China: Smarte Ausbildung für smarte Fabriken

Deutschland und China arbeiten seit Jahrzehnten erfolgreich in der Berufsbildung zusammen. Doch wie sieht es mit der Aus- und Weiterbildung für die Produktion der Zukunft aus?

Jeder weiß es: Der digitale Wandel erfasst alle Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft, verändert den Arbeitsalltag und damit den Qualifizierungsbedarf. Immer mehr Tätigkeiten, die bisher in Menschenhand lagen, können zunehmend "intelligente" Maschinen und Technologien erleichtern oder sogar übernehmen. Dennoch ist der Mensch alles andere als ersetzbar: Denn neue Produkte, Technologien und Services werden von Menschen entworfen, erprobt, eingesetzt, bedient, überwacht und weiterentwickelt.

Industrie 4.0 erfordert vor allem Prozessverständnis: Statt nur Maschinen zu bedienen, gilt es das Zusammenspiel der Produktions- und Wertschöpfungsprozesse zu verstehen, vernetzte Systeme zu begreifen und Datenströme auszuwerten. Das bedeutet: Aus- und Weiterbildung müssen mit den technologischen Entwicklungen in der Industrie 4.0 mitwachsen. Nicht nur in technologischer Hinsicht, sondern auch in puncto interdisziplinäre Zusammenarbeit und der Fähigkeit zur Gestaltung von Innovationen.

Lebenslanges Lernen ist bei einer derart rasanten Entwicklung sozusagen vorprogrammiert, in smarten Fabriken und weit darüber hinaus, bei Anwendern, Ausrüstern und Dienstleistern. Auch in der Bildung selbst ist die Digitalisierung Gegenstand und Treiber zugleich, sei es bei der beruflichen Aus- und Weiterbildung, bei Betriebsschulungen, im Studium. Und auch in der Zusammenarbeit in der Berufsbildung mit China.

Lebenslanges Lernen

Am 18. April 2018 hat China, wie das Mercator Institute for China Studies (MERICS) berichtete, unter Führung von Ministerpräsident Li Keqiang die Einführung eines Systems zum lebenslangen Lernen im Beruf verabschiedet, um eine qualifizierte Arbeiterschaft zu entwickeln und so einem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Verschiedene Ministerien sind mit der Umsetzung beauftragt.

Wirtschaftsunternehmen kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: Sie sollen umfangreiche Ausbildungsmöglichkeiten schaffen und insbesondere eine Form der Lehrlingsausbildung einführen, um neue und erfahrene Arbeiter zu schulen. Im Gegenzug erhalten sie Zuschüsse und Steuererleichterungen. Darüber hinaus sollen öffentlich finanzierte Ausbildungsangebote an Berufskollegs und Ausbildungszentren sowie privat finanzierte Trainings gestärkt werden.

iMOVE in China

Gut ausgebildete Fachkräfte sind die Voraussetzung für Fortschritt und Wohlstand – und bei der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften genießt Deutschland weltweit einen hervorragenden Ruf. Daher hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Jahr 2001 die Initiative iMOVE (International Marketing of Vocational Education) ins Leben gerufen, heute ein Arbeitsbereich des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Seither finden auf dem iMOVE-Internetportal deutsche wie internationale Anbieter umfassende Informationen und Services rund um Bildungsexport und "Training – Made in Germany", und das in sechs Sprachen, auch auf Chinesisch.

Seit Juli 2017 ist iMOVE auch ganz real in China vertreten, mit dem iMOVE-Büro China, das bei der "German Industry and Commerce Shanghai" (AHK Shanghai) angesiedelt ist. Ziel der beiden gut vernetzten Partner ist, neue Ausbildungswege voranzubringen und die Anbahnung von Geschäftsbeziehungen zwischen deutschen Anbietern beruflicher Bildung und Auftraggebern aus China zu erleichtern.

Seither werden Anfragen zur Zusammenarbeit mit deutschen Partnern an iMOVE weitergeleitet und auf der Kooperationsbörse von iMOVE online veröffentlicht. Im April suchte zum Beispiel ein in Peking ansässiger Bildungsanbieter Partner zum Aufbau von beruflichen Bildungszentren im Hinblick auf "Made in China 2025".

