Bildungsmarkt Afrika: Gemeinsame Wertschöpfung

Portrait eines Afrikaners mit Schutzhelm
© kali9/iStockphoto.com
Afrika und besonders die wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents stehen 2017 im Fokus deutscher und internationaler politischer Anstrengungen. Das Beispiel einer Berufsbildungsinitiative des VDMA zeigt, wie sich die deutsche Industrie bereits seit Längerem in Afrika engagiert und dabei auch mit der deutschen Bildungsexportbranche kooperiert.
"Eine vernetzte Welt gestalten" – unter diesem Motto steht die deutsche G20-Präsidentschaft [G20: Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer] vom 1. Dezember 2016 bis 30. November 2017. Sie will in diesem Jahr vor allem der Partnerschaft zwischen Europa und Afrika neue Impulse verleihen – weg vom alten Geber-Nehmer-Denken, hin zu Entwicklungen "gemeinsam mit" Afrika.

Die Länder Afrikas sollen Anreize für selbstständige Reformen erhalten, die wiederum die Lebensbedingungen der Menschen dauerhaft verbessern und stabile Rahmenbedingungen für Investitionen schaffen sollen – mit Unterstützung der Industrienationen. Dazu zählen besonders der Ausbau des Finanzsektors und der baulichen Infrastruktur auf dem afrikanischen Kontinent. Neben der Mobilisierung einheimischer Finanzen in den betroffenen Ländern ist es von zentraler Bedeutung, private Kapitalflüsse auch von auswärts in die Region zu lenken. Die deutsche Bundesregierung baut ihre Unterstützung in verschiedenen Bereichen aus und will so dazu beitragen, den hohen Migrationsdruck zu mildern und die Stabilität vor Ort zu festigen.

Im Juni fand in Berlin eine G20-Konferenz zum Thema "Partnerschaft mit Afrika" statt. Afrika war auch auf dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs am 7. und 8. Juli in Hamburg ein wichtiges Thema. Zur Unterstützung der afrikanischen Länder wurde ein Eckpunktepapier der Bundesregierung mit 16 Maßnahmen verabschiedet, die die Finanzstrukturen verbessern, die Außenwirtschaft fördern und die Instrumente zur Entwicklungszusammenarbeit stärken sollen. Der nächste EU-Afrika-Gipfel schließlich wird Ende November in Abidjan, dem wirtschaftlichen Zentrum der Elfenbeinküste, stattfinden.

Chancenkontinent Afrika

Das Handelsvolumen Afrikas mit den übrigen Erdteilen hat sich seit dem Jahr 2000 verdreifacht. Afrika gilt heute als Wachstumskontinent mit hohem wirtschaftlichen Potenzial, wobei sich die Länder und Regionen in ihrer Entwicklung stark unterscheiden. Besonders einzelne Wachstumsregionen in Ost- und Westafrika sowie im südlichen Afrika gelten bereits als "Lions on the move" mit einem Wirtschaftswachstum von über fünf Prozent in den vergangenen fünf Jahren.

Großer infrastruktureller Nachholbedarf, eine wachsende Mittelschicht und zunehmender Energiehunger prägen die wirtschaftlichen Entwicklungschancen. Expertinnen und Experten sehen vor allem in den Bereichen Agrarwirtschaft und Nahrungsmittelverarbeitung, Energieversorgung, Transportinfrastruktur und Logistik, Rohstoffe und Bergbau sowie Wasserwirtschaft gute Geschäftsmöglichkeiten zwischen den afrikanischen Ländern und ihren internationalen Partnern.

Bis 2050 wird sich die afrikanische Bevölkerung mit aktuell über 1,1 Milliarden Menschen voraussichtlich verdoppeln und dann 20 Prozent der Weltbevölkerung umfassen. Laut Weltbank sind heute rund 60 Prozent der Menschen in Afrika jünger als 25 Jahre.

