Chancen in Argentinien für deutsche Bildungsexporteure

Frauen und Männer stehen am Herd und kochen
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Der argentinische Bildungssektor befindet sich im Umbruch. Der folgende Artikel aus der neuen iMOVE-Marktstudie Argentinien stellt einige Anknüpfungspunkte für deutsche Bildungsexporteure vor, die sich aus den aktuellen Veränderungen im Land ergeben.

Argentiniens amtierender Präsident Mauricio Macri hat unter anderem angekündigt, die Investitionen in den Bildungssektor deutlich zu steigern.

Die Veränderungen im Bildungsbereich sollen die Wertigkeit der beruflichen Bildung heben und dem Prestigegefälle zwischen Hochschul- und Berufsbildung entgegenwirken. Dafür soll das Qualitätsniveau an Berufsbildungseinrichtungen gesteigert werden und es sollen mehr Ressourcen in den Ausbau des Systems fließen.

Die Umsetzung für diese Vorhaben ist bislang nicht erfolgt, denn Macri sieht in anderen Politikfeldern vorerst noch größeren Handlungsbedarf. Trotzdem sind vorgelagerte Maßnahmen angelaufen und es findet beretis ein intensiver Dialog zwischen Akteuren des Berufsbildungssektors statt.

Die Interviewpartner, die für die iMOVE-Marktstudie Argentinien befragt wurden, schätzen die Ankündigungen der Regierung generell als glaubwürdig ein und werten die tatsächliche Umsetzung künftiger Maßnahmen als wahrscheinlich.

 

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes sind in Argentinien etwa 200 Unternehmen mit deutschem Kapital tätig und beschäftigten im Jahr 2017 in direkter Form mehr als 22.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Die argentinische Geschäftsmentalität ähnelt jener in Deutschland deutlich mehr, als dies bei vielen anderen Ländern im lateinamerikanischen Raum der Fall ist. Eine sogenannte "mañana-Mentalität" (Morgen-Mentalität), ist in Argentinien nicht üblich. Das vereinfacht Geschäftsabschlüsse. Deutsche Unternehmen profitieren darüber hinaus von generell guten deutsch-argentinischen Geschäftsbeziehungen. Entsprechend ist die Anwesenheit deutscher Unternehmen in Argentinien üblich. Man kennt und schätzt Deutsche als Geschäftspartner.

Unternehmen beklagen mangelhafte praktische Fähigkeiten

Viele deutsche, internationale und argentinische Unternehmen bemängeln die tatsächlichen Fähigkeiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Argentinien und sind unzufrieden mit dem Qualifikationsniveau von Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern.

Viele von ihnen haben eine sehr umfangreiche Ausbildung durchlaufen und können einen beeindruckenden Lebenslauf vorlegen. In der Praxis stellt sich dann aber oft heraus, dass es an anwendungsbezogener Erfahrung mangelt. Daran zeigt sich ein wesentliches Defizit im Ausbildungssystem Argentiniens: Es ist sehr theoretisch geprägt.

Bei den durch internationale Geschäftsaktivitäten geprägten Unternehmen entsteht zunehmend der Druck, allgemeingültige Standards einzuhalten. Das erfordert praktische Fähigkeiten der Belegschaft. Praxisbezogene Elemente werden im beruflichen Ausbildungswesen derzeit aber nur in Form von einzelnen Pilotprojekten umgesetzt, beispielsweise durch das Berufsbildungszentrum Buenos Aires - BBZ.

Das duale Modell konnte bisher keine flächendeckende Wirkung entfalten. Das politische Umfeld entwickelt sich in dieser Hinsicht allerdings vorteilhaft. Das Thema duale Ausbildung rückt gegenwärtig weiter in den öffentlichen Diskurs und es entsteht ein investitionsfreundliches Umfeld für deutsche Bildungsanbieter.

