Klett-Gruppe expandiert nach Afrika

Die Klett-Gruppe hat sich an der Firma Rising Academies beteiligt, die in Ghana und Sierra Leone eigene Schulen betreibt und Lehrpläne aufstellt, die in Bildungseinrichtungen auf dem gesamten Kontinent genutzt werden.

Zum 125-jährigen Bestehen will das Familienunternehmen sein Geschäft ausdehnen. Längst verdient Klett sein Geld auch als Betreiber von Kitas und Schulen.

Den Namen Klett verbinden viele Menschen mit ihrer Schulzeit. Das Familienunternehmen aus Stuttgart ist neben Cornelsen und Westermann einer der großen Anbieter von Schulbüchern. Doch längst hat Klett andere Erlösquellen entdeckt: 30 Prozent ihrer Umsätze von 985 Millionen Euro macht die Klett-Gruppe als Betreiber von Kindertagesstätten und Schulen, 20 Prozent kommen aus dem Geschäft mit Fernschulen.

In diesen beiden Unternehmenssegmenten will die Gruppe nun auf einem anderen Kontinent expandieren: in Afrika. Das Familienunternehmen hat sich an der Firma Rising Academies beteiligt, die in Ghana und Sierra Leone eigene Schulen betreibt und Lehrpläne aufstellt, die in Bildungseinrichtungen auf dem gesamten Kontinent genutzt werden.

"Afrika ist für uns interessant, weil dort der Bildungshunger riesengroß ist und staatliche Systeme kaum in der Lage sind, dem gerecht zu werden", sagt Christian Döttinger, der im Klett-Vorstand für Kitas und Schulen zuständig ist.

Betriebswirtschaftlich interessant ist das Vorhaben für das Unternehmen, weil Eltern in Afrika Schulgeld zahlen. Die Gebühren seien im Einzelfall zwar gering, erklärt Döttinger. "Bei der großen Anzahl potenzieller Kunden sind ökonomisch tragfähige Geschäftsmodelle aber möglich."

Chancen sieht das Familienunternehmen auch im Bereich Hochschulen: Geplant ist eine Kooperation mit einer afrikanischen Hochschule, um Studenten dort den Zugang zu deutschen Universitäten zu ermöglichen. Geld will Klett mit Studiengebühren verdienen.

Duales Ausbildungssystem in Südafrika

Zudem prüft die Gruppe, zusammen mit Unternehmen in der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria und mit Unterstützung der Deutschen Auslandshandelskammer duale Studiengänge anzubieten. 2024 könnte es so weit sein. Der Bildungsforscher Heiner Barz kann den Schritt der Klett-Gruppe nachvollziehen: "Im Ausland gibt es ein großes Interesse an deutschen Bildungsangeboten, weil diese einen guten Ruf genießen."

Der Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Düsseldorf fürchtet allerdings, dass private Schulträger die soziale Spaltung in Afrika nicht lösen können. "Eine solche Ausbildung können sich Personen aus der unteren Schicht nur selten leisten."

Klett ist nicht das einzige deutsche Unternehmen, dass sich verstärkt auf dem Kontinent engagiert. Laut einer am Dienstag veröffentlichen Umfrage des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft planen 43 Prozent der Mitglieder dort 2023 höhere Investitionen als im zu Ende gehenden Jahr.

Die Klett-Vorstände sind dieses Jahr durch verschiedene afrikanische Länder gereist, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Dabei haben sie potenzielle Geschäfte auch abgelehnt. In einem Land habe der Staat Einfluss auf das Bildungsangebot nehmen wollen, berichtet Lothar Kleiner, der das Erwachsenen- und Weiterbildungsgeschäft verantwortet. "Wir werden uns nicht verbiegen."

Kleiner sieht in dem Geschäft in Afrika "erste Pflänzchen". Sollte das Vorhaben gut funktionieren, wolle man es weiter ausbauen. "Wir sind kein Finanzinvestor und wollen langfristig handeln", so Kleiner.