Smart Learning: DRAGON-Training

Doch wie sieht Weiterbildung für die Produktion der Zukunft in der Praxis aus? Im Rahmen eines BMBF-Projektes ist DRAGON-Training entstanden, der Prototyp eines smarten Weiterbildungssystems für arbeitsplatznahes, modulares Lernen. Projektpartner waren das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO), das wbk Institut für Produktionstechnik des Karlsruher Instituts für Technologie, das Competence Center Automation Düsseldorf, das Winkler Bildungszentrum und die vitero GmbH. Vier Jahre lang haben die Partner ein dreisprachiges Lern-Management-System (Englisch, Deutsch, Chinesisch) entwickelt. DRAGON führt Elemente neuer Lern- und Weiterbildungsformen auf einer Plattform zusammen: von QR-Codes und 'Learning Nuggets', über virtuelle Klassenzimmer und Fernsteuerung von Industrierobotern bis hin zu Online-Prüfungen und virtuellen Alumni-Gruppen. All das ist mittlerweile machbar.

Heute dient das Portal DRAGON-Training als Dachmarke und virtueller Raum für Bildungsdienstleistungen des chinesischen Projektpartners KIT/wbk sowie ähnlich ausgerichtete Anbieter. "DRAGON dient uns als wichtige Weiterbildungs-Plattform, wenn wir Unternehmen in der Region Suzhou beraten. Sehr positives Feedback gab es vor allem für die interaktive Gestaltung von Trainings. Wir kombinieren in China vertraute Kommunikationstools wie WeChat mit neuen in China bislang wenig genutzten Kommunikationsmöglichkeiten und setzen sie zum Beispiel in einem virtuellen Klassenzimmer ein", erklärt Shun Yang, Senior Project Engineer am Global Advanced Manufacturing Institute in Suzhou, das seit 2014 als Inkubator und zentrale Kontaktstelle des KIT für Industrie und Wissenschaft in China fungiert.

"Durch Industrie 4.0 verändern sich die beruflichen Anforderungen rasant. Damit wächst der Bedarf an passgenauer, modularer und praxisnaher Vermittlung von Kompetenzen", betont Karin Hamann, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team Competence Management am Fraunhofer-IAO in Stuttgart. "Die Erfahrungen aus unserem Netzwerk haben gezeigt, dass sich durch den Mangel an qualifiziertem Personal Prozesse in Unternehmen verzögern. Das geht sogar so weit, dass vorhandene, neu gekaufte Maschinen nicht in Betrieb genommen werden können und in Fabrikhallen brachliegen", so Hamann weiter. Als Ursache sieht sie zum einen fehlende Angebote zur hochwertigen Qualifizierung zum Umgang mit neuen Maschinen 'aus erster Hand' über Produktschulungen der Hersteller, zum anderen erschwere es der nach wie vor vorhandene Mangel an Facharbeitern in China, entsprechende Kompetenzen in den Unternehmen systematisch zu entwickeln und zu implementieren.

Und hier kommt nun wieder DRAGON ins Spiel. Im Rahmen des Projektes wurden Zertifikate für Einzelkurse erstellt, ein Konzept für die 'offizielle' Zertifizierung vorbereitet und mit der AHK Shanghai abgestimmt. Erstrebenswert sei nun, so Hamann, die Weiterentwicklung eines standardisierten Weiterbildungsangebotes zu aktuellen Qualifizierungsanforderungen im Bereich Produktionsmanagement, das im regelmäßigen breiten Einsatz getestet, evaluiert und zertifiziert werden kann. EEine wesentliche Aufgabe für die Zukunft ist die Gestaltung von Weiterbildungskonzepten, bei denen Deutschland und China voneinander lernen: Deutschland als Vermittler von didaktisch-methodischem Know-how und Applikationskompetenz, China als Vorreiter insbesondere in der Nutzung von mobilen Endgeräten."

ChinaContact

Dieser Beitrag ist in ChinaContact 5-6/2018 erschienen.


Quelle: OWC-Verlag für Außenwirtschaft, owc.de, 04.06.2018