Digital Hub: Deutsche IT-Ausbildung in Ruanda

Seit 20 Jahren zertifiziert und prüft das International Software Quality Institute (iSQI) Personen im Bereich IT und Softwareentwicklung. Das Unternehmen zählt zu den größten Zertifizierungsanbietern weltweit und bietet IT-Fachkräften international anerkannte Nachweise ihrer Kenntnisse. 

Seit mehr als zehn Jahren ist iSQI in Marokko, Tunesien, Ägypten, Südafrika und Namibia aktiv und zertifiziert dort junge Fachkräfte. Nun will das Institut seine Aktivitäten auf dem afrikanischen Kontinent ausweiten und nimmt seit 2019 Ruanda in den Fokus des Afrikageschäfts. Im Interview erklärt Geschäftsführer Stephan Goericke, mit welchem Vorgehen das Unternehmen den Markteintritt bereits in mehreren afrikanischen Märkten geschafft hat.

Die Schritte zum Erfolg

Sie sind bereits in mehreren afrikanischen Märkten aktiv. Welches Vorgehen hat sich da für Sie bewährt und welche Tipps geben Sie anderen deutschen Unternehmen?

Im ersten Schritt sprechen wir immer mit unserer lokalen Industrie- und Handelskammer (IHK). Die IHK gibt uns einen guten ersten Überblick über unsere Wunschmärkte und kann uns mit ersten Ansprechpartnern verknüpfen. So haben wir auch das IHK-Netzwerkbüro Afrika (INA) kennengelernt. Bei INA haben wir ein Dossier mit relevanten Kontakten bekommen, wie den richtigen Ansprechpersonen in den Auslandshandelskammern (AHKs), anstehenden Geschäfts- und Markterkundungsreisen im Rahmen des Markterschließungsprogramms und Tipps zu den "Beratungsgutscheinen Afrika" des Wirtschaftsnetzwerks Afrika.

Das war hilfreich für den nächsten Schritt: Selbst hinfliegen und sich persönlich ein Bild von der Lage vor Ort machen. So bekommt man einen authentischen Eindruck von Land und Kultur. Währenddessen kann man mithilfe der AHK, den Botschaften oder auch der GIZ Kontakte vor Ort knüpfen und bereits erste Geschäftspartner kennenlernen. Dafür eignen sich auch die Reisen des Markterschließungsprogramms für KMU. Am wichtigsten ist, dass Sie das Land kennenlernen und herausfinden, ob Sie sich dort wohlfühlen. Damit ist die erste Basis gelegt.

Danach geht es an die ersten Investitionen. Wie gehen Sie da vor?

Ich empfehle sehr, sich einen lokalen Partner zu suchen. Wer noch keine tiefen Kontakte ins Land hat, kann dabei von AHKs unterstützt werden. Denn als Nächstes muss das Produkt oder Dienstleistung auf das Land angepasst werden. Man muss das Produkt mit Klarheit präsentieren können. Außerdem ist es wichtig, mit einem langfristigen Interesse ins Land zu kommen und als Geschäftspartner auf Augenhöhen wahrgenommen zu werden! Herablassendes oder belehrendes Verhalten kommt nicht gut an.

Mit Hilfe der Beratungsgutscheine Afrika kann sich ein Unternehmen beispielsweise eine detaillierte Marktstudie anfertigen lassen oder eine perfekt zugeschnittene Geschäftspartnersuche durchführen lassen. Wenn wir dann mit diesen drei Schritten den ersten Markteintritt gut vorbereitet und geschafft haben, arbeiten wir langsam auf größere Investitionen und gegebenenfalls eine selbstständige Niederlassung hin.

Hier ist natürlich jedes Unternehmen und auch jedes Produkt anders. Bleiben Sie mit den vielen Ansprechpartnern in Kontakt, die Sie bis hierher gefunden haben und planen Sie sorgfältig. Wenn Sie eine größere Investition planen, beschäftigen Sie sich früh genug mit Investitionsgarantien. INA hat uns hier direkt einen Ansprechpartner vermittelt.

