Spezifische Bildungsthemen in Ghana

Der Auszug aus der neuen iMOVE-Marktstudie Ghana beschäftigt sich mit der Bedeutung des informellen Sektors, mit den Anstrengungen der ghanaischen Regierung, den Zugang zur Berufsbildung zu verbessern, und mit der notwendigen Qualitätssteigerung in der Berufsbildung Ghanas.

ghanaische Schneiderin
Kwame Amo/Shutterstock.com

Kompetenzerwerb im informellen Sektor

Dem informellen Sektor kommt in Ghana eine große Bedeutung zu. Ein geringes Angebot formeller Arbeitsmöglichkeiten und Unterbeschäftigung sind weit verbreitet, sodass viele Menschen als Tagelöhnerinnen und -löhner mit unregelmäßigem Einkommen und in irregulären Beschäftigungsverhältnissen tätig sind. Häufig weisen diese Beschäftigungsverhältnisse nur niedrige oder keine Sozialstandards, wie beispielsweise Kranken- oder Unfallschutz, auf.

Marktexperten gehen davon aus, dass mindestens 80 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im informellen Bereich tätig sind; Berufe mit kurzen Anlernzeiten, wie Straßen- und Wertstoffhändlerinnen und –händler oder Busfahrerinnen und Busfahrer, sind weit verbreitet. Darüber hinaus weisen viele Unternehmen ein geringes Wachstumspotenzial auf, da hier die beschäftigten Menschen auf unbestimmte Zeit in "einfachen Jobs" gehalten werden und sich keine Steigerung der Wertschöpfung vollzieht.

Trotz der Herausforderungen nutzen viele Ghanaerinnen und Ghanaer diesen Sektor als Sprungbrett, um prekären Armutsverhältnissen zu entkommen. Es kommt daher immer wieder vor, dass betroffene Menschen nicht die Vorteile einer Formalisierung ihrer Berufstätigkeit im formellen Sektor wahrnehmen.

Auffällig ist, dass sich viele Ghanaerinnen und Ghanaer in irregulären Arbeitsverhältnissen zwar in unterschiedlichsten Bereichen zielgerichtet qualifizieren, diese praxisorientierten Kompetenzen aber aufgrund fehlender Bildungsabschlüsse nicht offiziell bestätigt sind. Folglich findet kaum Einbindung in die formelle Technical and Vocational Education and Training (TVET)-Landschaft statt. In diesem Kontext gibt es mittlerweile immer mehr Initiativen, welche den informell Ausgebildeten den Übergang in das offizielle TVET-System erleichtern und beispielsweise den Erwerb formeller Bildungsabschlüsse ermöglichen. Als Beispiel ist hier das sogenannte TVET-Voucher Programm zu nennen.

Erhöhter Zugang zu Berufsbildung

Eines der Hauptziele der ghanaischen Regierung ist, den Zugang zu Bildung und insbesondere beruflicher Aus- und Weiterbildung zu verbessern.

Eine jüngst durchgeführte Qualifikationsdefizitanalyse kam in diesem Zusammenhang zu dem Ergebnis, dass junge Frauen und ethnische Minderheiten bis heute einen deutlich schlechteren Zugang zum beruflichen Bildungssystem als beispielsweise junge Männer haben.

Um dieser Problematik entgegenzuwirken und die Kapazitäten auszuweiten, ist die Gründung 20 neuer Bildungseinrichtungen geplant. Diese sollen fortlaufend evaluiert und optimiert werden, um eine höhere Gleichberechtigung zwischen Geschlechtern, ethnischen Gruppen und Einkommensklassen des Landes hinsichtlich des besagten Bildungszugangs zu erreichen.

Der Anteil der Frauen, die in TVET-Programmen eingeschrieben sind, lag 2019 bei 1,47 Prozent. Um diesen Anteil zu erhöhen, gibt es Initiativen, die sich dafür stark machen, Frauen den Zugang zu TVET zu erleichtern und gewerblich-technische Ausbildung für sie attraktiv zu gestalten. Dabei spielt vor allem Aufklärung über mögliche Karrierewege eine nicht unerhebliche Rolle.

Qualitätssteigerung durch neue Konzepte und (Aus-)Bildungsformate

Obwohl es positive Ausnahmen gibt, weist die Qualität der Berufsbildung an vielen staatlichen Berufsbildungseinrichtungen Mängel auf und ist häufig nicht mit deutschen Standards gleichzusetzen. Um eine allgemeine Qualitätssteigerung zu erreichen, setzt die ghanaische Regierung auf die Einführung neuer Konzepte und (Aus-)Bildungsformate.

