15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer informierten sich am 10. September 2018 bei einem Länderseminar über den Bildungsmarkt Äthiopien.
Das Seminar in Bonn organisierte iMOVE mit dem Global Business Network (GBN).
Marktchancen für Bildungsanbieter in Äthiopien
Rahmen, Akteure und Trends im Bildungssektor

Hans-Gerhard Reh von iMOVE hob bei seiner Begrüßung der Anwesenden im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hervor, dass Äthiopien zu den attraktivsten Investitionszielen in Afrika zählt. Das Land hat seit April 2018 einen neuen und jungen Regierungschef, dem politische Reformen und eine weitere Belebung der Wirtschaft zugetraut werden. Premierminister Abiy Ahmed will sogar Frieden mit dem Nachbarn Eritrea und hat ein entsprechendes Abkommen geschlossen. Mit einem Wirtschaftswachstum von 7,6 Prozent im Wirtschaftsjahr 2017/2018 ist Äthiopien bereits heute der Spitzenreiter in Ostafrika.
Die Idee ein Seminar zum Bildungsmarkt Äthiopien anzubieten, trug Linda Schraml (GBN) an iMOVE heran. Schraml hat in ihrer vorherigen Tätigkeit als EZ-Scout bereits erfolgreich gemeinsame Veranstaltungen mit iMOVE durchgeführt.
Heute ist Linda Schraml für das GBN in Addis Abeba und bietet mit der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Kenia (AHK Kenia) und der Deutschen Botschaft vor Ort internationalen und deutschen Unternehmen eine Ansprechstruktur, stellt Marktinformationen zur Verfügung und berät Unternehmen zur Zusammenarbeit mit der (deutschen) Entwicklungszusammenarbeit (EZ).
Rahmendaten Äthiopiens
Linda Schraml präsentierte aktuelle Länderinformationen und beschrieb die momentane Aufbruchsstimmung, die der Hoffnungsträger und neue Premierminister Dr. Abiy erzeugt. Er stößt umfassende Reformprozesse an und schreibt der Privatwirtschaft eine größere Rolle zu als zuvor.
Durch den Friedensschluss mit Eritrea, der den Auftakt für die Vision eines friedlichen Horn von Afrika bilden soll, bekommt Äthiopien einen positiven Impuls und große Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft. Dr. Abyi wurde in einem sehr mühsamen Prozess ausgewählt und ernannt. Der vorherige Premierminister Miriam ist zurückgetreten, nachdem über Jahre im Land Unruhen auftraten und nicht beruhigt werden konnten.
Hohes politisches Engagement und klare politische Vorgaben und Strategien reflektieren das Ziel, bis 2025 ein Land unteren mittleren Einkommens (lower middle-income) zu werden. Als führender Leichtmanufaktur-Hub soll dieses ambitionierte Ziel gelingen. Diese selbstbewussten Ziele leiten sich aus dem rasanten Wachstum der letzten Jahre und dem hohen Investitionszuwachs ab.
Große Herausforderung für äthiopische Unternehmen, aber auch für deutsche und internationale Investoren, sind nach wie vor hohe bürokratische Hürden und mangelnder Zugang zum Devisenmarkt.
Die Präsenz deutscher Unternehmen ist vergleichsweise niedrig. Hauptinvestoren in Äthiopien sind China, Türkei und Saudi-Arabien. Zwar zählt Äthiopien zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften in der Region, jedoch ist es immer noch eines der ärmsten Länder mit ein Pro-Kopf Einkommen von 783 Dollar.
Hohes Wirtschaftswachstum wird bisher vor allem durch öffentliche Investitionen in den Infrastrukturbereich generiert. Dadurch kommt es zu positiven Wirkungen auf die Infrastrukturentwicklung und das Wirtschaftswachstum. Allerdings nehmen die Inflationsrisiken und die Staatsverschuldung zu. Die Entwicklungsstrategien des Landes (Growth and Transformation Plan II) räumen dem Gefüge von Bildung, wirtschaftlicher Entwicklung und Arbeitsmarktorientierung einen zentralen Stellenwert für die Erreichung von ambitionierten Beschäftigungszielen ein.
Die Industriepark-Strategie umfasst bis zu 22 Industrieparks – vornehmlich in den Schwerpunktsektoren Textil und Kleidung, Leder und Schuhe, Nahrungsmittelverarbeitung und Pharmazie. Im Rahmen der Industrieparks werden sehr umfassende Anreize gesetzt, zum Beispiel mit Steuervergünstigungen.