"Das Potenzial des Kontinents Afrika kann nur realisiert werden, wenn es gelingt, Afrikas demografische Dividende auszuschöpfen und für auskömmliche Arbeitsplätze zu sorgen", betont Peter Pfaffe, VET [vocational education and training] Export Advisor Africa bei iMOVE. "Hierzulande zeichnet sich ein Wandel in der Darstellung und Wahrnehmung Afrikas ab, wenngleich auch langsamer als zum Beispiel in der englisch- oder französischsprachigen Welt. Oft ist die Berichterstattung über Afrika in den Medien polarisiert zwischen Krieg und Hunger einerseits und andererseits einem Naturidyll mit Löwen, Elefanten und Menschen, die in Strohhütten leben. Parallel dazu entwickelt sich jedoch ein neues Bild des Kontinents: Afrika als Chancenkontinent, der zahlreiche Möglichkeiten des Austauschs bietet. Dieses neue Bild Afrikas rückt auch die Potenziale technologischer Entwicklungen wie der Digitalisierung auf dem Kontinent in den Vordergrund."

Mehr deutsches Engagement für Bildung

Das dynamische Bevölkerungswachstum in Afrika ist Chance und Herausforderung zugleich. Daher werden sich alle Maßnahmen letztlich daran messen lassen müssen, welchen Beitrag sie zu Bildung, Ausbildung und Arbeit für die Menschen in Afrika liefern. In ihrem Eckpunktepapier mit dem Titel "Wirtschaftliche Entwicklung Afrikas – Herausforderungen und Optionen" formuliert die Bundesregierung einen Maßnahmenkatalog, in dem Bildung eine zentrale Rolle spielt:

  • Gute Bildungsstrukturen gelten als wichtige Voraussetzungen für Innovation, Beschäftigung, Wirtschaftswachstum und gesellschaftliche Teilhabe. Deshalb unterstützt die Bundesregierung ihre afrikanischen Partnerländer auf diesen Gebieten über die Entwicklungszusammenarbeit bereits seit vielen Jahren. Intensiviert werden soll in Maßnahmen, um Kernelemente der bewährten und international stark nachgefragten dualen Ausbildung zu vermitteln und damit das effektive Zusammenwirken von staatlichen Berufsbildungseinrichtungen und betrieblicher Ausbildung auszubauen. Diese Art von Stärkung nationaler Berufsbildungssysteme soll sich in Zukunft noch mehr über systemberatende Maßnahmen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) vollziehen.
  • Ebenfalls ausgebaut werden soll die langfristige Unterstützung bei der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften vor Ort unter Einbeziehung von Wirtschaftsverbänden sowie lokalen, deutschen und internationalen Unternehmen. Ziel ist die Schaffung neuer Ausbildungskapazitäten.
  • Analog zu einem Fachhochschulprojekt für Ostafrika in Nairobi sollen auch andernorts Lehrkräfte für die Berufsbildung geschult werden. Zusätzlich wird die Vertiefung von Universitätskooperationen geprüft.
  • Mit dem Fokus auf die Beschäftigungsfähigkeit wird das BMBF Vorhaben zur Qualitätsverbesserung der Lehre und praxisnahe Lehr- und Lernansätze fördern. Dies soll dazu beitragen, arbeitsmarktadäquate Studiengänge zu entwickeln und damit die Qualifikation afrikanischer Hochschulabsolventinnen und -absolventen zu verbessern. Daneben sollen Programme die Qualifikation von Hochschullehrerinnen und -lehrern und die Curriculumentwicklung optimieren.
  • In einem Pilotvorhaben wird die Einrichtung von Patenschaften zwischen einzelnen Institutionen auf deutscher und afrikanischer Seite und ein Austausch von Berufsschullehrkräften geprüft.
  • Das Programm "Skills Experts" des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) wird auf ausgewählte Auslandshandelskammern in Afrika ausgedehnt, die bedarfsorientiert deutsche Unternehmen unterstützen und Fachkräfte nach dem Modell der dualen Ausbildung schulen.
  • Das Managerfortbildungsprogramm des BMWi soll auf ausgewählte Länder Afrikas ausgeweitet werden, um afrikanischen Unternehmern fortschrittliche Management- und Kooperationskompetenzen in Deutschland zu vermitteln.
  • Ebenfalls ausgeweitet werden soll das entwicklungspolitische Engagement im Bereich Berufsbildung auf alle afrikanischen Partnerländer des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unter Einbindung afrikanischer Unternehmensverbände und insbesondere Ausbildungsunternehmen. Ziel ist die Mobilisierung von innerbetrieblichen Ausbildungsplätzen auf der Basis wirkungsvoller Anreizsysteme.
  • Zusätzlich ist geplant, die vom BMZ initiierte überregionale Ausbildungsinitiative "Skills Initiative for Africa" mit der Afrikanischen Union fortzuführen, um überregionale Fachkräfte für Unternehmen auszubilden.