Ruanda ist Hotspot für Digitalisierung in Afrika 

Wie sah der Prozess für Ihren Markteintritt in Ruanda aus? Warum haben Sie sich für Ruanda entschieden? 

Aus unseren Erfahrungen in Afrika und eigenständiger Recherche wurde uns klar: Ruanda ist Vorreiter im Bereich Digitalisierung in Afrika und somit der optimale Standort für uns. Als Hotspot für Start-ups und IT-Projekte wurde dort beispielsweise der erste Laptop auf dem Kontinent produziert. Das Land verfügt über eine exzellente IT-Infrastruktur und ist offen für Digitalisierungsprojekte. Beispiele hierfür sind der Einsatz von Drohnen zur Versorgung der Bevölkerung oder der Ausbau der E-Mobilität. Für den Standort Ruanda sprechen außerdem das gute Investitionsumfeld und stabile Rahmenbedingungen.

Ein weiterer relevanter Aspekt ist die profunde universitäre Ausbildung in Ruanda, die für unsere Zertifizierung benötigt wird. Die Bevölkerung wächst mit Englisch und Französisch auf, sodass es keine sprachlichen Hürden gibt. Positiv ist zudem die hohe Motivation bei den jungen Menschen. Die Situation ist vergleichbar mit der in Palästina und auf Kuba, wo wir in der Vergangenheit Projekte umgesetzt haben: Es gibt viele junge, motivierte und gut ausgebildete Menschen, die aufgrund der schwierigen Arbeitsmarktsituation leider keinen Job finden. Mit unserer Zertifizierung können Sie sich ihr Fachwissen bestätigen lassen und haben so einen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt.

Mit Offenheit und Lokalexpertise zum Geschäftserfolg

Und dann haben Sie sich passende Ansprechpartner gesucht?

Genau! Zuerst habe ich mich bei der IHK Potsdam über die Marktbedingungen informiert. Dadurch wurde ich bereits in Deutschland mit Ansprechpersonen vor Ort verknüpft, die ich während meiner Reise persönlich traf. Denn als Nächstes bin ich selbst nach Ruanda geflogen. In Ruanda sprach ich dann mit vielen Menschen aus Wirtschaft und Politik. Sowohl von politischer Seite als auch von der Unternehmensseite wurde mir bestätigt, dass es einen Bedarf für unser Produkt gibt. Auch der Zeitpunkt passte: In Ruandas aktueller Entwicklungsstrategie wird explizit die Qualifizierung von Fachkräften genannt. Das Land will sich als Outsourcing-Hotspot für IT-Projekte aus dem Ausland etablieren und braucht dafür geschulte Fachkräfte. 

Zurück in Deutschland haben wir dann bei einer Veranstaltung der IHK Potsdam INA kennengelernt und mehr zu den Unterstützungsmöglichkeiten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gehört sowie parallel an einem Projektantrag für eine Förderung gearbeitet. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat unseren Projektantrag für eine Förderung im Rahmen des develoPPP-Programms zeitnah genehmigt. Die Förderung hat geholfen, die Eintrittshürden und den Aufwand bei der Bekanntmachung unseres Angebots relativ gering zu halten. Seither haben wir zahlreiche Trainings durchgeführt und über 200 Fachkräfte qualifiziert.

Unser lokaler Mitarbeiter war da sehr hilfreich. Beispielsweise haben wir durch seine Arbeit mit den Universitäten vor Ort, den African Institutes of Mathematical Sciences (AIMS-NEI), eine langfristige Kooperation abschließen können. Sie integrieren unsere Lehrinhalte in ihre jeweiligen Curricula und bieten die Zertifizierung am Ende des Studiums an. Absolvierende, die dieses Angebot nutzen, haben durch unser von der Industrie anerkanntes Zertifikat bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Was waren die größten Herausforderungen beim Markteintritt in Ruanda? Worauf müssen deutsche Unternehmen achten? 

