Mehr ausländische Fachkräfte für Deutschland

Nach aktuellen Berechnungen soll es bis 2060 rund zehn Millionen weniger Erwerbskräfte in Deutschland geben als heute – eine Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Am 1. März 2020 tritt das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) in Kraft. Es soll den Zuzug von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus Nicht-EU-Staaten erleichtern. Welche Geschäftschancen sich daraus für deutsche Bildungsanbieter mit internationaler Erfahrung ergeben, war Thema eines iMOVE-Seminars am 26. September 2019.

Blick in den voll besetzten Seminarraum

Ulrike Beck von der Bundesagentur für Arbeit (BA), Roland Conradt vom Bundesinnenministerium (BMI) und Dr. Ulrich Best aus dem Arbeitsbereich "Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen" des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) standen Bildungsanbietern in Bonn Rede und Antwort. Die hohe Zahl von über 50 Anmeldungen spiegelte das große Interesse der Bildungswirtschaft und ihren ausgeprägten Informationsbedarf wider.

Ulrike Beck (BA) erläuterte den neuen einheitlichen Fachkräftebegriff. Mit dem Inkrafttreten des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes umfasst er neben Hochschulabsolventinnen und -absolventen auch Menschen, die eine qualifizierte Berufsausbildung in Deutschland oder eine gleichwertige ausländische Berufsausbildung in einem Ausbildungsberuf absolviert haben.

Für die Aufenthaltserlaubnis und die Aufnahme einer Beschäftigung ist grundsätzlich die Zustimmung der BA erforderlich. Sie kann für maximal vier Jahre erteilt werden. Spezialistinnen und Spezialisten in der Informationstechnik genießen Sonderkonditionen. Unter anderem wird bei ihnen keine Vorrangprüfung durchgeführt. Liegt einschlägige Berufserfahrung vor, ist der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt auch ohne formalen Berufsabschluss möglich.

Drittstaatsangehörige können auch einen Aufenthaltstitel erhalten, um eine betriebliche Ausbildung in Deutschland zu absolvieren. Die notwendige Zustimmung der BA setzt voraus, dass die Ausbildungsbedingungen denen vergleichbarer inländischer Auszubildenden entsprechen und keine geeigneten bevorrechtigten Ausbildungssuchenden zur Verfügung stehen. Bei qualifizierter Berufsausbildung sind auch Nebentätigkeiten von bis zu zehn Stunden pro Woche zulässig.

Ulrike Beck informierte außerdem über das Instrument der Vermittlungsabsprache. Es handelt sich dabei um bilaterale Vereinbarungen zwischen der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der BA und der Arbeitsverwaltung von Drittstatten.

Drittstaatsangehörige, die aufgrund einer Vermittlungsabsprache in eine Beschäftigung vermitteln worden sind, haben den Vorteil, das Anerkennungsverfahren vom Inland aus anstoßen zu können. Außerhalb von Vermittlungsabsprachen ist die Einreise zur Durchführung des Anerkennungsverfahrens nur mit einem Teil-Anerkennungsbescheid möglich.

Am 1. Februar 2020 soll die "Zentrale Servicestelle Berufsanerkennung" der BA ihre Pforten öffnen. Sie kann Zuwanderungsinteressierte, die sich noch im Ausland befinden, über die Voraussetzungen und die Aussichten des Anerkennungsverfahrens im Einzelfall beraten.

Bei reglementierten Berufen bezieht sich die Beratung auch auf die Voraussetzungen für die Erlangung der Berufszulassung. Die Antragstellenden werden bei der Zusammenstellung der Unterlagen für das Anerkennungsverfahren unterstützt. Außerdem leitet die Servicestelle die Unterlagen im Auftrag und mit Einwilligung des Antragstellenden an die zuständige Anerkennungsstelle weiter. Gegenüber den Anerkennungsstellen tritt sie als Verfahrensbegleiter auf und berät die Antragstellenden bei Bedarf während des gesamten Anerkennungsverfahrens.