Auch die Bedeutung der deutschen Bildungsexportbranche wächst in Afrika stetig. Das Angebot an Bildungsleistungen privatwirtschaftlicher Anbieter aus Deutschland stößt sowohl bei lokalen als auch bei deutschen und internationalen Unternehmen und Verbänden auf große Nachfrage. Die Auftraggeber legen großen Wert auf Flexibilität, ganzheitliche Beratung und Umsetzung sowie die Ausrichtung der Maßnahmen an den Industrie- und Kundenbedarfen.

Absatzmarkt und Investitionsstandort

Ein erfolgreiches Beispiel für eine solche Zusammenarbeit ist die Initiative des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), die mit Unterstützung der Professional Training Solutions GmbH (PTS), einem privaten Bildungsanbieter aus Deutschland, umgesetzt wird.

Der VDMA, mit über 3.200 Unternehmen der Investitionsgüterindustrie größter Industrieverband in Europa, unterstützt die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas bereits seit 2014 mit seinem Ausbildungsprojekt in den Ländern Botswana, Kenia und Nigeria. Diese VDMA-Initiative mit dem Titel "Fachkräfte für Afrika" soll jungen Afrikanerinnen und Afrikanern in ihren Heimatländern ermöglichen, nach dem Vorbild des deutschen dualen Systems einen technischen Beruf zu erlernen, vor allem in den Bereichen Mechatronik und Industriemechanik.

Auf der Grundlage des gemeinsamen Ziels, die wirtschaftlichen Abläufe zu optimieren und damit erfolgreicher zu gestalten, unterstützt der VDMA mit der Initiative die Interessen der afrikanischen Länder und ihrer Unternehmen, die ihre eigene Produktion und Wertschöpfung ausbauen wollen. Die afrikanischen Firmen streben nach wirtschaftlichen Produktionsmethoden und nach der eigenen Vermarktung ihrer Produkte, bei deren Fertigung sie gern auf deutsche Technologien zurückgreifen. Die Initiative des VDMA erhöht nicht nur die Qualität der Fachkräfteausbildung, sondern auch die Möglichkeiten der Kontaktanbahnung zwischen afrikanischen und deutschen Unternehmen.

Mit einem Exportanteil von über 75 Prozent sind die Maschinenbauer, die sich in Deutschland überdurchschnittlich stark an der beruflichen Ausbildung beteiligen, auf qualifiziertes Personal in ihren Exportmärkten angewiesen, um vor Ort eine lange Lebensdauer und hohe Produktivität ihrer Erzeugnisse sicherzustellen. Laut Dr. Norbert Völker, VDMA-Experte für Bildungspolitik und Projektleiter Fachkräfteentwicklung in Afrika, ist der afrikanische Kontinent allerdings nicht nur ein interessanter Absatzmarkt, sondern mittelfristig auch ein wichtiger Investitionsstandort für die deutschen Mitgliedsunternehmen: "Durch unsere Initiative werden heute Grundlagen für eine bessere Fachkräftestruktur vor Ort und damit auch bessere Investitionsperspektiven für die Unternehmen geschaffen. Wir müssen mittel- und langfristig denken, nur dann können sich Strukturen etablieren und Erfolge realisieren."

In einem ersten Schritt machte Völker lokale Ausbildungsinstitutionen als potenzielle Kooperationspartner ausfindig. "Dieser Auswahlprozess wurde von einer Analyse des Bedarfs unserer Mitgliedsunternehmen und der lokalen Unternehmen begleitet", so der Afrika-Experte. "Auf dieser Grundlage wurden in drei Märkten Kooperationspartner identifiziert. Mit ihrem Engagement unterstützen sie unser gemeinsames Ziel, eine praxisnahe Fachkräfteentwicklung in den Kontext des jeweiligen Landes einzubetten, die den Ansprüchen aller Stakeholder gerecht wird."

