El Gouna in Ägypten: Resort aus der Retorte

El Gouna ist so künstlich wie Dubai und so schick wie eine europäische Mittelmeerstadt. Die ägyptische Retortenstadt importiert Bildung aus Deutschland und will mit einem Filmfestival Stars und Reiche locken.

Dort, wo Robert Fellermeier heute sitzt, wehte vor 30 Jahren nur der feinkörnige Wüstensand über die ägyptische Küste. Es gab keine geschmückte Promenade, keinen Jachthafen und auch keinen Kaffee, den der Bayer mit Blick auf sein kleines Hotel-Imperium hätte schlürfen können.

Der Deutsche ist der Chef in der Lagunenstadt El Gouna am Roten Meer: Er herrscht über die 18 Hotels des Ortes, der genauso echt ist wie Disneyland, aber von seinen Besuchern und Bewohnern geliebt wird.

"Der Unterschied zwischen Gouna und Hurghada ist, dass in Gouna auch zwischen den Hotels sauber gemacht wird", sagt Fellermeier. Solche flotten Werbesprüche hätte er im Moment gar nicht nötig: Ägypten ist bei Urlaubern wieder gefragt. Die Reiseveranstalter - unter anderem TUI, Thomas Cook oder der in El Gouna aktive Anbieter FTI - haben ihre Bettenkapazitäten deutlich aufgestockt.

FTI, Marktführer in Ägypten, kann eigenen Angaben zufolge ein hohes zweistelliges Umsatzplus für den Rest des Jahres verbuchen: In diesem Geschäftsjahr werde man die Marke von einer Million Ägypten-Gästen knacken.

Ägypten verzeichnete 2017 Medienberichten zufolge auch insgesamt einen Anstieg der Urlauberzahlen von mehr als 50 Prozent auf 8,3 Millionen und Einnahmen von etwa 6,5 Milliarden Dollar. Im ersten Quartal 2018 hielt der Trend weiter an. Das Geld ist für die kriselnde Wirtschaft des Landes extrem wichtig. Der Tourismus ist eine der wenigen Quellen für ausländisches Geld, zudem hängen Millionen Arbeitsplätze an dem Sektor.

Günstig, sonnig, attraktiv - die Besucherzahlen steigen

Es ist das langsame Auferstehen für Ägypten nach turbulenten Jahren. Vor den Aufständen des sogenannten Arabischen Frühlings 2011 verbuchte das Land Rekordbesucherzahlen - die Unruhen auch in den Folgejahren hielten Deutsche und andere Urlauber auf Abstand.

Gerade als sich unter der neuen autoritären Führung von Ex-Feldmarschall Abdel Fattah el-Sisi wieder eine relative Ruhe einstellte, geschah der GAU: Terroristen brachten im Herbst 2015 einen russischen Ferienflieger mit einer Bombe an Bord über der Sinai-Halbinsel zum Absturz und versetzten nicht nur die ägyptische Urlaubsbranche in einen tiefen Schock. Damals kamen 224 Menschen ums Leben. Die Zahlen brachen danach erneut ein, und weitere Attentate verunsicherten Touristen.

Doch nun blicken die Urlauber offenbar nicht mehr so häufig zurück, sondern denken vielmehr an die Vorteile des nordafrikanischen Landes: günstige Preise, warme Temperaturen selbst im Winter, eine spektakuläre Unterwasserwelt und nicht zuletzt Antikenstätten vor allem in Luxor und Assuan.

El Gouna ist dabei so etwas wie ein ägyptisches Paralleluniversum. Die offizielle Internetseite beschreibt es als "eine Stadt wie keine andere". Mehr als zehntausend Menschen leben hier zumindest zeitweise in üppigen Villenvierteln. Dabei ist El Gouna eigentlich keine Stadt, sondern ein Resort: Das ganze Gebiet ist Privatgelände und von Milliardär Samih Sawiris ab Ende der Achtzigerjahre hochgezogen worden. Ein Ort, der mit dem traditionellen Ägypten nicht mehr viel gemein hat.

