Vietnam: Anknüpfungspunkte für deutsche Bildungswirtschaft

Der große Bedarf an Aus- und Weiterbildungen in Vietnam öffnet eine ganze Reihe von Anknüpfungspunkten für die Angebote deutscher Bildungsanbieter. Welche lesen Sie im Artikel aus der neuen iMOVE-Marktstudie Vietnam.

mutmaßlich vietnamesische Krankenpflegefachkraft notiert etwas
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Die aktuelle Situation auf dem vietnamesischen Arbeitsmarkt und der akute Fachkräftemangel haben einen sehr hohen Bedarf nach Aus- und Weiterbildungsangeboten sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht zur Folge. Anknüpfungspunkte für deutsche Bildungsanbieter bestehen in vielerlei Hinsicht.

Um Vietnam für das Thema Industrie 4.0 und Zukunftstechnologien zu rüsten, besteht vor allem im IT-Sektor ein enormer Bedarf an qualifiziertem und entsprechend ausgebildetem Fachpersonal. Ein Report der Australian Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation aus dem Jahr 2018 geht von einem Bedarf von rund einer Million IT-Fachkräften in Vietnam im Jahr 2020 aus.

Große Personalengpässe bestehen nach Angaben der Vietnam Logistics Association auch im Logistiksektor. Der Verband geht davon aus, dass bis 2030 rund zwei Millionen weitere Fachkräfte im Logistiksektor benötigt werden.

Besonders mangelt es an Englischkenntnissen und technischem Wissen. Der Mangel an Personal mit guten Englisch- und IT-Kenntnissen zieht sich breit durch die Sektoren.

Sichtbar wird er auch in der vietnamesischen Tourismusbranche, wo nach Angaben der Vietnam Tourism Association vor Ausbruch der Corona-Pandemie etwa 40 Prozent an Personal gefehlt hat.

Laut einer Studie der Vietnam Academy of Social Sciences gaben 2020 rund 40 Prozent der ausländischen Firmen in Vietnam an, Probleme bei der Besetzung von Positionen für hoch qualifiziertes Personal zu haben.

In diesem Zusammenhang dürften jegliche Fortbildungs- und Zertifikatskurse, die die genannten Defizite adressieren, ohne Schwierigkeiten auf eine entsprechend hohe Nachfrage treffen. Entscheidend ist hier, Kommunikationsstrategien effektiv aufzubauen und sich an den örtlichen Gegebenheiten zu orientieren. Erste Anhaltspunkte hierzu finden sich in der iMOVE-Marktstudie aus dem Jahr 2021.

Auch finanzielle Beteiligungen an vietnamesischen Berufsschulen sind eine gute Möglichkeit für deutsche Unternehmen, in den vietnamesischen Bildungsmarkt einzusteigen. Angaben der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Vietnam (AHK Vietnam) zufolge gilt es hier ebenfalls das Renommee der Berufsschulen nachhaltig aufzubauen, da Berufsschulen mit gutem Ruf deutlich mehr Bewerbungen erhalten. Hier haben vor allem Ausbildungsangebote ähnlich dem dualen System in Deutschland sehr gute Aussichten, da sie dem fehlenden Praxisbezug während der Ausbildung entgegenwirken.

Aufgrund der aktuellen gesetzlichen Reformen und Umstellungen im Ausbildungssystem ergeben sich zudem Möglichkeiten, Lehrmaterialien nach Vietnam zu bringen. Wie beschrieben, werden die zu verwendenden Bücher von den Bildungsbehörden nicht mehr strikt vorgegeben. Das Lehrpersonal kann mittlerweile selbst entscheiden, welche Materialien sie für den Unterricht verwenden. Hierdurch eröffnet sich ein neuer Markt, auf dem auch internationale Anbieter konkurrieren können.

Darüber hinaus bestehen laut Berichten der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) noch Defizite hinsichtlich der verwendeten technischen Ausrüstung in vietnamesischen Berufsbildungseinrichtungen. Obwohl es in den letzten Jahren verstärkt Investitionen in diesem Bereich gegeben hat, haben Befragungen der ADB ergeben, dass technische Ausstattung sowie Lehr- und Lernmittel nicht den Anforderungen an eine qualitativ hochwertige Ausbildung entsprechen oder in ihrem Umfang oft nicht ausreichen, um praktische Ausbildungsaktivitäten für alle Auszubildenden zu ermöglichen.

