House of Skills schafft Perspektiven in Afrika

Dass junge Menschen in ärmeren Ländern Perspektiven brauchen, um in ihrem Land bleiben zu wollen, weiß Roland Rösch schon lange. Ab 1989 bildete er in Kenia Jugendliche zu Schreinern aus, später auch im Nord­irak. Im "House of Skills", seinem aktuellen Projekt in Gambia, lernen junge Menschen einen Beruf und bauen sich so eine Zukunft in einem der ärmsten Länder Afrikas auf.

Bei all dieser Arbeit trät ihn und seine Frau Gunda der christliche Glaube. Ein Gespräch am Rande eines Heimatbesuchs über Motivation, Hindernisse und Chancen.

Um zu verstehen, warum Roland Rösch all das tut, muss man seine Geschichte kennen. Der 50-Jährige ist in Möhren aufgewachsen. In der Schule hatte er es nicht leicht. Er hat eine schwere Form der Legasthenie und kann nur mit einem Sprachcomputer Texte verfassen. Gut vorstellbar, dass das in den 1960er- und 70er-Jahren kein Zuckerschlecken war.

Dennoch gab es immer wieder Menschen, die Rösch ermutigten und an ihn glaubten. Er machte eine Ausbildung zum Schreiner und absolvierte seinen Zivildienst in einem Heim für "milieugeschädigte Jugendliche", wie es damals hieß. Das prägte ihn. Hinzu kam, dass er in der Landeskirchlichen Gemeinschaft aktiv ist. An Jesus zu glauben, heißt für ihn auch, den Glauben weiterzutragen, anderen Menschen zu helfen und sie zu motivieren, so wie er es selbst erfahren hat.

Da er aber Laie ist und auch nicht das Bild des Missionars mit sich in Deckung bringen konnte, überlegte Rösch damals, als weltlicher Pionier nach Afrika zu gehen. Mit dem Missionswerk Diguna kam er 1989 mit 23 Jahren nach Kenia, um mit Waisenkindern zu arbeiten. "Wir haben mit einem Zelt angefangen, das im Zent­rum von vier Städten stand", blickt er zurück. Denn wer mit Waisen und Straßenkindern arbeiten will, muss dahin gehen, wo diese sind. Eigentlich sollte Rösch nicht lang bleiben, aber wie so oft im Leben kam es anders. Die Freude an der Arbeit und die Zuneigung zu den Menschen dort packten ihn, und er blieb zwölfeinhalb Jahre.

"Ich habe erfahren dürfen, dass ich eine Gabe habe, meinen Beruf weiterzugeben", sagt Rösch. Ursprünglich wollte er nach der Rückkehr nach Deutschland eine Ausbildung zum Arbeitserzieher anschließen. Stattdessen lernte er das Lehren in der Praxis und wuchs mit seinen Aufgaben.

"Ich bin ein Pionier"

In Kenia baute der Möhrener eine Schreinerei auf, in der er Waisen sein Handwerk beibrachte. Fünf Häuser erwuchsen aus dem ersten Zelt. 2001 sah sich Rösch dann von Gott zu Neuem berufen: "Ich bin ein Pionier. Ich kann Dinge gut aufbauen, erhalten dürfen sie andere", erklärt er. Die Schreinerei lief damals bereits so gut, dass er sie an seine einstigen Lehrlinge übergab. "Ich habe den Grundstein gelegt und gesehen, dass ich jetzt weiter sollte", sagt er rückblickend. Dennoch blieb ein Teil seines Herzens am kenianischen Boden, als er ins Flugzeug stieg.

Ein Jahr später zog es Rösch in den Nordirak. Für eine britische Organisation arbeitete er in einem Zentrum für Kinder, die ihren Lebensunterhalt auf der Straße verdienen müssen, etwa mit einem Bauchladen oder als Bauhelfer. Die Initiative versuchte, die Kinder zurück in die Schule oder in eine Ausbildung zu bringen. Rösch war wieder als Schreiner aktiv, brachte den Jugendlichen aber auch Schulbildung näher. Seinen Glauben konnte er in dem muslimisch geprägten Land nicht weitertragen, aber Gottesdiens­te waren mit der internationalen Gemeinde auch im Irak möglich.

