Mecklenburg-Vorpommern will hunderte Fachkräfte in Vietnam ausbilden

Begehrtes Vietnam: Das Schweriner Wirtschaftsministerium plant ein eigenes Büro in Hanoi und eine Akademie im Süden des Landes. Ziel: Ab 2020 sollen jährlich 120 Vietnamesen gegen den Fachkräftemangel in Mecklenburg-Vorpommern (MV) für Pflege und Gastronomie ausgebildet werden.

Hoch die Gläser! Wein hilft bei Geschäften: Fünfzig Menschen springen im Orangerie-Restaurant des Schlosses auf und stoßen an. Schwerin wird zur Stadt des Lächelns. Das Wirtschaftsministerium hat eine Delegation aus Vietnam zu Besuch, mit Vertretern von Partei, Staat und Provinzen. Es geht um knallharte ökonomische Interessen.

MV braucht dringend Fachkräfte für Pflege und Gastronomie, das Schwellenland Vietnam Zugang zum europäischen Markt. Dabei hilft eine "alte Freundschaft", die aus der DDR-Zeit stamme, wie beide Seiten betonen. Als die USA das kommunistische Vietnam vor Jahrzehnten bombardierte, kamen Verletzte und Flüchtende in den Osten Deutschlands. Diese Bande sollen nun genutzt werden.

Kontaktbüro, finanziert von Unternehmen

Das Wirtschaftsministerium hat Großes vor. Im Herbst werde ein Kontaktbüro für Investoren oder Start-ups in Hanoi eröffnen, erklärt Staatssekretär Stefan Rudolph (CDU). Finanziert von Unternehmen; Personal und Miete zahle das Ministerium. Dazu eine "Akademie für Sprach- und Berufsausbildung" in Ha Tinh an der Küste des Südchinesischen Meeres.

MV baut Brücken nach Asien: Möglichst bald sollen möglichst viele Vietnamesen in den Nordosten kommen, um hier den Fachkräftemangel in Pflege, Hotellerie und Tourismus abzufedern. Pro Jahr 120, nachdem sie an der Akademie ein Sprachzertifikat erworben haben. Duale Ausbildung made in MV sei "ein Exportschlager". Mit im Boot sitzen Partner aus Österreich. Angedacht sei auch akademische Ausbildung, so Rudolph. "Es tut sich einiges auf dem Fachkräfte-Markt", erklärt Bernd Fischer, Chef des Tourismusverbandes MV. Aus mehreren Ländern kämen derzeit Auszubildende an die Ostsee.

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Bald freier Handel mit Vietnam

Rund 90 Millionen Menschen leben in Vietnam. Nach Angaben des Schweriner Wirtschaftsministeriums ist die Altersstruktur dort aber erheblich anders. Jeder vierte Einwohner sei jünger als 15 Jahre – in MV jeder achte. Diese Jugend biete Potenzial, sorgt aber offenbar im asiatischen Land auch für einige Probleme bei der Ausbildung. Auch deshalb suchen die Vietnamesen Anschluss nach Europa.

Die Europäische Union (EU) hat mit Vietnam ein Freihandelsabkommen vereinbart. 2020 könnte es in Kraft treten. Das würde wirtschaftliche Beziehungen erheblich erleichtern. Im Wesentlichen geht es um den Abbau von Zollschranken und eine Erleichterung der europäisch-vietnamesischen Handelsbeziehungen. Vietnam verpflichtet sich, europäischen Unternehmen einen besseren Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen zu gewähren.

Sowohl MV als auch Vietnam sollen von der neuen, starken Beziehung profitieren, sagt Rudolph. Der Außenhandelsumsatz von 46 Millionen im Jahr – Platz 38 bei den Handelspartnern MVs – sei ausbaufähig, erklärt der Staatssekretär. Vor allem, wenn die EU ab 2020 ein Freihandelsabkommen mit Vietnam habe. "99 Prozent der Zölle auf Waren aus dem Ursprungsland sind dann weg", so Eisenach.

Vietnamesen in MV sollen Geld für ihre Familien schicken

Die Gäste aus Vietnam lächeln und nicken. Nach jeder Höflichkeit gibt es Beifall. Das Interesse sei gegenseitig, erklärt Nguyen Minh Vu, vietnamesischer Botschafter in Deutschland. MV sei ein "wichtiger Partner in der Fachkräfte-Ausbildung und für Infrastruktur". Dass viele junge Menschen das Land verlassen, störe nicht. Sie kämen ja wieder. Im Grunde sei dies Teil des Kalküls, erklärt Nguyen Huu Trang. Er ist Botschafter MV's in Vietnam und wird das Kontaktbüro in Hanoi leiten. Vietnam profitiere von einer hochwertigen Ausbildung seiner Menschen, die dann im Ausland gut verdienen. "Sie schicken ihren Familien Geld und haben, wenn sie zurückkommen, ein Vermögen." Werbefilme zeigen die Schönheit des Landes und Industrie im Aufbau. Männer verpacken Orangen mit der Hand.

Auch Firmen aus MV hoffen auf Aufträge in Vietnam. Eyk-Uwe Pap, Chef des Baltic Taucherei- und Bergungsunternehmens aus Rostock, bietet sich für Munitionsräumung an. Aus dem Vietnam-Krieg liegen noch Massen an Kampfmitteln an den Küsten des asiatischen Landes, ist zu hören. Tan Nguyen Manh, Vertreter der Sonnenexpert GmbH, Rostock, will mit seinen Kollegen in Vietnam einen Solarpark bauen. "Wir sind der Meinung, dass das Potenzial sehr groß ist." Nur die Bürokratie sollte sinken. Der Botschafter holt sich Visitenkarten.

Asien lernt von MV über Abfallwirtschaft

MV soll noch mehr nach Vietnam bringen. Man habe eine Konzeption "Neues Dorf" für das Land erarbeitet, so Rudolph. Bestandteile: Tourismus, besonnener Umgang mit Abfällen, ein autarkes System aus erneuerbaren Energien.

Eisenach wirbt für Investitionen in MV. Hier gebe es "exzellente Rahmenbedingungen". Rudolph beschwört "Benefit auf beiden Seiten". Im Hintergrund schlummert eine weitere Hoffnung: Durch den derzeitigen Handelsstreit zwischen den USA und China ziehe es Unternehmen nach Vietnam. Davon könnte man auch in MV profitieren.

Immer wieder ist von der früheren guten Beziehung der DDR und Vietnam die Rede. Doch auch andere Bundesländer seien schon vor Ort, erzählt Botschafter Vu. Thüringen und Hessen. Rudolph lächelt verschmitzt. Die anderen seien in Ho-Chi-Minh-Stadt im Süden, dem wirtschaftlichen Zentrum. MV gehe bewusst nach Hanoi. Man wolle einmal "Erster sein".


Quelle: Ostsee Zeitung, ostsee-zeitung.de, 28.06.2019