GIZ leistet Entwicklungshilfe für US-Industrie

In den USA gibt es Millionen Arbeitslose, aber zugleich schaffen es viele Unternehmen nicht, für offene Stellen qualifizierte Bewerber zu finden. Das Problem ist nicht neu, weshalb deutsche Unternehmen schon vor Jahren zur Selbsthilfe gegriffen und eine Lehrlingsausbildung aufgebaut haben. Nun mischt auch noch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), eine staatliche Entwicklungshilfeorganisation, mit.

Das Problem, dass Industrieunternehmen offene Stellen nicht mit geeigneten Bewerbern besetzen können, ist zwar auch in Deutschland nicht unbekannt. Aber in den Vereinigten Staaten (USA) hat der Mangel an ausgebildeten Arbeitskräften doch eine andere Qualität. "Der Unterschied ist schon, dass es solche praxisorientierten Ausbildungen kaum gibt", sagte BMW-Sprecher Jochen Frey. Zwar existierten Colleges, aber deren Absolventen seien keine Facharbeiter und schon gar nicht solche, die den Ansprüchen der Industrie genügten.

Doch das will die US-Regierung ändern, und die GIZ will dabei sein.

"Das duale Ausbildungssystem, das German Dual Track Training System, hat in den letzten zwei Jahren auf politischer Ebene starke Aufmerksamkeit gefunden. Präsident Barack Obama hat es zwei Mal in seiner Rede zur Lage der Nation erwähnt und als Vorbild genannt", sagt Victoria Diekkamp, die bei der GIZ für Industrieländer zuständig ist. Das Projekt wird allerdings nicht aus Steuergeldern bezahlt, sondern muss sich selbst tragen.

Die Rahmenbedingungen für eine wieder stärkere Rolle des verarbeitenden Gewerbes in den USA sind nach der Finanzkrise so gut wie lange nicht. Es ist nicht mehr so leicht, einen Bankjob zu finden, die Regulierung der Finanzindustrie ist härter, was die Verdienstaussichten drückt. Das könnte mehr Ressourcen in Richtung Realwirtschaft lenken. Zudem bieten die dank Schiefergas und Schieferöl sinkenden Energiepreise einen zusätzlichen Kostenvorteil.

 

USA brauchen langen Atem

 

Wollen die USA die Gunst der Stunde nutzen, brauchen sie besser ausgebildete Arbeiter. Kann dabei das deutsche Modell Vorbild sein? Volkswirte sind da eher skeptisch. "Der Trend kommt alle zehn Jahre mal", meint etwa Commerzbank-Volkswirt Bernd Weidensteiner. Immer wenn es in den USA schlecht laufe, schaue man nach Deutschland und versuche Duale System einzuführen. "Aber dann merken sie, dass es nicht so einfach zu übertragen ist und versuchen es später wieder."

Nach Ansicht Harm Bandholz, der als Volkswirt für Unicredit die US-Wirtschaft von New York aus beobachtet, brauchten die USA bei solchen Plänen vor allem einen langen Atem. "Selbst wenn man da etwas aufbaut, dauert es zehn Jahre, bis das Früchte trägt", prognostiziert er. Um das Problem der US-Industrie zu illustrieren, zitiert Bandholz den ehemaligen Fed-Chairman Paul Volcker: "Wir brauchen weniger Finanzingenieure und mehr richtige Ingenieure."

Technische Berufe genießen in den USA aber bei weitem nicht das Ansehen, dass sie in Deutschland haben. Amerikanische Eltern sehen ihre Kinder lieber in einem Dienstleistungsberuf als in einer Werkhalle. Wer begabt ist, geht zu einer Bank oder strebt einen anderen "white collar job" ab. Das mag auch daran liegen, dass sich in amerikanischen Werkhallen weniger getan hat als in deutschen. Und es führt dazu, dass sich weniger tut.

Seit 1980 ist der Anteil der Industriebeschäftigten an allen Beschäftigten von 20 auf 12 Prozent gefallen. Zum Vergleich: In Deutschland waren zuletzt 6,539 Millionen Menschen im verarbeitenden Gewerbe beschäftigt. Das waren rund 18 Prozent der Beschäftigten.

Wer in den USA in einem Industrieberuf arbeiten will, verlässt die High School in der Regel nach zwölf Jahren und besucht anschließend entweder die Universität oder bereitet sich auf die Universität vor. Will er einen Beruf ergreifen, tut er das entweder direkt oder er besucht eine Berufsschule, die die Schüler aber nicht ausreichend auf die Anforderungen einer hoch qualifizierten Arbeit vorbereitet.

 

GIZ räumt Behördenhindernisse aus dem Weg

 

Deshalb hat BMW vor zwei Jahren in Kooperation mit drei Volkshochschulen eine Berufsausbildung organisiert. "Wir haben in USA bisher 27 Absolventen, die das BMW Scholars Programm abgeschlossen haben. Alle wurden übernommen", sagte BMW-Sprecher Frey. Das Feedback der Fachbereiche, in denen die Scholars arbeiten, sei "äußerst positiv". "Sie sind hoch motiviert und sehr gut ausgebildet." Bei anderen Unternehmen wie Siemens oder Stihl laufen ähnliche Projekte.

Aber wozu braucht es dann noch die GIZ?

"Wir würden diese Initiativen gerne auf eine regionale Ebene heben", sagt GIZ-Managerin Diekkamp. Für den Anfang hat sich die GIZ hierfür die Region Charlotte im Bundesstaat North Carolina ausgesucht, wo sich nicht nur das BMW-Werk Spartanburgh befindet. "Hier gibt es seit 15 Jahren Privatinitiativen, zum Beispiel eine Kooperation von Siemens mit dem Central Piedmond Community College", sagt Diekkamp.

BMW-Mann Frey kann sich vorstellen, dass die GIZ Hindernisse für eine bessere Berufsausbildung auf Seiten der Behörden aus dem Weg räumt. "Wichtig wäre eine grenzüberschreitende Anerkennung der Bildungsabschlüsse. Dazu gehört auch, dass man erst mal Berufsbilder definiert, damit man zu einer gewissen Standardisierung kommt."

Charlotte heißt übrigens nach der mecklenburg-strelitzschen Prinzessin Sophie Charlotte, die durch Heirat mit Georg III Königin on England wurde. Im Großraum Charlotte gibt es viele Nachfahren deutscher Einwanderer, der Anteil des verarbeitenden Gewerbes ist hier höher als in anderen Teilen der USA.'

Rund 200 deutsche Unternehmen produzieren in und um Charlotte. "Die kennen das duale Ausbildungssystem und sind eine treibende Kraft bei den Bemühungen um eine bessere Ausbildung", meint die GIZ-Managerin. Konzentrieren will sich die GIZ bei ihrem neuen Projekt übrigens auf etwas typisch Deutsches: den Mittelstand.


Quelle: The Wall Street Journal, wallstreetjournal.de, 03.07.2013