Grünen Wasserstoff international erschließen

Durch Energiepartnerschaften mit Wasserstoff-Erzeugerländern will Deutschland die Energiewende schaffen. Diese Partnerschaften umfassen auch Weiterbildungen für örtliche Fachkräfte. Der Artikel stellt ein Beispiel für einen solchen Wissenstransfer aus der Kooperation mit Wasserstofferzeugern in Chile vor. Der iMOVE-Artikel ist in der BWP-Ausgabe 4/2023 erschienen.

Den Artikel (Stand: 08.09.2023) mit allen Quellenangabe lesen Sie in der BWP-Ausgabe 4/2023, Links siehe Abschnitt "BWP - Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis" am Ende der Seite.

Grüner Wasserstoff für die Energiewende

Grüner Wasserstoff, der per Elektrolyse aus Wasser mit Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, gilt weltweit als großer Hoffnungsträger, um die Energiewende zu schaffen. Mit ihm will Deutschland bis 2045 klimaneutral werden. Der schnelle Hochlauf der Technologie ist zentrales Ziel der Nationalen Wasserstoffstrategie Deutschlands .

Um diesen Wasserstoff im großen Maßstab herzustellen, werden allerdings nicht nur enorm viele Elektrolyseure benötigt, die Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten, sondern auch große Mengen an Energie aus Windkraft und Sonne. Diese umweltfreundlichen Energiequellen stehen in vielen Ländern in wesentlich größerem Umfang zur Verfügung als in Deutschland.

Internationale Energiepartnerschaften – Potenziale in Chile

Um diese Ressourcen nachhaltig zu erschließen, entstehen Energiepartnerschaften zwischen Verbraucher- und Erzeugerländern.

Als ein wichtiger Partner auf Seiten der Erzeugerländer hat sich Chile herauskristallisiert. Es gehört – neben Brasilien, Marokko und Ägypten – zu den Ländern, in denen das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) Projekte zum Ausbau der Wasserstofferzeugung fördert und gleichzeitig in die Fachkräftequalifizierung investiert. Das Andenland ist für die Gewinnung erneuerbarer Energien wie geschaffen: Im windigen Süden Patagoniens und der sonnenreichen Atacama-Wüste im Norden entstanden nach der Liberalisierung des Strommarkts 2015 über 150 neue Wind- und Sonnenparks.

Aufgrund seiner natürlichen Voraussetzungen hat Chile das Potenzial, langfristig zwischen 160 und 200 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff zu liefern. Chile war 2020 der erste Staat in Lateinamerika, der eine nationale Wasserstoffstrategie entwickelte. Diese sieht nicht nur vor, mit Wasserstoff die eigene Energiewende zu schaffen, sondern bis 2030 das wichtigste und kostengünstigste Produktions- und Exportland von grünem Wasserstoff weltweit zu werden.

Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) engagiert sich im Rahmen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit bereits seit 1990 in Chile und legte zu Beginn der der Jahrtausendwende erstmals internationale Klimaschutzprojekte auf. Einer Analyse der GIZ und des chilenischen Energieministeriums zufolge hat Chile das Potenzial, 70-mal so viel Strom aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen, wie es für den Eigenbedarf benötigt. Damit könnte es die Hälfte des Bedarfs an grünem Wasserstoff eines Industrielands wie Deutschland abdecken. Daher ist es kaum verwunderlich, dass mehr als 60 Projekte für die Produktion von grünem Wasserstoff in Chile geplant sind, die noch vor 2030 umgesetzt werden sollen.

Wissenstransfer ins Erzeugerland

Laut Berechnungen des chilenischen Wasserstoffverbands H2 Chile werden bis 2050 etwa 740.000 neue Arbeitskräfte in der Wasserstoffindustrie benötigt. Aktuell besteht allerdings ein großer Mangel an ausgebildeten Fachkräften in diesem Bereich und nur begrenzter Zugang zu entsprechenden Fortbildungen und Umschulungen für Arbeitskräfte in der Industrie. Auch Untersuchungen zu den konkreten Kompetenzlücken und die Entwicklung einer darauf basierenden Roadmap für die Weiterentwicklung der Mitarbeitenden stehen noch am Anfang.

Eine in Chile geplante Qualifizierungsmaßnahme ist Teil des International Hydrogen Ramp-Up Programms H2Uppp. Dieses Förderprogramm des BMWK begleitet und unterstützt in Partnerschaft mit der Wirtschaft den Markthochlauf von grünem Wasserstoff (H2) und Technologien zur Speicherung bzw. anderweitigen Nutzung von Stromüberschüssen, in ausgewählten Entwicklungs- und Schwellenländern. Integraler Bestandteil ist der Wissens- und Kompetenztransfer, etwa in Form von Zusatzqualifikationen für Fachkräfte im Bereich Wasserstofftechnologien, der vor allem in energieintensiven Branchen absehbar steigen wird. Neben technischen Studien und spezifischer Beratung bildet der Auf- und Ausbau beruflicher Kompetenzen eine wichtige Säule beim Austausch von Know-how.

Als Partner für den Wissenstransfer bei H2Uppp wurde in einem breit angelegten Auswahlverfahren der international tätige Hamburger Bildungsanbieter Heinze Akademie ausgewählt. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit industrieller Arbeitgeber und zur Kompetenzförderung technischer Fachkräfte entwickelt der Dienstleister innovative, technische Weiterbildungen und setzt diese in Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten aus Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Verbänden um.

Im Auftrag der Auslandshandelskammer Chile und gefördert über die GIZ entwickelte die Heinze Akademie ein rund 40-stündiges Präsenztraining inklusive digitaler Lehr- und Lernmaterialien als Weiterbildung für technische Fachkräfte. Behandelt werden Themen wie Herstellung, Transport und Speicherung von grünem Wasserstoff sowie die damit verbundenen Kosten. Schwerpunktmäßig vermittelt der Lehrgang Kompetenzen zu gesetzlichen Bestimmungen und Standards, zur Risikobewertung und zur Gestaltung sicherer Arbeitsprozesse. Für das Design des Trainings arbeitete das Entwicklungsteam der Heinze Akademie eng mit Betrieben aus Chile zusammen und erhob die konkreten Bedarfe mittels einer Umfrage, um sowohl die Inhalte als auch die berufspädagogische Methodik an den Zielmarkt anzupassen.

Für die erstmalige Umsetzung im September und Oktober 2023 entsendete die Heinze Akademie drei Dozenten nach Chile, um die Trainings für 20 chilenische Ingenieurinnen, Ingenieure, Business Managerinnen und Business Manager über einen Zeitraum von rund drei Wochen durchzuführen. Diese Art von Wissens- und Kompetenztransfer befindet sich – wie andere Bereiche der beruflichen Aus- und Weiterbildung in ähnlichen Maßnahmen – noch in einer frühen Phase. Nach erfolgreicher Absolvierung des Erprobungsstadiums kann der Austausch von Know-how verstetigt und multipliziert werden. Das gilt auch für das Training der Heinze Akademie. Der zunächst auf Englisch entwickelte Lehrgang soll in Zukunft auch auf Spanisch und Portugiesisch verfügbar sein, um in weiteren Ländern Südamerikas zum Einsatz zu kommen.

  • Autorin: Silvia Niediek, iMOVE, Regional-Managerin Südasien, Südostasien und Nordamerika; Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

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Quelle: BWP-Ausgabe 4/2023