Bildungsmarkt USA: Wohin mit der Messlatte?

Der Abbau bürokratischer Hürden soll den Aufbau nachhaltiger Ausbildungsstrukturen für mehr junge Menschen fördern. Gleichzeitig betont Trump seine Wertschätzung für deutsche Ausbildungsinitiativen in den USA.

Zentrale Wahlversprechen von United States (US)-Präsident Donald Trump sind die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Stärkung der heimischen Industrie, vor allem der über viele Jahre vernachlässigten Fertigungsbranche, dem "Manufacturing Sector". Besonders in zahlreichen technischen Berufen mangelt es allerdings an gut ausgebildeten Fachkräften.

Nach Auswertungen von The Manufacturing Institute und der Beratungsgesellschaft Deloitte braucht das verarbeitende Gewerbe zwischen 2015 und 2025 rund 3,5 Millionen neue Fachkräfte. Davon werden voraussichtlich zwei Millionen Stellen nicht besetzt werden können. Um Abhilfe zu schaffen, hat der Präsident am 15. Juni eine Executive Order unterzeichnet. Sie soll dazu beitragen, dass mehr als die bislang rund eine halbe Million junger Menschen (das entspricht 0,3 Prozent aller Beschäftigten) eine geregelte Ausbildung ("Apprenticeship") absolvieren.

Schon Trumps Amtsvorgänger Barack Obama hatte den Wert eines Ausbildungswesens erkannt, das sich am deutschen dualen System orientiert, und ein Förderprogramm lanciert. Von 2014 bis 2016 stieg die Zahl national registrierter Auszubildender um etwa 100.000. Aber nur etwa die Hälfte der Auszubildenden beenden ihre mehrjährigen Programme: Laut US-Arbeitsministerium haben 2016 weniger als 50.000 (inklusive 11.104 beim Militär) ihre Apprenticeship erfolgreich abgeschlossen.

Privatwirtschaft bei Strategieentwicklung gefragt

Trump setzt mit seinem Vorstoß auf den Abbau von Regulierungen auf Bundesebene. Er hofft, dass eine Flexibilisierung bei Design und Anerkennung von Lehrgängen die Unternehmen, Branchenverbände und Gewerkschaften mobilisieren wird, eigene Programme aufzulegen und durchzuführen. Besonders erwünscht ist dabei die Beteiligung von Wachstumsbranchen wie dem Gesundheitswesen und dem IT-Sektor, die bislang so gut wie gar nicht im Zusammenhang mit Apprenticeships in Erscheinung getreten sind.

Diese Stärkung des privatwirtschaftlichen Engagements entspricht Trumps Linie und erfolgt in Abgrenzung zu Obamas Initiativen. Die Ausweitung der Ausbildungsprogramme ist auch als Baustein zur Schaffung neuer Arbeitsplätze zu verstehen.

Auf Anordnung des Präsidenten soll eine Task Force gebildet werden, die Strategien und Vorschläge zur Förderung der beruflichen Ausbildung erarbeiten soll.

Der Arbeitsminister soll gemeinsam mit seinen Kollegen aus Wirtschaft und Bildung der Task Force vorsitzen, die sich aus maximal 20 Vertretern von Firmen, Industriegruppen, Ausbildungsträgern und Gewerkschaften zusammensetzt. Sie soll für den Präsidenten einen Bericht erarbeiten, der neben Vorschlägen für Bundesinitiativen und Verwaltungs- sowie Gesetzesreformen Strategien entwickelt, die einerseits dazu beitragen sollen, von der Industrie anerkannte Ausbildungsprogramme auszubauen, und andererseits das privatwirtschaftliche Engagement zu stärken. Nach Vorlage des Berichts löst sich die Task Force wieder auf.

Deutsche Berufsausbildung mit Vorbildcharakter

Im Rahmen des diesjährigen SelectUSA-Investitionsgipfels Mitte Juni hatte Arbeitsminister Alexander Acosta zum Roundtable-Gespräch über berufliche Ausbildung eingeladen, um die großen Firmen in die Reformen der Administration einzubinden.

Zentrale Themen waren die Sicherstellung bedarfsgerechter beruflicher Ausbildung bei sich schnell entwickelnden digitalen Technologien und die Stärkung der Rolle der Schulen bei der Förderung der Berufsausbildung. Deutsche Unternehmen wie Siemens, BMW und Bosch spielten während des Gesprächs durch ihre Erfahrung in Deutschland eine prominente Rolle.

Die Ausbildungskompetenz der deutschen Industrieunternehmen und ihre Zusammenarbeit vor Ort mit den (Community) Colleges, aber auch in Konsortien unter Beteiligung von US-Unternehmen, genießt einen ausgezeichneten Ruf. Besonders bei Ausbildungen zum Mechatroniker ist eine deutsche Beteiligung stark gefragt.