Roland Conradt (BMI) ergänzte die Ausführungen mit Informationen zum Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung, das bereits am 1. Januar 2020 in Kraft tritt. Damit soll ein verlässlicher Status Geduldeter (zumeist abgelehnter Asylbewerberinnen und -bewerber) geschaffen werden, die ihren Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit sichern und gut integriert sind.

Hierbei gilt grundsätzlich, dass für sie kein sogenannter "Spurwechsel" zur Bildungs- und Erwerbsmigration vorgesehen ist. Für diese Aufenthaltszwecke soll eine gesteuerte Zuwanderung über die Möglichkeiten legaler Migration erfolgen. Da aber die Durchsetzung der Ausreisepflicht faktisch nicht in allen Fällen kurzfristig möglich ist, regelt das Gesetz den Anspruch auf Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldung.

Dabei ist zu beachten, dass eine längerfristige Duldung ohne geklärte Identität grundsätzlich nicht möglich ist. Detaillierte Vorgaben zu Versagungsgründen im Gesetz schränken das Ermessen der Ausländerbehörden deutlich ein. Dies soll eine bundeseinheitlichere Entscheidungspraxis herbeiführen.

Der Anwendungsbereich der Ausbildungsduldung wird auf staatlich anerkannte oder vergleichbar geregelte Assistenz- und Helferberufe ausgedehnt. Voraussetzung ist, dass daran eine qualifizierte Ausbildung in einem Mangelberuf anschlussfähig ist und hierfür eine Ausbildungszusage vorliegt.

Dr. Ulrich Best (BIBB) informierte aus der Perspektive des Monitorings der Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen über Anerkennungsverfahren und Qualifizierungsbedarfe. Nach Ausbildungsstaaten gegliedert, stammten im vergangenen Jahr die meisten Anträge von Menschen aus Syrien, gefolgt von Bosnien und Herzegowina sowie Serbien (ohne Kosovo). Seit 2016 werden mehr als die Hälfte der Anträge zu Abschlüssen aus Drittstaaten gestellt. 2018 lag der Anteil bei fast 70 Prozent.

Die wichtigsten Berufe im Anerkennungsgeschehen sind dem Gesundheitsbereich zuzuordnen: Gesundheits- und Krankenpfleger, Arzt und Physiotherapeut. Die Anzahl der an die Statistik gemeldeten Anträge aus dem Ausland ist in den vergangenen Jahren merklich gestiegen. Die Zahl lag 2018 bei 5.958. Dies entspricht 20,4 Prozent der insgesamt 29.202 Anträge zu bundesrechtlich geregelten Berufen im gleichen Jahr.

Zu beachten ist, dass in vielen Verfahren zu Auslandsanträgen bei reglementierten Berufen mit Drittstaatsabschlüssen eine Ausgleichsmaßnahme auferlegt wird. Die im Anerkennungsverfahren festgestellten wesentlichen Unterschiede müssen mit einer Ausgleichsmaßnahme zunächst ausgeglichen werden. Nach erfolgreicher Absolvierung wird die volle Gleichwertigkeit ausgesprochen.

Deutsche Bildungsanbieter spielen eine wichtige Rolle bei den Ausgleichsmaßnahmen, die im Ausland oder im Inland absolviert werden können beziehungsweise müssen, und als Berater der ausländischen Antragstellerinnen und Antragsteller im gesamten Anerkennungsprozess.

In der abschließenden Diskussion gaben die Expertin und die Experten den Teilnehmenden weitere, konkrete Hinweise zu den vorgesehenen Prozessen.

Sie wiesen auch darauf hin, dass es sich bei den neuen Regelungen um ein integriertes Gesamtpaket handelt. Es ist darauf ausgelegt, einen "Brain-Drain" in den Herkunftsländern zu verhindern und die Grundlagen für eine zufriedenstellende Lebensgestaltung in Deutschland zu legen.

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz allein kann allerdings nicht den Bedarf nach Fachkräften in Deutschland decken. Zur Beantwortung der Frage, wie weitere Potenziale aktiviert werden können, bleibt auch die Wirtschaft aufgefordert, ihre Anstrengungen auszubauen.