Bislang liegen die Institutionen der beruflichen Aus- und Weiterbildung überwiegend in staatlicher Hand. Private Bildungsanbieter werden es in Zukunft leichter haben, sich zu etablieren, denn unter Präsident Macri wird die Gesetzgebung für eine Unternehmensgründung vereinfacht. Hier können deutsche private Anbieter mit hochwertigen Bildungsangeboten und international anerkannten Bildungsabschlüssen anknüpfen.

Zudem stellt Macri auch die Bildungspolitik wieder stärker in den Fokus. Gleichzeitig können aber die vorhandenen staatlichen Einrichtungen ihre Kapazitäten und die vermittelte Qualität nicht von heute auf morgen anpassen. In der Folge ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach Bildungsangeboten aus der Privatwirtschaft kurz-, mittel- und langfristig steigen wird.

Auch durch die hohe Präsenz internationaler Unternehmen ergibt sich in wirtschaftlich starken Zeiten eine wahrnehmbare Bereitschaft für betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen. Diese werden oft bei privaten Anbietern oder über die in Argentinien starken Gewerkschaften in Anspruch genommen.

Weniger ausgeprägt ist die private Zahlungsbereitschaft der Menschen für berufliche Ausbildungsmaßnahmen. Die Argentinierinnen und Argentinier haben die historisch entstandene Erwartungshaltung, dass der Staat Bildung kostenlos zur Verfügung stellt.

 

Die folgenden Bereiche bieten Anknüpfungspunkte für Bildungsexporteure:
 

Abendkurse

Ein großer Teil der Argentinierinnen und Argentinier geht tagsüber einer Vollzeitbeschäftigung nach. Daher sind Abendkurse beliebt.

Berufsbegleitende Maßnahmen

Viele Unternehmen zeigen sich mit dem generellen Niveau der beruflichen Aus- und Weiterbildung in argentinischen Einrichtungen unzufrieden. In der Konsequenz haben vor allem große Unternehmen eigene Schulungszentren errichtet. Deren Betrieb ist aber teuer. Daher sind Unternehmen oft bereit, berufsbegleitende Maßnahmen bei privaten internationalen Anbietern in Anspruch zu nehmen.

Aus- und Weiterbildungsangebote in wenig erschlossenen Regionen

Ein Großteil der Aus- und Weiterbildungsangebote wird in den urbanen Zentren Argentiniens angeboten, insbesondere in der Hauptstadt Buenos Aires.

Die Akzeptanz für berufliche Bildungsprogramme ist aber in ländlichen Regionen höher, was auf die Landwirtschaft zurückzuführen ist. Entsprechend gilt der Ausbau von Programmen in jenen Regionen als Anknüpfungspunkt für deutsche Bildungsanbieter.

In diesem Zusammenhang ist wichtig, welche Zielgruppe in welcher Region zu finden ist. Beispielsweise ist das Zentrum der argentinischen Landwirtschaft in der Region Mendoza angesiedelt. Demzufolge eignet sich die Region besonders für Berufsbildungsangebote im Agrarbereich.

Branchen-Schwerpunkte

Nachdem die argentinische Regierung in den 2000er Jahren den Dienstleistungsbereich ausgebaut hat und sich dies entsprechend auch in Bildungsprogrammen niederschlug, ist derzeit wieder der technische Sektor mit all seinen Facetten hoch im Kurs.

Neben den klassischen Industrien wie das Automobilwesen und der Maschinenbau entwickeln sich auch zunehmend neue Technologien zu vielversprechenden Wachstumssektoren. Dazu zählen insbesondere die hochtechnisierte Landwirtschaft und die erneuerbaren Energien. Da derzeit auch verstärkt in die Infrastruktur sowie den Ausbau des Straßen- und Eisenbahnnetzes investiert wird, kann auch in Zukunft mit einer verstärkten Nachfrage nach Aus- und Weiterbildungsangeboten in diesen Bereichen gerechnet werden.

Marktstudie Argentinien

Titelbild der Marktstudie zum Bildungsmarkt Argentinien

Bildungsmarkt Argentinien

wehende Nationalflagge Argentinien

Quelle: iMOVE, Auszug aus der iMOVE-Marktstudie für den Export beruflicher Aus- und Weiterbildung, 2018