2008 verschärfte sich dann die Sicherheitslage im Land und Röschs Organisation verlängerte den Vertrag nicht. "Ich habe beim Auswärtigen Amt nachgefragt, die haben die Lage als nicht so gefährlich eingeschätzt, und auch ich hatte vor Ort keine Angst", sagt er. Nur einmal, als die Mohammed-Karikaturen den arabischen Raum erschütterten, zog Rösch es vor, einen Tag lang das Haus lieber nicht zu verlassen.

Am Ende blieb ihm dennoch nichts anderes übrig, als schweren Herzens abzureisen. Die Schreinerei übergab er seinen Zöglingen, die sie bis heute weiterführen und so den Weg aus der Armut geschafft haben. Auch sie bilden weiter aus. "Ich wollte nicht zurück, aber ich musste. Dieser Bürokratismus hat mich ziemlich erschöpft", erzählt der Möhrener.

Afrika ließ ihn nicht mehr los

Über einen Freund fand Rösch eine Stelle als Hausmeister in einem Hotel in der Schweiz. Dort konnte er erst einmal verschnaufen. Doch es hielt ihn nicht lange, der Ruf Afrikas wurde wieder lauter. Mit der Organisation "Weltweiter Einsatz für Christus" (WEC) klappte 2011 die Rückkehr. Für eine Kooperation bei der Schreinerausbildung ging es nach Gambia.

Als es losgehen sollte, stand Rösch jedoch vor einem Problem: In den zugeteilten Räumen durfte er keinen Lärm machen, weil nebenan Büros lagen. Blöd für eine Schreinerwerkstatt. Hinzu kommt, dass in Gambia Holz rar ist, weil chinesische Inves­toren das Hartholz abholzen, sodass Schreiner dort kein allzu zukunftsträchtiger Beruf ist. Schlosser oder Automechaniker sind eher gefragt.

Ein neuer Ort musste also her. Rösch wollte das Projekt fast schon aufgeben, als ein Pastor des evangelischen Kirchenverbands die Lösung brachte. Er hatte ein Grundstück, das er zur Verfügung stellte. Gleichzeitig fand Rösch Unterstützung von anderer Seite: Er lernte seine jetzige Frau Gunda kennen, die für WEC seit 1992 als Hebamme in Gambia arbeitete.

2012 wurde geheiratet. Seither ist die Schweizerin oft auch Röschs Dolmetscherin. Sie verließ das Dorf, in dem sie vielen Kindern auf die Welt geholfen hatte, und stellte mit ihrem Mann ein gemeinsames Projekt auf die Beine: das "House of Skills".

Zehntausende gehen fort

Hintergrund des Projekts ist es, dass es Jugendliche aus Gambia zu Zehntausenden nach Europa zieht, weil sie daheim keine Perspektive sehen. Denn Schulen und Ausbildungszentren sind schlecht ausgestattet, den Besuch kann sich nicht jeder leis­ten. "Manchmal gibt es für 100 Schüler zwei Schraubenzieher", verdeutlicht Rösch. Ausgebildet wird theoretisch, eine duale oder praktische Lehre kennt man nicht. Viele Jugendliche lernen in einer Werkstatt am Straßenrand das Handwerk des Vaters oder Onkels. Freie Berufswahl? Utopisch.

Auf dem Grundstück des Pastors bauten Roland und Gunda Rösch ein Haus und eine Werkstatt. Eine Dauerlösung war dies aber nicht. Denn Jugendliche auszubilden heißt, in die Stadt zu ziehen, wie Rösch aus Kenia wusste. 2014 hörte das Paar von einem Stück Land, nur 18 Kilometer außerhalb der Stadt, das zu kaufen war. Ein deutsches Unternehmerpaar kam für die Finanzierung auf.

Auf den 21.000 Quadratmetern mit vielen Obstbäumen ist genug Platz für die Werkstätten, Büros und Unterkünfte. Die Auszubildenden wohnen dort und sind nur an den Wochenenden bei ihren Familien. Ein kleines Taschengeld ermöglicht es ihnen, die Lehre überhaupt zu machen. Mit fünf Jugendlichen startete das Projekt, inzwischen sind es 16.

