Mehr Fachkräfte für Afrika: Internationale Geber finanzieren berufliche Bildung

Die Lucas-Nülle GmbH produziert Lehrgeräte und Lerninhalte für die technische Ausbildung und führt selbst Schulungen durch. Die Lucas-Nülle GmbH macht einen wesentlichen Teil ihres Umsatzes mit geberfinanzierten Projekten.

Zu den Kunden der Lucas Nülle GmbH zählen Berufsschulen, technische Universitäten und Unternehmen mit eigenen Trainingscentern in aller Welt. Ausgebildet werden unter anderem Techniker für Photovoltaik, Kfz-Mechatroniker und Ingenieure.

Mit UN und Weltbank ins Geschäft kommen

Herr Hemme, Sie haben kürzlich ein Projekt in der Demokratischen Republik Kongo abgeschlossen. Worum ging es dabei?

Wir haben für das Nationale Institut für Berufsvorbereitung (INPP) zwei Standorte in Goma und Bukavu mit Geräten ausgestattet, an denen Techniker in Photovoltaik ausgebildet werden können. Mit unseren Apparaten kann man abstrakte Themen wie Strom – den man ja nicht sehen kann – anschaulich vermitteln. Wir haben die Lehrgeräte, die Computer und die Software geliefert und in Betrieb genommen. Außerdem haben wir für die lokalen Ausbilder Trainings an den Instrumenten durchgeführt. Solche Geräte hatten wir in einem früheren Projekt schon einmal an das INPP geliefert, damals aber für einen anderen Standort.

Wie sind Sie an den Auftrag gekommen?

Das Projekt haben die Vereinten Nationen (UN) finanziert. In diesem Fall kam die UN direkt auf uns zu. Sie hatte das Projekt zuvor öffentlich ausgeschrieben, hat aber offensichtlich nur qualitativ schlechte Angebote erhalten. Wir haben den Auftrag dann im Direktverfahren bekommen, weil wir die gewünschte Qualität liefern konnten. Eine Direktvergabe kommt sehr selten vor, am ehesten noch bei Folgeprojekten. In diesem Fall lag der Auftragswert aber auch nur bei 50.000 Euro. Bei höheren Werten gibt es immer eine öffentliche Ausschreibung. Wir arbeiten insgesamt selten mit der UN zusammen, denn die fokussiert sich eher auf Grundschulbildung und hat nur wenige Projekte zur beruflichen Bildung.

Welcher Geber finanziert die meisten Ihrer Aufträge? Was sind die Unterschiede zur UN?

Wir machen viel mit der Weltbank. Dabei werden die Projekte direkt in den Ländern entwickelt und die notwendigen Leistungen von den lokalen Durchführungsorganisationen ausgeschrieben. Die Bank ist nur der Finanzier. Bei der UN sieht das anders aus: Sie steuert die Projekte zentral, etwa aus Dänemark, und bestellt auch die benötigten Leistungen direkt. Das Zahlungsverfahren bei der UN ist recht kompliziert und die Zahlung erfolgt erst nach der Lieferung. Bei dem Projekt im Kongo kannten wir den Kunden schon, weshalb wir uns darauf eingelassen haben. In einem ganz neuen Land wären wir das Risiko aber nicht eingegangen.

Erhalten Sie auch Aufträge aus der Privatwirtschaft?

Die meisten unserer Projekte sind staatlich und häufig durch die Weltbank oder einen anderen Geber finanziert. Im Tschad, Kongo und Ruanda sind alle Projekte geberfinanziert. Das sind oft spannende Großprojekte. Marokko, Algerien, Tunesien und Südafrika können ihre Projekte selbst finanzieren, was die Abwicklung für uns einfacher macht. Besonders interessant sind Energiebetreiber, Telekommunikationsanbieter und Minen mit eigenen Ausbildungszentren, denn die können sich selbst finanzieren.

Hoher Ausbildungsbedarf in Afrika – So erschließt die Lucas-Nülle GmbH neue Märkte

Wie erhalten Sie Informationen über geplante Projekte?

Projektfrühinformationen aus Datenbanken sind wichtig, um zu erfahren, wo bald etwas passiert. Wir bemühen uns zudem, vor Ort zu erfahren, welche Initiativen es gibt. Oft versuchen wir, den Kunden schon bei der Projektplanung zu helfen, damit die Bedürfnisse der lokalen Ausbilder und Schüler möglichst gut berücksichtigt werden. Bei den Ausschreibungen ist eigentlich immer der Preis das Auswahlkriterium. Wir haben also nur Chancen, wenn die Kunden gezielt Qualität suchen und das auch in die Ausschreibung aufnehmen.

