Philippinen: "Am Ende läuft alles auf Standards und Professionalisierung hinaus"

2017 markiert den 50. Geburtstag des Verbandes Südostasiatischer Nationen (Association of Southeast Asian Nations, ASEAN) und den 40. Geburtstag der Aufnahme offizieller Beziehungen zwischen ASEAN und der Europäischen Union. Die Länder Südostasiens stehen im Bildungssektor ähnlichen Herausforderungen gegenüber, auch wenn sich ihre wirtschaftlichen Entwicklungsniveaus unterscheiden. Melita S. Sta. Maria-Thomeczek, Botschafterin der Philippinen in Deutschland, beschreibt die aktuelle Situation und die Perspektiven beruflicher Bildung auf den Philippinen.

iMOVE: Welche grundlegende Struktur hat das Bildungssystem auf den Philippinen?

Melita S. Sta. Maria-Thomeczek: Die berufliche Bildung stellt auf den Philippinen den non-formalen Bildungssektor dar – im Gegensatz zum formalen Sektor, den die akademische Bildung in Schulen, Colleges und Universitäten ausmacht. Während die Absolventinnen und Absolventen akademischer Einrichtungen Diplome erhalten, bekommen junge ausgebildete Fachkräfte aus der Industrie Zertifikate von TESDA, der Technical Education and Skills Development Authority (philippinisches Partnerinstitut des Bundesinstituts für Berufsbildung; Anmerkung der Redaktion). Diese Zertifikate sind sowohl von öffentlichen als auch privaten Arbeitgebern als Nachweise für ein erfolgreich absolviertes Ausbildungsprogramm anerkannt. Außerdem gibt es private Bildungsanbieter, die Lehrgänge und Zertifikate anbieten für Berufe wie Mechaniker, Klempner, Schneider, Friseur und so weiter.

"Die Industrie wäre gut beraten, eine aktive Rolle bei der Qualifizierung von Personal zu übernehmen."

iMOVE: Welche Rolle spielen die philippinischen Unternehmen im Ausbildungsprozess?

Melita S. Sta. Maria-Thomeczek: Es ist unsere Absicht, die betriebliche Ausbildung auf den Philippinen zu institutionalisieren. Dabei unterstützt uns die Deutsch-Philippinische Auslandshandelskammer. Eine der Herausforderungen in diesem Zusammenhang besteht darin, die Industrie dafür zu gewinnen. Sie wäre gut beraten, eine aktive Rolle bei der Qualifizierung von Personal zu übernehmen, indem sie mehr junge Menschen ausbildet und dafür auch ein Budget bereitstellt, beispielsweise für Ausbildungsvergütungen. Aber die Unternehmen zögern, in die Ausbildung zu investieren. Sie verlegen sich darauf, kurzfristige Praktika ohne Bezahlung anzubieten. Diese gegenwärtige Praxis ist weder strategisch sinnvoll noch zielorientiert.

iMOVE: Welche Branchen haben besonders große Bedarfe bei der Aus- und Weiterbildung?

Melita S. Sta. Maria-Thomeczek: Praktisch alle Branchen auf allen Ebenen entlang der Wertschöpfungskette könnten von einem institutionalisierten Berufsbildungssystem profitieren. Dazu zählen beispielsweise die Fertigungsindustrie und das Gesundheitswesen, die Verwaltung und der Verkauf. Die Arbeit sollte in jeder Hinsicht professionalisiert werden, damit das gesamte System professionalisiert werden kann.

"Wichtig wäre die Ausbildung von Ausbildern."

iMOVE: Welche Art von Unterstützung wäre dabei nützlich?

Melita S. Sta. Maria-Thomeczek: Wir könnten auf jeden Fall Unterstützung bei der Festlegung von Ausbildungs- und Zertifizierungsstandards gebrauchen. Expertinnen und Experten, die "die deutsche Perspektive" einbringen können, sind sehr willkommen. Wichtig wäre auch die Ausbildung von Ausbildern im Sinne einer Auffrischung und Steigerung des vorhandenen Know-hows und der technischen Expertise unserer Trainer.

iMOVE: Während der ersten sieben Monate des laufenden Jahres hatten Sie den Vorsitz des Berlin ASEAN Committee (BAC) inne, das die Netzwerkplattform der Botschafterinnen und Botschafter aus den ASEAN-Ländern in Deutschland darstellt. Könnten Sie einige wichtige Herausforderungen für die berufliche Aus- und Weiterbildung nennen, mit denen Sie und alle oder die meisten Ihrer Kolleginnen und Kollegen aus der ASEAN-Region konfrontiert sind?

Melita S. Sta. Maria-Thomeczek: Die Dauer von Bildungsprogrammen wäre eine solche Herausforderung. Die jungen Menschen in Südostasien fangen üblicherweise unmittelbar nach Abschluss der Schule an zu arbeiten. Zeit ist ein Luxusartikel, den die meisten von uns nicht haben. Generell können wir es uns nicht leisten, drei Jahre "nur" für eine betriebliche Ausbildung zu investieren.

Im Zusammenhang mit gemeinsamen Herausforderungen möchte ich die wirtschaftliche Bedeutung des Hotel- und Tourismussektors für die meisten Länder Südostasiens betonen. Zusammen mit meinen Kollegen aus Laos und Myanmar habe ich vergangenes Jahr die Hotelfachschule Hamburg besucht. Von deren wirkungsvollen Ausbildungsprogrammen waren wir alle tief beeindruckt. Und wir wünschten uns, wir hätten Schulen wie diese, um die fachlichen Kompetenzen der Menschen, die in dieser Branche arbeiten, zu verbessern. Die verschiedenen Beschäftigungen in diesem Bereich müssen professionalisiert werden, damit unsere Länder der wachsenden Anzahl internationaler Touristen gerecht werden können. Am Ende läuft alles auf Standards und Professionalisierung hinaus.

  • Das Interview führte Silvia Niediek.

1. ASEAN-Deutsches Bildungsforum

europäischer und asiatischer Mann stehen hinter einem Schreibbord aus Glas

iMOVE und OAV freuen sich, Ihre Exzellenz Melita S. Sta. Maria-Thomeczek beim 1. ASEAN-Deutschen Bildungsforum zu begrüßen.

Das 1. ASEAN-Deutsche Bildungsforum findet am 18. Oktober 2017 in Frankfurt am Main statt.

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xPORT

Lesen Sie das komplette Interview im iMOVE-Exportmagazin xPORT, Ausgabe 2/2017, die Ende Oktober erscheint.

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Quelle: iMOVE, Auszüge eines Artikels aus xPORT - Das iMOVE-Exportmagazin, Ausgabe 2 / Oktober 2017