Reformen könnten Wachstum in Mexiko beflügeln

Mexiko steckt in einem tiefgreifenden Reformprozess. Unmittelbar nach Amtsantritt hat die Regierung unter Präsident Peña Nieto mit Oppositionsparteien einen Pakt geschlossen, der zahlreiche Reformvorhaben, unter anderem im Bereich Bildung, vorsieht - jeweils mit Datumsangabe, wann die entsprechend Reform angepackt werden sollen.

Werden die Reformvorhaben wie geplant umgesetzt, könnte das Land durch Produktivitätsgewinne und zusätzliche Investitionen Wachstumsschübe erhalten. Dazu gibt es verschiedene Prognosen.

Insgesamt umfasst die Reformagenda des Paktes für Mexiko (Pacto por México) 95 Bereiche, die zum Teil mehrerer Gesetzesänderungen bedürfen. Der Pakt hat in seiner kurzen Lebenszeit seit Dezember 2012 schon eine erste Krise überstanden und stellt einen ständigen Balanceakt zwischen den Interessen der Parteien dar.

Aufgrund der vermeintlichen Nutzung von Sozialprogrammen für den Wahlkampf im Bundesstaat Veracruz hatten die zwei wichtigsten Oppositionsparteien den Pakt Ende April 2013 vorübergehend ausgesetzt. Kurz darauf hatten sich die Seiten aber wieder zusammen gerauft und Änderungen am Pakt vorgenommen.

Diese sehen die schnellere Umsetzung politischer Reformen im Zusammenhang mit der Wahlkampffinanzierung und dem Schutz vor Missbrauch staatlicher Sozialprogramme im Wahlkampf vor.

Die nächste große Bewährungsprobe steht dem Pakt allerdings mit den Wahlen am 7.7.13 in 14 Bundesstaaten bevor.

Vor allem die Oppositionsparteien sind hierbei unter Druck. Sollte die Teilnahme am Pakt beim Wahlvolk schlecht aufstoßen, könnte das Bündnis schnell auseinanderfallen.

 

Neues Telekommunikationsgesetz

 

Auch wenn die Zukunft des Paktes auf mittlere Sicht ungewiss ist, hat er bereits in Form wichtiger Strukturreformen, die so von politischen Beobachtern von der neuen Regierung nicht erwartet worden waren, reiche Früchte getragen.

Eine Bildungsreform hat die jahrelang von einer machtvollen Gewerkschaft blockierte Evaluierung von Lehrern verfügt.

Ende Mai 2013 lag auch ein neues Telekommunikationsgesetz für den Präsidenten zur Unterschrift bereit, nachdem es bereits in beiden Parlamentskammern und der notwendigen Mindestzahl von Parlamenten auf Bundesstaatsniveau verabschiedet worden war.

Es sieht die Vergabe von mindestens zwei neuen Fernsehkonzessionen vor, sowie asymmetrische Wettbewerbsvorschriften für den dominanten Festnetz- und Mobilfunkbetreiber durch eine gestärkte Aufsichtsbehörde. Auch die bestehende allgemeine Wettbewerbsaufsicht wird durch eine neue Institution mit mehr Befugnissen ersetzt.

Gleichzeitig werden die Möglichkeiten für einstweilige Verfügungen speziell für den Telekommunikationssektor eingeschränkt. Diese Einschränkung war für alle Wirtschaftsbereiche schon am 1.4.13 durch ein neues Gesetz (Ley del Amparo) erlassen worden. Bisher konnten Unternehmen unliebsame Vorschriften und Gesetze oftmals per einstweiliger Verfügung für sich aussetzen.

Damit hat etwa das führende Mobilfunkunternehmen Telcel des seit der Telekommunikationsreform nur noch zweitreichsten Mannes der Welt, Carlos Slim, in den vergangenen Jahren zahlreiche Regulierungsversuche der Wettbewerbsaufsicht aushebeln können.

Bereits im Vorfeld des Regierungswechsels und noch auf Initiative des vorherigen Präsidenten Felipe Calderón war Ende November 2012 eine Arbeitsreform verabschiedet worden, die zumindest in begrenztem Umfang die Informalität im Arbeitsmarkt zurückdrängen dürfte.

Ein Gesetz über Staatliche Buchhaltung (Ley General de Contabilidad Gubernamental), das Mitte November 2012 verabschiedet wurde, soll die Gemeinden, Bundesstaaten und Zentralregierung zu mehr Transparenz in der Nutzung ihrer Budgets anhalten.

Weit mehr steht dem Pakt allerdings noch bevor. Nach dem Webportal ADNPolítico des Medienunternehmens Grupo Expansión (Teil der US-amerikanischen Time Inc.) hat die Regierung bisher 5 der 95 Versprechen des Paktes erfüllt, sowie 2 von 255 Wahlkampfversprechen, die während der Kampagne notariell niedergelegt worden waren und vor allem spezifische Projekte in einzelnen Gemeinden betreffen.

