Indonesien: Investieren in die Ressource Mensch à la Deutschland

Die Geräusche der Metallbearbeitung übertönen das Summen elektrischer Maschinen beim Betreten der Clemens GmbH & Co. KG im Industriegebiet Wittlich / Deutschland. Der Produzent für Weinbautechnologie und -bearbeitungsmaschinen mit Export bis nach Australien und Amerika ist wegen seines Engagements in der beruflichen Bildung das Ziel des Besuchs.

Über den eigenen Internetauftritt und soziale Medien bietet Clemens jedes Jahr Schulabsolventen ab der neunten Klasse die Möglichkeit an, sich um eine Facharbeiterausbildung zu bewerben. Es gibt sogar ein spezielles Team bei Clemens, das Schulen im Rahmen der Berufsorientierung besucht.

"Wir brauchen Fachkräfte, die umfassend verstehen, wie mit unseren Maschinen und Anlagen umzugehen ist. Sie müssen kompetent sein, da wir nicht nur standardisierte Anlagen für den Weinbau anfertigen, sondern auch Spezialgeräte nach Kundenwünschen bauen.", erzählt uns Patrick Clemens, die dritte Generation in der Unternehmensnachfolge, gleich bei der Begrüßung.

Die Familie Clemens hat genau verstanden, dass es keinen anderen Weg gibt, um kompetente und professionelle Facharbeiter für eine nachhaltige Qualitätssicherung ihrer Produkte zu bekommen, als sie selbst auszubilden. Aus diesem Grund trainiert Clemens derzeit 36 Auszubildende im Alter zwischen 15 bis 18 Jahren, obwohl das Unternehmen 180 Festangestellte beschäftigt.

Gewöhnlich startet die Ausbildung am 1. August oder 1. September und dauert bis zu drei Jahren. "In den ersten vier Monaten lernen die Azubis zunächst mit Metall umzugehen. Erst danach rotieren sie nach dem Ausbildungsplan in den anderen Produktionsbereichen. Die älteren Auszubildenden (3. Lehrjahr) sind dann schon in der Lage, auch anspruchsvolle Produktionsanlagen zu bedienen.", erläutert uns Patrick, unterstützt von den beiden Ausbildern Rita Teusch und Sven Heinrich.

Solange sie im Unternehmen lernen, berichtet Patrick, füllen die Azubis ihren Ausbildungsnachweis aus, der von den Ausbildern abgezeichnet wird. Dieser Ausbildungsnachweis hilft den Azubis, sich auf die Prüfung vorzubereiten, die von der lokalen Industrie- und Handelskammer (IHK) abgenommen wird. "Und falls das Ausbildungsverhältnis abgebrochen wird, kann der Azubi zumindest seine Grundkompetenzen belegen.", sagt Patrick.

Diese Dinge sind gängige Praxis in Deutschland, wo im Jahr 1869 die duale Berufsausbildung eingeführt wurde. Der Name dual geht auf das Zusammenfügen von allgemeinem Wissenserwerb in der Schule und dem Erlernen praktischer Kompetenzen im Betrieb im Verhältnis von 30:70 zurück. Gewöhnlich lernen die Azubis ein bis zwei Tage Theorie in der Schule und drei bis vier Tage Praxis im Unternehmen.

Die duale Berufsausbildung entstand in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als sich der Schlosser und der Tischler darüber Sorgen machten, wer ihre Unternehmungen fortführt, wenn es niemanden gibt, der das Handwerkszeug dafür lernt. Später stellten Unternehmer arbeitslose Jugendliche ein, damit sie in den Industrie-Werkstätten einen Beruf erlernen. Auf gleiche Weise verfuhren die Handwerker, die Tischler und die Schreiner, die ab 1896 so ihre Nachfolger selbst heranzogen.

Starke Verordnungen

Diese Entwicklung setzte sich fort bis zum Jahr 1969, in dem das Berufsbildungsgesetz (BBiG) in Kraft trat. Der Leiter der Berufsschule Wittlich, Alfons Schmitz, erläutert, dass es 300 Jahre Entwicklung brauchte, bis Deutschland die heutige, gut ausgebildete und kompetente Arbeitskraft ausbildet. Eine großartige Zeit in der Entwicklung der dualen Ausbildung kam für Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg – als das BBiG verabschiedet wurde.

"Alle fühlten damals, dass sie fachlich etwas vorweisen müssen, da die wirtschaftlichen Zeiten nicht einfach waren. Auch die Regierung konnte die Schulpflicht ohne Probleme festlegen und dabei die Fachausbildung nach den Bedarfen der Wirtschaft berücksichtigen.", erzählt der Schulleiter in beeindruckender Weise. Schmitz ist selbst Ingenieur für den Bereich Gummi und Plastik und auch Facharbeiter mit dieser Qualifikation.

Die Berufsschule Wittlich liegt der Firma Clemens genau gegenüber und direkt daneben ist das ÜAZ Wittlich (Überbetriebliches Ausbildungszentrum Verwaltung). Die Integration von Bildungseinrichtungen in Industrieansiedlungen erleichtert den Auszubildenden das Verstehen und Vertiefen der Anforderungen, die die Wirtschaft stellt.

Die Anstrengungen bei der Ausbildung der jungen Generation mit dem Ziel, kompetente Facharbeiter zu trainieren, ist erklärte Strategie in Deutschlands – eine Investition in die Ressource Mensch. Die Schulpflicht beträgt neun Jahre in Deutschland. Die ersten vier Jahre finden in der Grundschule statt, in der Allgemeinwissen unterrichtet wird (in anderen Bundesländern sind es fünf oder sechs Jahre). In der anschließenden Mittelstufe wird im Rahmen der Berufsorientierung bereits handwerklich oder industriell orientierter Praxisunterricht angeboten.