Klett ist seit 125 Jahren in Familienhand

In diesem Jahr feiert die Klett-Gruppe ihr 125-jähriges Bestehen. 1897 hatte Ernst Klett das Unternehmen als Verlagshaus gegründet. Mittlerweile ist daraus ein europaweit agierendes Bildungsunternehmen geworden. Zur Klett-Gruppe gehören mehr als 80 Unternehmen und über 560 Marken, wie Pons oder Langenscheidt. Neben gedruckten und digitalen Schulmedien verlegt die Gruppe auch etwa die deutsche Version der Fantasy-Reihe "Herr der Ringe".

Hierzulande betreibt das Unternehmen 140 Kitas und 40 Schulen. Dazu kommen zwei Fernschulen und sechs Präsenzhochschulen wie die Euro-Fachhochschule in Hamburg oder die International Business School in Köln.

Der Umsatz stieg 2021 auf 985 Millionen Euro – ein Plus von 60 Prozent im Vergleich zu 2017. In dieser Zeit kletterte das Ergebnis vor Steuern von knapp 26 auf gut 40 Millionen Euro nach oben. Klett profitiert davon, dass viele Bürger mehr Geld für Bildung ausgeben und Unternehmen Fortbildungen ihrer Beschäftigten verstärkt fördern. In der Pandemie half dem Familienunternehmen, dass die Fernhochschulen schon auf die Onlinelehre vorbereitet waren.

Zudem deckt Klett Bedarfe, denen staatliche Einrichtungen nicht gerecht werden können. So fehlen laut Bertelsmann-Stiftung im kommenden Jahr fast 384.000 Kita-Plätze. Die von dem Familienunternehmen betriebenen Tagesstätten und Schulen würden besondere Schwerpunkte setzen, etwa im Bereich Sprachen oder Naturwissenschaften, so Klett-Manager Döttinger.

Experten wie der Düsseldorfer Bildungsforscher Barz beobachten schon länger, dass das Interesse an Privatschulen stetig wächst. Ungefähr zehn Prozent der Schüler lernen in solchen Einrichtungen. "Schulen in freier Trägerschaft haben ein gutes Image – und das oft auch zu Recht", sagt Barz.

Kritiker werfen Privatschulen vor, die soziale Spaltung zu verschärfen. Barz wendet aber ein, dass der Staat auf der anderen Seite Geld spare, weil dieser die Einrichtungen erst nach einigen Jahren und auch nur mit 60 Prozent der Mittel von öffentlichen Schulen bezuschusst. Den Rest müssen die privaten Einrichtungen durch Schulgebühren decken.

Krisen belasten Klett-Gruppe

Im Jubiläumsjahr fürchtet das Klett-Management allerdings aufgrund der Inflation und der steigenden Energiepreise eine schwache Entwicklung. Die Zahl der Neueinschreibungen sei nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine insbesondere an den Fernschulen zurückgegangen, berichtet Klett-Manager Kleiner. "Bei uns studieren viele 20- bis 40-Jährige, die oft am Anfang ihrer beruflichen Entwicklung stehen. Durch die Energiepreiskrise fehlt ihnen nun das Geld für privat finanzierte Weiterbildung."

Im Bereich Kitas und Schulen wird das Ergebnis von Klett durch die gestiegenen Energiepreise belastet. "Wir können unsere Einnahmen in diesem Bereich nicht steigern, weil unser Spielraum bei Gebühren für Schulen und Kitas meist staatlich festgeschrieben ist", erklärt Döttinger.

Im Kerngeschäft erzielt Klett noch rund 50 Prozent seiner Umsätze. Der Schulbuchverlag bietet seine Lehrmaterialien zwar auch digital an. Oft fragen Lehrer und Schulen aber noch die gedruckten Bücher nach – auch wenn sich das nach der Pandemie langsam ändert.

Als Vertreter der vierten Klett-Generation steht Philipp Haußmann an der Spitze des Verlags. Mit David Klett ist noch ein weiteres Familienmitglied im Vorstand, daneben sitzen drei externe Manager in dem Gremium. Aufsichtsratschef ist Haußmanns Patenonkel Michael Klett. Er führte das Unternehmen von Mitte der 1970er-Jahre bis 2009.


Quelle: Handelsblatt, handelsblatt.com, 27.12.2022