Roland Rösch geht es darum, Jugendlichen zu helfen, die die Schule abgebrochen haben oder anderweitig schwere Startbedingungen haben. So sieht er es auch kritisch, wenn ihm europäische Regierungen Geld bieten, damit er eine große Gruppe von Rückkehrern aufnimmt und ausbildet. Ihm geht es um Nachhaltigkeit.

Deshalb wird das Gelände seit 2015 komplett in Eigenregie bebaut. Mit den Jugendlichen und Mitarbeitern aus Afrika und Europa entstanden bisher eine Schule, eine Multifunktions-Werkstatt, ein Wohnhaus und eine Bäckerei. Auch eine eigene Wasserversorgung gibt es. Das Nass kommt aus 36 Metern Tiefe und erreicht über einen Wasserturm und Leitungen das gesamte Areal. Die Maschinen in den Werkstätten stammen aus Deutschland und der Schweiz. Sie sind alt, aber funktionieren. Bei den Bauarbeiten lernen die Auszubildenden auch gleich, wie wertvoll das Geschaffene ist. Es wird so zu ihrem Projekt, auf das sie stolz sind.

Ohne Ansehen von Glaube oder Herkunft

Sechs Ausbildungsberufe vermittelt das House of Skills derzeit: Maurer, Schlosser, Maler, Mechaniker, Elektriker und Bäcker. Christen und Moslems arbeiten Hand in Hand. Während die Azubis meist männlich sind, gibt es in der Bäckerei auch drei Frauen. Das Angebot richtet sich ebenso an Erwachsene. Ein Nachbar etwa hatte ohne eine Ausbildung jahrelang in einem Metallberuf gearbeitet und einen Hungerlohn verdient. Mit der Weiterbildung hofft er, in Zukunft besser zu verdienen.

Um die Inhalte kümmern sich bislang meist Freiwillige aus Europa. Das können sowohl erfahrene Berufspraktiker sein, als auch Schulabsolventen für ein Zwischenjahr oder Praktikum. Sie unterrichten oder erstellen Materialien. Besonders in Mathematik haben viele Gambianer großen Nachholbedarf, und gerade Bäcker brauchen sie, etwa beim Anpassen von Rezepten.

Gerade ist das House of Skills dabei, die Ausbildung von der Regierung zertifizieren zu lassen. Noch gibt es keine offizielle Rückmeldung, aber die Resonanz spricht laut Gunda Rösch Bände. Ihr Mann sei bereits um Hilfe bei der Überarbeitung der Schreinerlehre gebeten worden. Denn Gambia möchte die duale Ausbildung einführen. "Ich weiß gar nicht, wie ich das zeitlich machen soll", sagt Rösch, der mit dem House of Skills inzwischen so eingespannt ist, dass er nicht einmal dazu kommt, selbst zu unterrichten.

Ziel des Projekts ist eine drei- bis vierjährige Ausbildung. Aber nicht alle Jugendlichen können oder wollen so lange bleiben. "Uns ist es wichtig, dass der Anfang gemacht ist und sie wissen, wo sie später Hilfe bekommen", erklärt Gunda Rösch. Da spielen auch Plattformen wie YouTube eine Rolle.

Etwas Findigkeit reicht oft

Das Ehepaar möchte aber auch zeigen, dass man mit einfachen Dingen und etwas Findigkeit ein Einkommen generieren kann. So haben die Röschs zwei Bienenvölker auf dem Gelände und kochen Marmelade vom Obst der Bäume, die auf dem Grundstück stehen. "Das kann auch eine gambianische Hausfrau mit Kindern machen. So viele Bäume am Straßenrand werden nicht abgeerntet", sagt Roland Rösch. "Man kann aus seiner Zeit etwas machen und Einkommen aus Materialien erzielen, die eh schon da sind." Die Botschaft kommt an – und das House of Skills auch. Zwei junge Elektriker und ein Maler haben bereits den Start ins Berufsleben geschafft.

Auch die Röschs sind zufrieden, wie sich ihr "Kind" entwickelt. Ihr langfristiges Ziel ist es, dass sich das Projekt mit Aufträgen selbst trägt. Das ist noch nicht erreicht, aber Roland Rösch ist guter Dinge. Denn das größere Ziel, Jugendlichen eine Perspektive zu schaffen, erfüllt das House of Skills schon jetzt.


Quelle: nordbayern, Verlag Nürnberger Presse, nordbayern.de, 16.06.2018