Äthiopiens Bildungssektor
Im Nationalen Entwicklungsplan (Education Sector Development Program, ESDP) der äthiopischen Regierung nimmt der Bildungssektor eine Schlüsselrolle ein, um die wirtschaftliche Entwicklung des Landes voranzutreiben und Perspektiven für eine rasant wachsende Bevölkerung zu schaffen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden umfangreiche Strukturmaßnahmen finanziert; landesweit wurden Hoch- und Berufsschulen gebaut. Heute gibt es 39 Universitäten in Äthiopien, zu Beginn der 1990er-Jahre waren es nur zwei. Die Zahl der Berufsschulen wurde zwischen 2011 und 2015 auf über 900 fast verdoppelt.
Das Bildungssystem war vor den 1990er Jahren stark von der orthodoxen Kirche in Äthiopien geprägt. 1974 lag die Analphabeten Quote über 90 Prozent, 2015 noch bei 50,9 Prozent. Im dezentralen System sind die Woredas (Verwaltungsbezirke, rund 550) für die Implementierung der Programme zuständig. Das Bildungsministerium behält sich aber die Verantwortlichkeit für den Tertiärbereich vor.
Der neueste Nationale Entwicklungsplan EDSP V (2015/16-2019/20) sieht folgende vier Herausforderungen: Bildungszugang erhöhen, Bildungsgerechtigkeit erhöhen, Qualität der Lehre verbessern, Administration verbessern. Dazu wurden sechs Prioritäts-Programme gestartet: Capacity Development für Bildungsmanagement, Qualität der allgemeinen Schulbildung, gleichberechtigter Zugang zu allgemeiner Bildung, Erwachsenen und non-formale Bildung, Berufsbildung, Hochschulbildung.
2008 wurde eine Berufsbildungsstrategie mit starken Veränderungen aufgesetzt. Die zuständige Behörde für die Berufsbildung ist die Federal Technical and Vocational Education and Training Agency (FTA). Sie hat zum Ziel ein duales System der Berufsbildung, angelehnt an das deutsche System zu etablieren.
Im Fokus der Berufsbildungsinstitutionen stehen folgende Sektoren: Automobil, Elektrizität, Informations- und Kommunikationstechnik, Nahrungsmittelverarbeitung, Textile, Hotel und Gastronomie, Leichtindustrie, Bauindustrie, Schweißen, Sanitär.
Deutsches Engagement in der Berufsbildung in Äthiopien
Linda Schraml stellte Berufsbildungsprojekte der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ), der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und DeveloPPP vor. Deutschland ist ein wichtiger Geber in der Berufsbildung, aber im Vergleich zu den USA, Korea, Italien, China und UNEVOC, dem Internationalen Zentrum für Berufsbildung der UNESCO, ein vergleichsweise kleiner Player.
Beim Sustainable Training and Education Programme (STEP I & II) der GIZ geht es um die Einführung der kooperativen Berufsausbildung, Verbesserung der Ausbildungsprofile und Prüfverfahren, Stärkung der Berufsbildungsinstitutionen und der Stärkung von Kleinst- und Kleinunternehmen.
Äthiopien will langfristig ein kooperatives Berufsbildungssystem einführen und Unternehmen eng in die Ausbildung einbinden. Perspektivisch sollen 70 Prozent der Lehrinhalte in Unternehmen und 30 Prozent in Berufsschulen vermittelt werden. Ausbildungsprofile und Prüfverfahren werden überarbeitet, um den Anforderungen der Wirtschaft an Fachkräfte zu entsprechen.
Die KfW Entwicklungsbank hat in mehr als 50 staatlichen und privaten Berufsschulen die Werkstätten ausgerüstet und Lehrkräfte fortgebildet, damit sie für die Praxis und den Arbeitsmarkt ausbilden.
Derzeit wird das Engagement auf sogenannte Lead-Cluster Institute ausgeweitet, die anderen Berufsschulen als Vorbild und Anlaufstation dienen sollen. Außerdem finanziert die KfW den Bau von zwei zusätzlichen Prüfzentren und die Erweiterung eines Ausbildungsinstituts für Berufsschullehrer. Die Initiative wurde auf den landwirtschaftlichen Sektor ausgeweitet und die Förderung von Frauen gezielter adressiert.
Im Textilsektor werden zwei Projekte aus DeveloPPP anschubfinanziert. Linda Schraml stellte das Projekt um die beiden Partner H&M Hennes & Mauritz AB und DBL Group vor. Mit den Partnerunternehmen baut das Projekt Schulungen von internationaler Qualität mit hoher Arbeitsmarktrelevanz auf. Dazu soll ein "Exzellenzzentrum der Textilindustrie" entstehen, an dem angehende Fach- und Führungskräfte eine Ausbildung nach internationalen Standards absolvieren.
Um das neue Schulungsangebot im ganzen Land zu verbreiten, arbeitet das Projekt mit dem Ethiopian Institute of Science and Technology Mekelle und dem äthiopischen Entwicklungsinstitut der Textilindustrie zusammen. Gemeinsam ermitteln die Partner den Ausbildungsbedarf, entwickeln Bildungsinhalte und integrieren diese in die Curricula des staatlichen Bildungsangebots im Textilbereich.