Durch Corona hatten wir in Ruanda dieselben Einschränkungen wie in Deutschland. Zu Beginn der Pandemie mussten wir auf digitale Hilfsmittel umstellen. Da die IT-Infrastruktur in Ruanda exzellent funktioniert, konnten wir problemlos Webinare, Onlinekurse und digitale Prüfungen einführen. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir bereits unseren lokalen Mitarbeiter, der unsere Zertifizierung beworben hat. Er repräsentiert das Projekt und fungiert als Ansprechpartner und Aufsichtsperson bei Gruppenprüfungen. 

Problematisch fand ich die Erwartungshaltung, mit der Deutsche mitunter auf den Kontinent kommen. Auf Entwicklungshilfe reagieren die Geschäftsleute vor Ort allergisch. Stattdessen suchen sie nach Business Partnern für geschäftliche Aktivitäten auf Augenhöhe. Unternehmen aus anderen Ländern sind schon länger in Afrika aktiv und machen dort erfolgreich Geschäfte. Das war für mich eine Lehrstunde. Die Instrumente der Außenwirtschaftsförderung setzen hier gut an.

Schwierig ist auch die deutsche Ungeduld. Die Bürokratie ist in den afrikanischen Ländern längst angekommen und braucht ihre Zeit. Bei den zahlreichen Projektanfragen prüfen die Behörden gründlich, wer sich längerfristig engagieren möchte oder wer nur das schnelle Geld will.

Vom ersten lokalen Mitarbeiter bis zur selbstständigen Niederlassung

Der Markteintritt in Ruanda ist geschafft. Was sind Ihre nächsten Meilensteine? 

Mit der erfolgreichen Verlängerung des Projektes um weitere 1,5 Jahre haben wir einen wichtigen Meilenstein erreicht. Wir sehen weiterhin einen großen Bedarf bei der Zertifizierung von Fachkräften und wollen damit die aufgebauten Strukturen festigen. Das heißt: Mehr Kooperationen vor Ort, Ausweitung unseres Engagements in andere Länder und wir prüfen die Gründung einer selbstständigen Niederlassung.

Nachdem Reisen jetzt wieder möglich sind möchten wir den Austausch zwischen Unternehmen aus Deutschland und dem Fachpersonal in Ruanda ermöglichen. Dafür soll demnächst eine hybride Konferenz in Ruanda stattfinden, die Fachkräfte und Unternehmen zusammenbringt. Deutsche Unternehmen sollen sich selbst davon überzeugen können, dass Ruanda über qualifizierte und gut ausgebildete Fachkräfte für Outsourcing-Projekte verfügt. Ruanda könnte für noch viel mehr deutsche Unternehmen ein Top Standort in Afrika sein. 

Außerdem möchten wir von Ruanda aus die angrenzenden Länder erschließen. Für dieses Vorhaben haben wir uns nach einem Austausch beim Arbeitskreis Afrika der IHK Potsdam beraten lassen. Mithilfe des erhaltenen Dossiers und unserer eigenen Kontakten planen wir jetzt die nächsten Schritte. 

Mit dem Stand unserer jetzigen Aktivitäten in Ruanda sind wir sehr zufrieden. Mit unserem lokalen Repräsentanten konnten wir unser Projekt starten und sogar verlängern. Wir befinden uns auf bestem Weg, eine selbstständige Niederlassung in Ruanda aufzubauen – aber das dauert noch ein paar Jahre. Beim Afrikageschäft sollte man nichts überstürzen. Aber wenn es soweit ist, haben wir alle Informationen und Kontakte, die wir brauchen, um unsere Investition erfolgreich umzusetzen.

  • Das Interview führte Charlotte Rostek vom IHK-Netzwerkbüro im August 2022.

Quelle: Africa Business Guide, africa-business-guide.de, 23.01.2023