Die Einbindung deutscher Firmen unterstreicht den Vorbildcharakter, den Deutschland in der Berufsausbildung für die USA hat. Das belegt auch die feierliche Unterzeichnung eines Vertrags über die Entwicklung neuer Ausbildungsprogramme zwischen Lufthansa Technik und der Universität Puerto Rico, die im Juni im Arbeitsministerium erfolgte. Außerdem hatte Mitte Mai eine Delegation um Acosta die Zentrale und das Werk der BMW Group am Standort München besucht, nachdem sich Ivanka Trump Ende April gemeinsam mit Bundesbildungsministerin Johanna Wanka die Technikakademie von Siemens in Berlin hatte zeigen lassen.

"You don’t want a fly-by-night training program"

Trumps Executive Order ist geleitet von der Einschätzung, dass das System der beim Arbeitsministerium eingetragenen Apprenticeships zu bürokratisch ist, um eine ausreichend große Anzahl von Arbeitgebern zu veranlassen, entsprechende Programme anzubieten.

Im Kern zielt sie darauf, dass Unternehmen und Wirtschaftsverbände die Entwicklung von Standards und Unterrichtsinhalten selbst in die Hand nehmen sollen. Mehrfach wird betont, dass die Firmen "im Fahrersitz" sein sollen, während Regierung und Arbeitsministerium eine begleitende und unterstützende Rolle durch Akkreditierung und Zertifizierung einnehmen.

Kritikerinnen und Kritiker der Verfügung des Präsidenten befürchten, dass gerade dies zu einer weiteren Verwässerung der bereits heute kaum vorhandenen Qualitätsstandards führen wird.

Diese Standards sollen eigentlich die Qualität der Ausbildung sicherstellen und die Auszubildenden schützen. Sie regeln beispielsweise die Vergütung und die Mindestdauer von Lerneinheiten im Betrieb und an anderen Ausbildungsstätten. Die vergleichsweise wenigen bestehenden Ausbildungen in den USA waren bislang vor allem im Baugewerbe erfolgreich, nicht zuletzt wegen ihrer ausgeprägten Regulierung durch die Gewerkschaften.

Auch die deutschen Erfahrungen zeigen, dass einheitliche Standards in der Berufsbildung wesentlich für ihren Erfolg sind.

Trumps Kritiker merken an, dass das jetzt vereinbarte Vorgehen möglicherweise kurzfristig 2ein paar Löcher stopfen", aber nicht die tiefsitzenden Ausbildungsprobleme in den USA lösen kann und sie vielleicht langfristig sogar vergrößert.

Zahlreiche Expertinnen und Experten sehen Probleme, wenn Bundesstandards geschwächt oder die Kontrollen ausgelagert werden. Aus ihrer Sicht droht die Ausweitung unregistrierter Apprenticeships, die sich keinerlei Regeln unterwerfen müssen. Statt sich stärker darauf zu konzentrieren, ein gemeinsames Verständnis dafür zu entwickeln, was wie gelehrt werden sollte, könnte ein verwirrender Flickenteppich weitgehend anspruchsloser Maßnahmen das zentrale Problem nur unzureichend überdecken.

Die demokratische Senatorin Maria Cantwell fasste es mit den Worten zusammen: "You don't want a fly-by-night training program". Dabei steht "fly-by-night" für einen Dreiklang aus kurzlebig, unzuverlässig und unverantwortlich.

Bei der Executive Order kommt hinzu, dass bislang völlig unklar ist, welche "Köder" für ein vermehrtes Engagement der Unternehmen ausgeworfen werden sollen. Dies gilt besonders für die vielen Dienstleistungs- und Technologiebereiche der sogenannten White-Collar-Beschäftigung, die keine traditionellen Ausbildungsfelder darstellen. Mit finanziellen Anreizen ist eher nicht zu rechnen.

Die Rückzugswelle unter den großen Unternehmenschefs aus Trumps Industrierat ("Manufacturing Council") und die folgende komplette Auflösung dieses Beratergremiums durch Trump stimmen ebenfalls nicht optimistisch. Aber nur ein deutlicher Aufwuchs der beteiligten Privatwirtschaft könnte einen echten Durchbruch schaffen und der Initiative zum Erfolg verhelfen.

Fachartikel Bildungsmarkt USA

Dieser Fachartikel ist dem aktuellen iMOVE-Exportmagazin xPORT (Ausgabe 2/2017) entnommen, das im November erschienen ist.

  • Autorin: Silvia Niediek

xPORT-Magazin 2/2017

Titel des Exportmagazins, grafische Darstellung Roboterkopf
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Quelle: iMOVE, Artikel aus xPORT - Das iMOVE-Exportmagazin, Ausgabe 2/2017