Handwerksförderung in Subsahara-Afrika
Marina Niendorff, GIZ, berichtete von einem Projekt der Handwerksförderung in Subsahara-Afrika.
Mit der Initiative "Skilled Crafts and Trades Network 4 Africa" unterstützt die Bundesregierung die Zusammenarbeit zwischen deutschen und afrikanischen Handwerksbetrieben und Organisationen der beruflichen Bildung. Ziel ist es, ein internationales Netzwerk von Handwerksorganisationen und Betrieben in Deutschland und Afrika aufzubauen.
Gleichzeitig bietet das Projekt Informations- und Fortbildungsmöglichkeiten, um das deutsche Handwerk fit zu machen für Aktivitäten in der Entwicklungszusammenarbeit. Das Projekt wird von der GIZ im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und in Kooperation mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) umgesetzt.
In der anschließenden Diskussionsrunde konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusammen mit den Referentinnen ihre Fragen und Vorhaben diskutieren. Bei aller Euphorie um die jüngsten positiven Entwicklungen, wurde in der Runde auch klar, dass Herausforderungen wie der Bürokratieabbau und ein fragiler Frieden mit Eritrea durchaus noch länger bleiben.
Kontakt Äthiopien
Bildungsanbieter, die Interesse an einem Markteintritt in Äthiopien haben, können sich bei Linda Schraml für eine Erstberatung melden.
Linda Schraml
Coordinator
Global Business Network
Business & Cooperation Desk Ethiopia
Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH
P.O. Box 100009
Kirkos Sub-City, Woreda 8
Addis Ababa, Ethiopia
Mobil: +251 967941916
Skype: linda.schraml

Linda Schraml, GBN, berichtete über aktuelle Entwicklungen und den Bildungsmarkt in Äthiopien


Marina Neuendorff, GIZ, stellte innovative Ansätze zur Förderung des Handwerks in Äthiopien vor