So wird derzeit mitunter das sogenannte "Workplace Experience Learning" (WEL) erprobt, welches eine stärkere Verbindung von Theorie und Praxis anstrebt. Zudem wird allgemein eine engagiertere Beteiligung der Privatwirtschaft vorgesehen, um Berufsbildungsprogramme bedarfsorientierter zu gestalten. 

Ergänzend wird angestrebt, sogenannte kompetenzbasierte Programme und Schulungen (CBT) weiter auszubauen, um langfristig Berufsbildung nach internationalen Standards anzubieten.

Um Bildungsinhalte stärker auf Erfordernisse der Wirtschaft zu fokussieren, setzt CBT auf praxisorientierte Lehrmaterialien, zeitgemäße Qualifizierung von Lehrpersonal sowie die Integration dualer Elemente in die Berufsbildung. Das Konzept reagiert auf den Umstand, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber weltweit qualifiziertes Personal suchen, welches sich auf die komplexen Anforderungen des globalisierten Arbeitsmarktes einstellen kann. Neben technisch-fachlichen Kompetenzen rücken daher auch immer stärker Soft Skills in den Fokus und werden von CBT entsprechend aufgegriffen.

CBT verfolgt weiterhin das Prinzip des "Outcome Based Learnings", also eine Ausrichtung an real existierenden Unternehmensbedürfnissen mit der Vermittlung von dringend benötigten Kompetenzen. Im Idealfall tragen Unternehmen zur Entwicklung und Gestaltung von Ausbildungsinhalten bei. Die Anforderungen des Arbeitsplatzes werden so bereits in den Ausbildungsprozess integriert.

CBT unterscheidet sich als Ansatz insofern von dem dualen System der Berufsbildung, als dass CBT eher auf Basis von einzelnen Aufgaben und Kompetenzen agiert. Das duale System bewertet den Beruf als Ganzes und mit den dafür erforderlichen Kompetenzen. CBT unterscheidet sich als Ansatz insofern von dem dualen System der Berufsbildung, als dass CBT eher auf Basis von einzelnen Aufgaben und Kompetenzen agiert. Das duale System bewertet den Beruf als Ganzes und mit den dafür erforderlichen Kompetenzen. In Ghana werden beide Ansätze nicht als konkurrierend verstanden; stattdessen kann das CBT-basierte System hier durch duale Elemente praxisorientierter gestaltet und insgesamt verbessert werden.

Die Commission for Technical and Vocational Education and Training (CTVET) ist bestrebt, unter anderem mit der Unterstützung der Ghana Skills Development Initiative (GSDI), CBT in allen TVET-relevanten Bildungsinstituten zu etablieren. Darüber hinaus existieren Bestrebungen, CBT zum Standard an Universitäten zu machen. CTVET betont, dass man neben CBT ebenfalls anstrebt, eine Ausbildung auch direkt im Unternehmen beginnen zu können.

Dieser Ansatz enthält Charakteristika der deutschen dualen Ausbildung und lässt darauf schließen, dass die National Vocational Training Institutes (NVTIs) und andere Berufsbildungsinstitute ähnlich den deutschen Berufsschulen den theoretischen Teil der Ausbildung übernehmen sollen, während der Hauptteil der Ausbildung in den Betrieben erfolgen soll. An der Kwame Nkrumah University of Science and Technology (KNUST) wurde bereits 2018 eine Studie mit 300 Fakultätsmitgliedern durchgeführt, die dem CBT ein hohes Potenzial für Lehre und Lernen bescheinigten. 

Die angestrebte Effizienz sei jedoch abhängig vom Informationsgrad der Teilnehmerinnen und Teilnehmer (zum Beispiel durch vorherige CBT-Workshop-Beteiligungen), von der Führungsfunktion durch die Universitätsleitung im Prozess der CBT-Einführung, dem Vorhandensein von entsprechenden Lehr- und Lernmitteln sowie weiteren Anreizen.


iMOVE-Marktstudie Ghana

Titel der Marktstudie

Der Artikel ist ein Auszug aus der iMOVE-Marktstudie Ghana für den Export beruflicher Aus- und Weiterbildung, die kürzlich erschienen ist. In der Marktstudie finden Sie alle für den Artikel verwendeten Quellen.

zum Download der Studie


Quelle: iMOVE, Auszug aus der iMOVE-Marktstudie Ghana für den Export beruflicher Aus- und Weiterbildung, 2021