Von 13 ersten Maßnahmen, die der Präsident noch am Tag der Amtsübernahme versprochen hatte, wurden 12 in Angriff genommen, darunter die Bildungsreform, zwei Bahnprojekte für den Nahverkehr und Pensionen für Personen über 70 Jahre. Insgesamt kommt die Regierung nach dem Web-Portal damit auf 5,23 Prozent von insgesamt 363 Versprechen.

 

Steuerreform nimmt Schlüsselrolle ein

 

Als Herzstück der ausstehenden Reformagenda gilt die Steuerreform, die mehr Haushaltseinnahmen erbringen soll und für eine Vielzahl von Reformen die finanzielle Basis schaffen muss. Etwa die Hälfte der Reformvorschläge hängt von zusätzlichen Budgeteinnahmen ab.

Die Steuerreform soll in der zweiten Sitzungsperiode des Parlaments ab 1.9.13 vorgelegt werden, ihre Details sind jedoch weiter unklar. Sie gilt insbesondere als bedeutend, um die Informalität bei Unternehmen und Arbeitnehmern zurückzudrängen. Die Energiereform - ebenfalls für das 2. Halbjahr 2013 versprochen - soll der Privatwirtschaft mehr Beteiligungsmöglichkeiten im Ölsektor einräumen, der weitestgehend Staatsmonopol ist.

Diese Reformen spielen bei den Wachstumsprognosen von Wirtschaftsinstituten, Banken und der Regierung für die kommenden Jahre eine zentrale Rolle. Präsident Enrique Peña Nieto stellte im Februar 2013 für die kommenden Jahre ein Wachstum von 6 Prozent in Aussicht.

Das Wirtschaftsinstitut IDEA (Instituto de Desarrollo Empresarial Anáhuac) erwartet bereits 2014 durch die Reformen ein Wachstum von 5 Prozent und von 4 Prozent ohne Reformen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut des Finanzsektors IMEF (Instituto Mexicano de Ejecutivos de Finanzas) kommt mit einer mittelfristigen Prognose von 6 Prozent Wachstum auf dasselbe Ergebnis wie Präsident Peña Nieto.

Der IMEF-Präsident Victor Manuel González wies im März 2013 darauf hin, dass Mexiko bereits im Blickpunkt der Investoren stehe und auch ohne Reformen wachsen werde. Dann könnte es dem Land allerdings ergehen wie Brasilien, dass zu einem Modeland für Investoren geworden sei, Reformen aber nicht umgesetzt habe und jetzt die Folgen erleide. Für ein nachhaltiges Wachstum müsse der Reformprozess in Mexiko entsprechend weitergehen.

Besonders starke Auswirkungen sehen Analysten durch Reformen in den Sektoren Telekommunikation und Energie. Nach Aussagen des Senior Economist der Weltbank Joost Draaisma auf der Konferenz Bloomberg Mexico Economic Summit dürfte die Energiereform die höchsten zusätzlichen Investitionen generieren, gefolgt von der Telekommunikationsreform, die bereits als Gesetz verabschiedet wurde.

Nach Schätzungen des Arbeitgeberverbandes CCE (Consejo Coordinador Empresarial) könnten sich die Zuflüssen im Telekommunikationssektor verdreifachen.

Auch die spanische Bank BBVA, die durch ihr Tochterunternehmen Bancomer im mexikanischen Bankensektor stark aufgestellt ist, rechnet in ihrer Analyse der Auswirkungen der Reformagenda mit höheren Investitionen. Durch eine Steuerreform dürften demnach die Investitionen um 1,7 Prozentpunkte und das Wachstumspotenzial des Landes damit um 0,29 Prozentpunkte pro Jahr stärker steigen.

Eine Energiereform brächte durch zusätzliche Investitionen - parallel zur Erfahrung mit der Reform von Petrobras in Brasilien vor einigen Jahren - weitere 0,28 Prozentpunkte für das Wachstumspotenzial des Landes. Weitere 0,29 Prozentpunkte kämen von Gewinnen bei der Arbeitsproduktivität in der Wirtschaft insgesamt - durch die Bildungsreform und mehr Anreize für formale Beschäftigung.

Damit steigt das langfristige Wachstumspotenzial der mexikanischen Wirtschaft nach BBVA um 0,9 Prozentpunkte auf 3,7 Prozent pro Jahr. Da dieser Berechnung des Wachstumspotenzials der durch Krisen wiederholt zurückgestutzte Durchschnitt vergangener Jahre zugrunde liegt, rechtfertigt auch diese Analyse die Hoffnung auf ein mittelfristiges Wachstum von bis zu 5 Prozent.


Quelle: Germany Trade & Invest GTAI, gtai.de, 05.06.2013