indischen Markt entsprechend zu erleichtern. Für diese neuen Unternehmen wird die Ausbildung von qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Schlüssel zum Erfolg sein.

Arunachalam Karthikeyan berichtete, dass iMOVE aktuell Diskussionen mit privaten Berufsbildungsanbietern in Indien und Deutschland begleitet, um junge Inderinnen und Inder für den deutschen Ausbildungsmarkt vorzubereiten. Diese sogenannten Brückenkurse sollen in ein bis zwei Monaten im Bereich Hotellerie beginnen. Die ersten Ausbildungsanwärterinnen und -anwärter werden innerhalb eines Jahres in deutscher Sprache, Kultur und fachlichen Grundkenntnissen geschult, so dass sie gut vorbereitet ab September 2021 mit ihrer Ausbildung in Deutschland beginnen könnten.

Die höchste Infektionsrate wird in Indien für Mitte Juli bis Mitte August erwartet. Aus diesem Grund werden sowohl private als auch öffentliche Schulen und Ausbildungseinrichtungen ihren Betrieb ab September mit eingeschränkten Kursen und hohen Sicherheitsmaßnahmen wieder aufnehmen. Ab 2021 wird der Betrieb voraussichtlich wieder normal laufen, allerdings unter Einhaltung höchster Sicherheitsmaßnahmen.

Aktuelles aus Iran

Aus der iMOVE-Kontaktstelle in Iran berichtete Amir Radfar.

Das Interesse der privaten und öffentlichen iranischen Berufsbildungseinrichtungen im Bereich E-Learning von den Deutschen zu lernen ist enorm. Die iranischen Partner interessieren sich vor allem für die Erfahrungen, die Deutschland im Bereich Lehre mit E-Learning-Methoden, der Entwicklung entsprechender Kompetenzen des Berufsbildungspersonals sowie dem Einsatz und der Steuerung von E-Learning-Methoden in der Berufsbildung schon gemacht hat. Die iMOVE-Kontaktstelle in Iran hat bei einigen digitalen Veranstaltungen zum Thema mitgewirkt und für "Training – Made in Germany" geworben.

Darüber hinaus ist iMOVE der Frage nachgegangen, welche konkreten Bedarfe der iranische Aus- und Weiterbildungssektor hat, um E-Learning-Methoden effektiv einsetzen zu können. Es zeigt sich, dass Unterstützungsbedarf vor allem bei der didaktischen Entwicklung der digitalen Lernangebote besteht. Es ist nicht ausreichend, einfach nur Materialien online verfügbar zu machen. Vielmehr besteht großer Bedarf bei der Qualifizierung von Bildungspersonal, das via E-Learning unterrichtet. Hieraus ergeben sich Anknüpfungspunkte für deutsche Aus- und Weiterbildungsanbieter.

Im Moment versuchen die iranischen Unternehmen, die schwierige wirtschaftliche Lage dazu zu nutzen, ihre Wartungs- und Produktionskosten zu senken. Dies ist ein wichtiger Faktor, der bei Angeboten von Aus- und Weiterbildungsanbietern für iranische Unternehmen enthalten sein sollte.

Hinzu kommt, dass die Digitalisierung ein wichtiger Zweig in Iran ist. Das gilt inbesondere im Gesundheitssektor. Auch im Bereich der erneuerbaren Energien wird die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften ein großes Marktpotenzial bieten.

Ausblick

Mit der guten Resonanz auf diese erste digitale iMOVE-Verantaltung planen wir, die Reihe fortzusetzen und weiterhin über aktuelle Trends und Tendenzen für den Bildungsexport zu informieren. Für Fragen zu den einzelnen Ländern und Regionen oder allgemeinen Themen stehen Ihnen unsere Länderteams zur Verfügung.

Wie stellt sich die Situation für den Bildungsexport ihrer Organisation dar? Gibt es auch Chancen und neue Entwicklungsmöglichkeiten? Teilen Sie uns Ihre Erfahrungen gern mit!