Dies trifft ebenfalls auf die Ausbildung des Lehrpersonals zu. So berichtet die Universität für technische Bildung in Vinh City, dass sie regelmäßig Nachtschichten für praktische Workshops in der Ausbildung des Lehrpersonals durchführen muss, aufgrund der geringen Verfügbarkeit von Maschinen.

Ein weiterer wichtiger Bereich, in welchem deutsche Anbieter anknüpfen können, ist die Ausbildung und der Aufbau von Kapazitäten bei betrieblichen Ausbilderinnen und Ausbildern, Lehrkräften und Managementpersonal. Bei der nachhaltigen Verbesserung der vietnamesischen Berufsbildung als Gesamtes ist dieser Punkt zentral. Umfragen im Rahmen des deutsch vietnamesischen Programms zur Reform der Berufsbildung ergaben, dass internationale Kooperationen vor allem beim Thema Train-the-Trainer gefragt sind. Programme, welche ihren Fokus auf die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften legen, dürften eine hohe Nachfrage generieren.

Ein Anknüpfungspunkt für deutsche Unternehmen, die im Bereich Fortbildung für Lehrpersonal aktiv sind, ist das Directorate of Vocational Education and Training (DVET), das für diesen Bereich zuständig ist. Es gab und gibt diverse Projekte, in dessen Rahmen sich vietnamesische Lehrkräfte beispielsweise auch in Deutschland fortgebildet haben. So ergeben sich nicht nur Möglichkeiten in Vietnam selber, sondern auch in Deutschland.

Bestehende Kooperationen und Projekte gibt es auch im Krankenpflegebereich. Deutschland heißt jedes Jahr zahlreiche Vietnamesinnen und Vietnamesen willkommen, die sich für die Arbeit als Krankenpflegefachkraft aus- oder weiterbilden lassen möchten. Hier arbeiten das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWi) und private deutsche Träger eng mit dem Department of Overseas Labour (DOLAB) zusammen, das ebenfalls im Ministry of Labour, Invalids and Social Affairs (MoLISA) angesiedelt ist. Ziel ist es, vietnamesische Pflegekräfte für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen. In diesem Zusammenhang können sich gerade auch im Bereich der Sprachförderung Chancen ergeben.

Die vietnamesische Regierung hat den Handlungsbedarf erkannt und begrüßt in diesem Zusammenhang ausländisches Engagement, besonders deutsche Unternehmen sind nicht zuletzt aufgrund der engen Verbindungen sehr willkommen. Deutschland hat im Bereich der dualen Berufsbildung ein Expertenwissen, dass in Vietnam hochgeschätzt wird.

Da immer mehr duale Elemente in der Berufsausbildung in Vietnam von politischer Seite gefordert sind, ergeben sich viele Kooperationsmöglichkeiten für deutsche Bildungsanbieter. In diesem Zusammenhang sind auch beispielsweise Joint Ventures mit internationalen Partnern und vietnamesischen Bildungseinrichtungen denkbar.

Dieses Modell wurde in der Vergangenheit bereits in verschiedenen Projekten erfolgreich umgesetzt. Vor allem Australien und Japan sind mit ähnlichen Projekten zu Themen der beruflichen Aus- und Weiterbildung in Vietnam aktiv. Ausführungen zur praktischen Umsetzung und konkrete Vorgaben für ausländische Unternehmen der Branche finden Sie in der iMOVE-Marktstudie 2021.


iMOVE-Marktstudie Vietnam

Titelbild der Studie mit wehender Nationalflagge Vietnam

Der Artikel ist ein Auszug aus der iMOVE-Marktstudie Vietnam für den Export beruflicher Aus- und Weiterbildung, die kürzlich erschienen ist. In der Marktstudie finden Sie alle für den Artikel verwendeten Quellen.

zum Download der Studie

zur Marktseite Vietnam


Quelle: iMOVE, Auszug aus der iMOVE-Marktstudie Vietnam für den Export beruflicher Aus- und Weiterbildung, 2021