Deutscher Durchführungspartner

Zur Unterstützung bei den konzeptionellen Überlegungen sowie der Vorbereitung und operativen Umsetzung der Initiative hat der VDMA Expertinnen und Experten für Aus- und Weiterbildung in Afrika "mit ins Boot geholt".

Zur Auswahl des Durchführungspartners für seine Bildungsinitiative in Afrika hat der VDMA einen Konzeptwettbewerb durchgeführt und sich daraufhin für den Anbieter PTS GmbH aus dem iMOVE-Netzwerk entschieden. PTS bietet Aus- und Weiterbildungslösungen für Unternehmen und Verbände im Ausland an und wurde als Spin-off des Unternehmens ITS - International Training & Support gegründet, um stärker auf den spezifischen Bedarf dieser Kundengruppe eingehen zu können. Laut Völker wurde PTS "aufgrund der Projekterfahrungen vor allem in den Ländern Nigeria und Botswana, der Unternehmensexpertise für die ganzheitliche Umsetzung von Aus- und Weiterbildungsprojekten, des interdisziplinären Teams sowie des im Wettbewerb vorgeschlagenen Projektvorgehens ausgewählt".

Als Systemanbieter unterstützt PTS seine Kunden von der Konzeptphase über die Bau- und Einrichtungsberatung für Schulen sowie die Qualifikation lokaler Ausbilderinnen und Ausbilder bis zur Inbetriebnahme und Übergabe eines Programms an lokale Kräfte. Die Services sind modular aufgebaut und können gemäß den Wünschen und Bedarfen der Kundschaft zusammengesetzt und modifiziert werden.

Zu den Dienstleistungen zählen die Analyse der Trainingsbedarfe, Konzepterarbeitung, Erstellung von kundenspezifischen Syllabi und Curricula für die Ausbildung mit speziellen Manuals für Ausbilder und Auszubildende. Darüber hinaus bietet PTS Unterstützung bei Identifikation, Einkauf und Installation des Trainingsmaterials, pädagogische und fachliche Ausbildung des lokalen Ausbildungspersonals (Train-the-Trainer) sowie den Betrieb einer Trainingseinrichtung, bis das System einen "eingeschwungenen Zustand" erreicht hat und die nachhaltige Übergabe an den Kunden gewährleistet ist. Dieser ganzheitliche Ansatz aus einer Hand ermöglicht einen hohen Qualitätsstandard der Aus- und Weiterbildung und fußt auf jahrzehntelanger Erfahrung mit Bildungsprojekten in Afrika.

PTS-Gründerin und Geschäftsführerin Annette Bauer ist selbst in Nigeria aufgewachsen und tritt mit ihrer beruflichen Tätigkeit in die Fußstapfen ihres Vaters. Sie freut sich, dass ihr Unternehmen den VDMA mit seiner Paketlösung überzeugen konnte: "Es ist schön zu sehen, dass das Potenzial Afrikas mehr und mehr auch von der deutschen Wirtschaft erkannt wird. Deshalb unterstützen wir den VDMA gern bei der Qualifizierung afrikanischer Fachkräfte in allen Planungs- und Umsetzungsschritten. Die konkrete Umsetzung soll noch in diesem Jahr beginnen."

Fachartikel Bildungsmarkt Afrika

Dieser Fachartikel ist dem aktuellen iMOVE-Exportmagazin xPORT (Ausgabe 2/2017) entnommen, das im November erschienen ist.

  • Autorin: Silvia Niediek

xPORT-Magazin 2/2017

Titel des Exportmagazins, grafische Darstellung Roboterkopf
Bestellen Sie die gedruckte Ausgabe 2/2017 des iMOVE-Exportmagazins xPORT per E-Mail.

PTS

Die Professional Training Solutions GmbH (PTS) ist Mitglied in der iMOVE-Anbieter-Datenbank.


Quelle: iMOVE, Artikel aus xPORT - Das iMOVE-Exportmagazin, Ausgabe 2/2017