Informeller Sektor in Ghana – Herausforderung oder Chance?

Das Wirtschaftswachstum in Ghana soll durch Technical and Vocational Education and Training (TVET) gefördert werden. Eine große Aufgabe in einem Land, in dem 88 Prozent der Arbeitskräfte im informellen Sektor beschäftigt sind.

mutmaßlich afrikanischer Mann repariert ein Motorrad
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Die Bildung von Humankapital ist unerlässlich für die ökonomische Entwicklung eines Landes. Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen dienen hier nicht nur als essenzielles Instrument zur Qualifizierung von Arbeitskräften, sondern schaffen ebenso die Lebensgrundlagen für nachfolgende Generationen. Sowohl Individuen als auch die von ihnen abhängigen Familien erfahren Empowerment, indem sie über erlerntes Wissen dazu befähigt werden, selbstständig zu arbeiten, Firmen zu gründen und so aus mitunter prekären Armutsverhältnissen zu entkommen.

Am Beispiel von Ghana lässt sich erkennen, dass Armutsszenarien in komplexer Weise mit einer Vielzahl weiterer Lebensbereiche korrelieren und insbesondere mit den hohen Beschäftigungsraten im informellen Sektor in Zusammenhang stehen.

Typische Tätigkeiten im informellen Sektor

In Ghana typische Arbeitsverhältnisse im informellen Bereich sind beispielsweise die sogenannten Okada Riders (illegale Motorad-Taxis) oder Kayayei (Frauen, die sich als Trägerinnen auf Märkten ihren Lohn verdienen). Auch die Tätigkeit in irregulären Reparaturwerkstätten, in denen Elektroabfälle ohne Sicherheitsmaßnahmen zerlegt und recycelt werden, garantiert vielen Menschen unterhalb der Armutsgrenze ein Mindestmaß an Einkommen.

Gleichzeitig sind die hier gezahlten Löhne gering und unregelmäßig. Ein Anspruch auf staatliche soziale Sicherung besteht in der Regel nicht. Eine besondere Herausforderung ist zudem die mangelnde Produktivität des informellen Sektors, die zu negativen Wechselwirkungen führt: Den Unternehmen fehlt es vielfach an Wachstumspotenzial, parallel qualifizieren sich Beschäftigte nicht weiter und verbleiben daher in Berufsprofilen mit niedrigem Qualifizierungsgrad.

Potenziale und praktische Fähigkeiten nutzen

Wie aber lassen sich die bereits bestehenden Potenziale und praktische Fähigkeiten nutzen, um nachhaltige Entwicklungen auszulösen? Markt- und Wirtschaftsexperten plädieren hier klar für die Formalisierung oben genannter Industriezweige.

Ghanaische Aus- und Weiterbildungsinitiativen zielen schon heute darauf ab, ihre Angebote an die Bedürfnisse der Wirtschaft zu koppeln. Denn nur wenn die Qualifizierung von Fachkräften den Anforderungen eines wettbewerbsorientierten und dynamischen Marktes gerecht wird, sind langfristige Beschäftigungschancen sichergestellt.

Dies erfordert wiederum eine enge Zusammenarbeit von Berufsbildungseinrichtungen, dem Privatsektor und zentralen Akteuren wie Gewerkschaften oder Industrieverbänden, wenn es darum geht, bedarfsgerechte Bildungsprogramme und -standards sowie konkrete Lehrpläne zu entwickeln.

Strategischer Plan für die Transformation der beruflichen Bildung

Der auf fünf Jahre ausgerichtete Strategic Plan for TVET Transformation der ghanaischen Regierung fokussiert eben diese Zielsetzungen. Überdies sieht er einen Kapazitätsausbau von informellen TVET-Anbietern vor.

Eine besondere Rolle kommt zudem verstärkt den in Betrieben tätigen Handwerksmeistern (Master Craftsperson, MCP) zu. Damit diese mit dem technologischen Wandel in der Gesellschaft Schritt halten und entsprechend ihre Multiplikatorenrolle wahrnehmen können, sollen ihre technischen und Managementfähigkeiten durch kompetenzbasierte Trainings verbessert werden.

Außerdem sind eine berufsbegleitende Ausbildung sowie, unabhängig von der Größe des jeweiligen Betriebes, finanzielle Hilfen und Beratung vorgesehen. Als win-win-Effekt sollen so die betriebswirtschaftliche Leistung des jeweiligen Betriebes erhöht und die Qualifizierung der MCP optimiert werden.

Standardisierung der beruflichen Bildung

Daneben soll die Verbesserung und Standardisierung von beruflicher Bildung konkret durch das National Technical and Vocational Education and Training Qualifications Framework (NTVETQF) erreicht werden. Es handelt sich um einen neunstufigen Qualifikationsrahmen für die berufliche Bildung, wobei die beiden untersten Niveaustufen die informelle Ausbildung umfassen. Während diese die am wenigsten anspruchsvollen Bildungsstufen sind, stellt Niveau 9 den Doctor of Technology dar.

Perspektivisch wird der Erfolg der hier dargestellten TVET-Maßnahmen auch von der Verfügbarkeit aktualisierter Arbeitsmarktanalysen sowie Prognosen des zukünftigen Qualifikationsbedarfs abhängig sein. Für eine zukunftsorientierte Berufsbildung sind die Generierung von Basisdaten sowohl für den formellen als auch den informellen Sektor über TVET-Ausbildungsstätten, Berufsverbände und MCP zentral.

Trotz der persistenten strukturellen Schwächen des ghanaischen Arbeitsmarktes gibt die Aufmerksamkeit, die den bestehenden Potenzialen ghanaischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aktuell im informellen Sektor geschenkt wird, Anlass zum Optimismus.

  • Autorinnen: Charlotte Schuchard und Trina Kohestani

Vorschau Ghana

Titelbild der Publikation

In Kürze erscheint eine iMOVE-Marktstudie Ghana für den Export beruflicher Aus- und Weiterbildung.


Quelle: iMOVE