Nach der neunten und zehnten Klasse können die Schüler ihre Ausbildung an einer Berufsschule fortsetzen, um einen der 327 Berufe zu erlernen – oder sie gehen zur Hochschule. Circa 41 Prozent der Mittelstufe-Abgänger im Alter von 15 Jahren kommt so zu einer Berufsschule. Aber es gibt auch 34 Prozent von Studienabbrechern, die von einer Hochschule zurück an die Berufsschule wechseln, um bessere Chancen am Arbeitsmarkt zu haben.

Der stellvertretende Geschäftsführer von iMOVE (Bundesinstitut für Berufsbildung BIBB), Hans-Gerhard Reh, erläutert, dass 55,7 Prozent der deutschen Bevölkerung eine Berufsausbildung durchlaufen und 44,2 Prozent davon ein Kompetenz-Zertifikat erwerben. Im Jahr 2016 befinden sich aktuell 1,4 Millionen junge Menschen in der Ausbildung. Das sind 5,4 Prozent aller Arbeitskräfte Deutschlands.

Solide Zusammenarbeit

Die duale Berufsausbildung als Vernetzung von Schule mit den Anforderungen am Arbeitsmarkt wird vollständig von den lokalen Wirtschaftsvertretungen durchgeführt und erzielt eine 95-prozentige Vermittlungsrate der Absolventen. Sie werden sofort mit einem Mindestlohn von 1.620 Euro (25,6 Millionen Rupiah) im Monat eingestellt.

Das duale Ausbildungssystem, das kompetente und hoch wettbewerbsfähige Arbeitskräfte ausbildet, gehört somit zu einer der Triebkräfte der deutschen Wirtschaft.

Es ist die grundsolide Zusammenarbeit von Staat, Wirtschaft und Schule, die es in der dualen Berufsausbildung ermöglicht, effiziente Arbeitskräfte für die Wirtschaft Deutschlands auszubilden.

Deutschland zählt 438.000 Ausbildungsbetriebe. Ein Teil davon sind große Unternehmen und Mittelständler, von insgesamt 2,1 Millionen Unternehmen landesweit. Sie trainieren 500.000 neue Auszubildende jedes Jahr und übernehmen 66 Prozent in Festanstellung, wenn die Ausbildung abgeschlossen ist. Insgesamt 18.000 Euro (286,3 Millionen Rupiah) investieren die Unternehmen dabei jährlich in jeden Auszubildenden. 62 Prozent davon allein in deren Vergütung.

Trotz der hohen Ausgaben, so der stellvertretende Geschäftsführer von iMOVE im BIBB, Hans-Gerhard Reh, machen sich 76 Prozent dieser Kosten durch die produktive Arbeit der Azubis bezahlt.

Der Staat stellt jedes Jahr 5,4 Milliarden Euro (85,8 Trillionen Rupiah) für die Berufsausbildung zur Verfügung. Davon sind 2,9 Milliarden Euro (46,1 Trillionen Rupiah) für die 1.600 Berufsschulen vorgesehen und 2,5 Milliarden Euro (39,7 Trillionen Rupiah) werden für die Beaufsichtigung und finanzielle Unterstützung der Berufsausbildung ausgegeben.

Der Hauptgeschäftsführer der IHK Trier, Jan Glockauer, berichtet, dass die Berufsausbildung nicht immer glatt läuft. Trotz allem liegt das Hauptaugenmerk der IHK Trier immer darauf, die Wirtschaft zu stärken.

"Die Wirtschaft wird sich nicht an der Berufsausbildung beteiligen, wenn darin nicht ein Vorteil besteht. Jedes Engagement muss einen Nutzen für das Unternehmen oder die Beteiligten bringen.", sagt Glockauer.

Das duale Berufsausbildungssystem stärkt nachgewiesenermaßen die Effizienz am Arbeitsmarkt Deutschlands und ist eine Triebkraft seiner Wirtschaft. Die Arbeitslosenrate Deutschlands ist im Jahr 2016 sehr niedrig (minus 4,1 Prozent). Die Wettbewerbsfähigkeit seiner Arbeitskräfte mit einem Bruttosozialprodukt (BSP) von 3,46 Trillionen US-Dollar (46,74 Quadrillion Rupiah) stellt Deutschland weltweit auf Platz vier. Und die Investitionen in seine Ressource Mensch lässt Deutschland Platz 6 unter 130 Ländern einnehmen, laut Human Capital Index des Weltwirtschaftsforums 2017 (WEF).

Der stellvertretende Präsident für Arbeitskräftequalifizierung und Gewerkschaftsangelegenheiten des indonesischen Kammerdachverbands, Anton J. Supit, meint, dass Kadin Indonesia die Berufsausbildung und die Bereitstellung kompetenter sowie hoch wettbewerbsfähiger Arbeitskräfte in Indonesien sehr unterstützt.

So ist es nur folgerichtig, dass Präsident Joko Widodo Deutschland als Beispiel für den Aufbau der Berufsausbildung für Indonesien gewählt hat.

Autor

Hamzirwan Hamid

Übersetzung

Übersetzung aus dem Indonesischen durch die Berufsbildungs-Partnerschaft Industrie- und Handelskammer Trier in Indonesien.

Quelle

Der indonesischsprachige Artikel ist am 10. Oktober 2017 in der überregionalen indonesischen Tageszeitung Kompas erschienen. Der Artikel ist für registrierte Nutzer zugänglich.

Quelle: Kompas, überregionale Tageszeitung Indonesien, 11.10.2017