Die schicken Plätze, dutzenden Restaurants, Strandbars und Kite-Areale an den künstlich aus der Wüste gefrästen Lagunen sind Treffpunkt der ägyptischen Upperclass. Kopftücher tragen die muslimischen Frauen hier kaum, was in dem konservativen Land eine Besonderheit ist. Bars servieren - anders als in den meisten Orten des Landes - Alkohol auf offener Straße. El Gouna ist so künstlich wie Dubai und so schick wie eine europäische Mittelmeerstadt.

Ausbildung aus Deutschland importiert

Der Retortenort nimmt dabei besonders die deutsche Klientel ins Visier. "80 bis 85 Prozent unserer Gäste sind deutschsprachig", sagt Manager Fellermeier. Die Gründe dafür liegen vor allem an der Zuneigung Sawiris zur Bundesrepublik. Der Kopte besuchte die Deutsche Evangelische Oberschule in Kairo und studierte an der Technischen Universität Berlin (TU).

So ist es auch kein Zufall, dass in El Gouna heute ein Ableger der TU steht. Dort forschen Wissenschaftler aus Deutschland unter anderem zum Thema Solarstrom und Wasserwirtschaft. Auch bildet die Deutsche Hotelfachschule hier Personal aus, nicht nur für die Hotels in El Gouna. Alles nach deutschem Standard, mit Lehrern und Prüfungskomitee aus Deutschland.

In einem Büro der Schule surrt die Klimaanlage, in die jemand den Plastikstiel eines Deutschlandfähnchens geklemmt hat. Darunter sitzt der Leiter der Schule, er trägt die deutsch-ägyptische Symbiose schon im Namen. Islam Kindsvater, Sohn einer Ägypterin und eines Deutschen, sagt: "Der deutsche Einfluss ist schon heftig hier."

Samih Sawiris hat die Schule vor 15 Jahren mitgegründet und seitdem finanziell unterstützt, um die Servicequalität in seiner neuen Stadt auf einen für Ägypten neuen Standard zu heben. Er schaue immer mal wieder vorbei und werde gewissermaßen als Vater gesehen, sagt der Direktor, während er durch die Schule führt.

In der Küche stehen die jungen Ägypter um einen deutschen Lehrmeister und einen dampfenden Eintopf herum, in den Klassenzimmern gibt es statt Tafeln Smartboards. Auf einem steht das Thema der Stunde auf Deutsch: "Rücksichtnahme gegenüber dem Gast."

Filmfest für die Reichen

El Gouna hält sich für die Urlaubselite in Ägypten. Und die deutsche Stadt am Roten Meer hat dabei keine Angst davor, sich zu übernehmen. Neben verschiedenen Festen, Feiern und einem internationalen Squash-Turnier beginnt am 20. September die zweite Auflage des "El Gouna Film Festivals". Massenhaft roter Teppich und Stars sollen den Glanz bringen, der dem einst sehr renommierten "Cairo Film Festival" schon lange abhandengekommen ist.

Dafür lässt die milliardenschwere Familie Sawiris viel Geld springen. Bei der Premiere des Festivals 2017 waren unter anderem Oscar-Preisträger Forest Whitaker und Regisseur Oliver Stone mit dabei. Wer in diesem Jahr für die Publicity am Roten Meer sorgen wird, ist noch nicht klar.

Wer nicht dabei sein wird, dagegen schon: El Gouna ist für die reichen Ägypter und die Urlauber gemacht, nicht für die normale Bevölkerung. Die vielen Ägypter, die in Kairo, Alexandria oder im Nildelta in einfachen Verhältnissen oder Armut leben, kämen gerade einmal bis zu den Sicherheitsleuten am Stadttor.


Quelle: Spiegel Online, spiegel.de, 31.08.2018