Für Frauen Brücken bauen

Was können Deutsche von Nordafrikanerinnen lernen und umgekehrt? Ein Gespräch mit Clara Gruitrooy, Generalsekretärin des deutsch-arabischen Ländervereins für Wirtschaftszusammenarbeit EMA, über das Mentoring-Programm "Ouissal".

Sie möchte mit Vorurteilen aufräumen und Frauen in der Wirtschaft stärken: Clara Gruitrooy ist Generalsekretärin und Mitbegründerin der EMA, des deutsch-arabischen Ländervereins für Wirtschaftszusammenarbeit. Bereits zum fünften Mal initiiert sie 2019/2020 das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geförderte Mentoring-Programm "Ouissal", das Unternehmerinnen aus Deutschland und der arabischen Welt zusammenbringt.

Frau Gruitrooy, wie kamen Sie auf die Idee für das Mentoring-Programm?

Ich war der Meinung, dass wir die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Nordafrika neu denken müssen und Kooperationen auf Augenhöhe schaffen sollten. Deshalb habe ich 2011 gemeinsam mit der Handelskammer Hamburg das erste deutsch-arabische Frauenforum ins Leben gerufen. Es war als Plattform gedacht, auf der sich deutsche und arabische Führungsfrauen aus Politik und Wirtschaft austauschen und vernetzen können. Aber reden alleine hat mir nicht gereicht.

Unterstützung haben wir vom Bundesfrauenministerium erhalten. Unter seiner Schirmherrschaft haben wir von der EMA das deutsch arabische Mentoringprogramm "Ouissal" für Frauen in Führungspositionen ins Leben gerufen.

Was können deutsche Unternehmerinnen von arabischen lernen und umgekehrt?

Was wir in Deutschland feststellen können ist, dass die Quote an weiblichen Gründerinnen immer noch sehr gering ist. Die Bereitschaft zu gründen ist in Nordafrika nachweislich größer. Der Mut und die Experimentierfreude ist sehr viel höher als in Deutschland.

Die deutschen Frauen hingegen bringen oft viel Erfahrungen in Bezug auf Kundenmanagement, Netzwerkbildung oder Mitarbeiterführung mit. Von diesem Wissen können die arabischen Teilnehmerinnen profitieren. Für alle ist es gut, eine vertrauensvolle Sparringpartnerin an ihrer Seite zu haben und sich im Netzwerk gegenseitig zu unterstützen. Darum auch der Name "Ouissal", der auf Arabisch bedeutet: Brücke oder Verbindung von Gleichgesinnten.

Darum auch der Name "Ouissal", der auf Arabisch bedeutet: Brücke oder Verbindung von Gleichgesinnten.

Clara Gruitrooy, Generalsekretärin und Mitbegründerin der EMA

Wie ist das Programm aufgebaut?

Auf der einen Seite stehen erfahrene Unternehmerinnen, auf der anderen Seite Start-up Gründerinnen, die ihr Geschäft weiterentwickeln möchten. Die Frauen arbeiten ein Jahr lang in Tandems zusammen, immer eine Mentorin und eine Mentee. Unser Motto ist, dass Lernen keine Einbahnstraße ist. Das heißt, dass wir beidseitiges Mentoring anbieten, manchmal mit einer deutschen, manchmal mit einer arabischen Mentorin.

Um den Frauen neue Perspektiven zu eröffnen, nutzen wir das sogenannte Cross Mentoring. Da kann zum Beispiel eine Unternehmerin aus der Metallbranche, die einen ganzen Vertriebskanal aufgebaut hat, eine Unternehmerin aus der Bio-Kosmetik begleiten, die tolle Produkte konzipiert, aber keine Ahnung hat, wie Sie diese vertreiben kann. Der gemeinsame Nenner bei ihnen wäre der Vertriebskanal, an dem sie dann gemeinsam arbeiten.

Wie läuft das Programm ab? Gibt es Workshops zu denen sich die Frauen treffen?

Die Gruppe trifft sich zu einem Kick off Workshop in Casablanca oder Tunis. Dort lernen sich die Tandems kennen und die Frauen können ihr Netzwerk stärken. Danach kommt die sogenannte virtuelle Mentoring Phase. Während dieser Zeit arbeiten die Tandempartnerinnen etwa zwei bis vier Stunden pro Woche per Skype oder E-Mail an der Entwicklung des Unternehmens.

Zum großen Abschluss-Workshop treffen sich die Unternehmerinnen im Deutsch-Arabischen Frauenforum in Berlin. Zu diesem Event laden wir auch die Alumni des Programms und Führungsfrauen aus Deutschland und allen arabischen Ländern ein.

Welche Vorteile hat das Programm für die Mentorinnen?

Es ist im Prinzip ein wechselseitiger Lernprozess, gerade durch die interkulturelle Komponente. Die Teilnehmerinnen lernen viel über die Kultur des Landes und über die Arbeitsbedingungen. Sehr viele Frauen hatten vorher mit dem Partnerland noch keine Berührungspunkte. Sie erhalten hier die Möglichkeit, sich ganz gezielt für den Werdegang einer Jungunternehmerin einzusetzen. Ich bin immer wieder überwältigt von den vielen Führungskräften, die so viel Zeit und sogar ihren Urlaub für das Programm investieren. Und alle sagen, die Erfahrung verändert ihre Sicht auf die Welt. Viele nehmen sogar mehrfach am Programm teil.

Nach welchen Kriterien wählen Sie die Teilnehmerinnen aus?

Sie müssen eine gemeinsame Arbeitssprache beherrschen, das ist entweder Französisch oder Englisch. Außerdem halten wir Ausschau nach ganz bestimmten Schlagwörtern wie Marketing, Leadership oder Change Management. Das sind wichtige Bereiche, um andere Unternehmerinnen bei ihrem Aufbau zu unterstützen. Nachdem die Bewerbungen eingegangen sind, führen wir mehrfach Bewerbungsgespräche, damit wir die Personen besser kennenlernen und so entscheiden können, welche Tandempartner zueinander passen.

Haben Sie einen speziellen Schwerpunkt in der arabischen Welt?

Wir haben als Pilotprojekt in Tunesien gestartet und das Programm dann auf Marokko ausgeweitet. Insgesamt haben wir aber über 26 Länder in unserem Regionalfokus. Wir haben jetzt eine sehr gute Ausgangsbasis und planen, auf jeden Fall noch in die Breite zu wachsen. Mein Ziel ist es, dass wir das Programm überregional anbieten.

Welche Ergebnisse erhoffen Sie sich durch das Programm?

Uns ist es wichtig Leuchttürme zu setzen, die Vorbildfunktion haben und andere Frauen mitziehen. Das ist uns bisher auf jeden Fall gelungen. Gleichzeitig möchten wir in Deutschland mit der Vorstellung aufräumen, dass es "die arabische Frau" gibt. Wir haben es mit einer riesigen Region zu tun und möchten durch das Programm zeigen, wie viel Potenzial in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit unseren südlichen Nachbarn besteht. Das ist unsere Herzensaufgabe.


Quelle: deutschland.de, 11.02.2020