Welches Potenzial hat der Ausbildungsmarkt in Afrika?

Überall in Subsahara-Afrika gibt es ein hohes Bevölkerungswachstum und einen hohen Nachholbedarf bei Ausbildung. Die Zahl der Leute, die qualifiziert sind, ist überall in Subsahara-Afrika sehr gering.

Zurzeit boomt Marokko, da lassen sich Projekte auch schnell umsetzen. Tunesien war mal sehr effizient, da dauert mittlerweile aber alles recht lang. Im Tschad gibt es kaum Lehrmaterial, fast alle Berufsschulen sind leer - das ist wie Neuland, da gibt es sehr viel Potenzial.

Und man sollte kleine Länder nicht unterschätzen, da geht erstaunlich viel!

Welche Chancen haben deutsche Unternehmen?

Die Leute wollen deutsche Produkte und Qualität. In Zentral- und Westafrika gibt es kaum Qualitätsstandards. Die Menschen suchen aber Qualität und haben Vertrauen in deutsche Produkte. Eine gute After-Sales-Betreuung ist dabei wichtig. Der Preis kann ein Problem sein, vor allem in Ostafrika, wo Unternehmen aus China und Indien günstig anbieten, aber sehr niedrige Qualität liefern.

Wie sieht es generell mit der Konkurrenz aus?

Bei Ausbildungsgeräten gibt es keine 1.000 Wettbewerber – das ist ein typisches Geschäft für kleine und mittelständische Unternehmen mit sehr gezielten Angeboten. In Ostafrika kommt die Konkurrenz meist aus Indien und China, im französischsprachigen Afrika gibt es weniger Wettbewerber mit Billigware. In Nordafrika sind auch andere europäische Unternehmen unterwegs. Dort schauen die Kunden sehr genau auf die Funktionalität der Geräte.

Neben Unternehmen aus China und Indien sind auch italienische oder spanische Firmen vor Ort. Sie alle bieten allerdings keine Kurs-Software, also keine Trainingsinhalte, an. Unser Blended-Learning-Angebot, also die Kombination aus Lehrgeräten und computerunterstützten interaktiven Kursen, macht oft den Unterschied, sodass wir den Auftrag dann erhalten.

Tipps für Neulinge

Wie kann der Einstieg gelingen?

Der Einstieg ist immer kompliziert. Um Ideen für potenzielle Zielmärkte zu bekommen, sollte man Datenbanken checken, zum Beispiel die Projektfrühinformationen und Ausschreibungsmeldungen bei GTAI, oder direkt bei der Weltbank und anderen Geldgebern schauen.

Reisen sind gut, da machen wir für neue Länder auch immer wieder mit, zum Beispiel bei den Geschäftsanbahnungsreisen des Markterschließungsprogramms für kleine und mittelständische Unternehmen. Es ist wichtig, Präsenz vor Ort zu zeigen, das bildet Vertrauen. Und man sollte die informellen Netzwerke, die innerhalb der Länder und zwischen den Ländern bestehen, nutzen. Die Diaspora hat auch gute Kontakte. Für den Anfang reicht vielleicht ein Kundenkontakt. Aber auf längere Sicht muss man einen Partner im Land haben.

Auch vor Ort bei den Ministerien oder den Vertretungsbüros der Berufsschulen in der Hauptstadt "Hallo" zu sagen, funktioniert gut: einfach reingehen und sich vorstellen! Man kann dort leicht Türen öffnen, die Leute sind einfach neugierig.

Man sollte unbedingt versuchen, Pilotprojekte zu machen, auch kleine! Als Referenzprojekt ist so etwas super wichtig. Für das erste Projekt sollte man nicht schon auf wirtschaftliche Effizienz achten. Auch Projekte, die sich finanziell nicht lohnen, helfen als Referenz für den Markteinstieg. So ein Projekt spricht sich auch rum und so erhält man Anfragen für Folgeprojekte.

Generell gilt für interessierte Unternehmen: Keine Angst vor Afrika! Was Krisen und Konflikte betrifft, wird viel übertrieben. Da heißt es dann "Im Kongo ist Krieg", aber das betrifft oft nicht das ganze Land. Man muss sehr differenzieren, die Länder sind groß und die Regionen innerhalb eines Landes sehr unterschiedlich. In Brasilien kann es viel gefährlicher sein als in Afrika.

  • Das Interview führte Laura Sundermann von Germany Trade & Invest im Dezember 2022.

Quelle: Africa Business Guide, africa-business-guide.de, 23.01.2023