Bildung 4.0 - Behutsam und mit Augenmaß

Voraussetzungen für gelungene Digitalisierungsstrategien im Bildungsbereich sind die sensible Integration neuer Lernformate in bestehende Konzepte und die Akzeptanz durch die Lernenden.

junger Mann arbeitet in einem Werkraum mit einer VR-Brille
fotografixx/iStockphoto.com

Martin Fielko und Ursula Plötz

Digitale Lernformate sind in der internationalen Bildungsarbeit nicht mehr wegzudenken. Auch für unser Unternehmen, das Collective Leadership Institut (CLI), ergeben sich dadurch klare Vorteile. Vor allem gelingt es uns, Distanzen besser zu überbrücken: Keine oder weniger Reisen, die sonst für unsere internationalen Trainings nötig sind, bedeuten eine erhebliche Zeitersparnis und verringern den CO2-Ausstoß. Darüber hinaus kann schwer erreichbaren Zielgruppen, wie zum Beispiel in Nigeria oder Afghanistan, ein Zugang zu unseren Bildungsangeboten ermöglicht werden. Entsprechend gehören Angebote wie Webinare, Online-Peer-Coaching oder frei verfügbare Inhalte auf Lernplattformen bereits zu unserem Standardrepertoire.

Die Hürden

Warum stellen wir dann nicht komplett auf digitale Bildungsangebote um? Zum einen gibt es technische Hürden: Beispielsweise sind bei synchronen Tools, bei denen die gleichzeitige Online-Präsenz aller Kursteilnehmenden entscheidend ist, ein stabiler Internetzugang und ausreichend Bandbreite oft ein Problem. Auch unterschiedliche Zeitzonen und Verzögerungszeiten durch große Entfernungen können das Trainingserlebnis beeinträchtigen. Außerdem bedürfen digitale Lernangebote neben der inhaltlichen immer auch der technischen Vorbereitung. In manchen Fällen kann es da einfacher sein, auf die Arbeit mit Flipchart und Marker zurückzugreifen.

Noch schwerwiegender ist allerdings die mangelnde Akzeptanz digitaler Lernangebote, wenn sie mit höheren Kosten für die Teilnehmenden verbunden sind: Außerhalb geförderter Maßnahmen ist auf dem freien Bildungsmarkt kaum jemand bereit, nennenswerte Summen für digitale Fortbildungen auszugeben. Dort werden überwiegend kostenlose oder sehr niedrigpreisige und damit kleinteilige Bildungsangebote erwartet, die für unseren Ansatz weniger geeignet sind.

… und wie wir sie überwinden …

Daher sieht unsere Digitalisierungsstrategie eine behutsame Umsetzung und die Integration digitaler Lernformate in bestehende Konzepte vor: Wir setzen auch in Zukunft darauf, unsere Trainingsangebote gemeinsam mit den Partnerorganisationen auf den jeweiligen Länderkontext zuzuschneiden. Daher werden wir auch weiterhin Präsenztrainings vor Ort anbieten. Darüber hinaus wird es weiter offene Kurse an unseren Standorten in Deutschland und Südafrika geben, bei denen unsere Methoden und Ansätze zur Verbesserung von Dialogfähigkeit und gemeinschaftlicher Führung auch physisch erfahrbar bleiben.

Diese Präsenzformate werden allerdings sukzessive durch Blended-Learning-Elemente ergänzt und Teile des Trainingskonzepts werden in digitaler Form angeboten, so dass die Präsenzzeit verringert werden kann. Andere Kursinhalte, die schwieriger digital umzusetzen sind, bleiben bewusst "im analogen Bereich", beispielsweise Teambuildingprozesse und Krisenmanagement. Besonders bei Kursprogrammen, die aus mehreren Modulen bestehen, sparen wir durch die Onlinebegleitung (Reise-)Zeit und Kosten.

Ebenso zentral für die Umsetzung unserer Digitalisierungsstrategie ist die Einbeziehung unserer Alumni. Wer bereits eine Trainingserfahrung mit uns gemacht hat, ist aufgeschlossener dafür, das Lernen auch in digitalen Umgebungen auszuprobieren. Außerdem bieten digitale Tools niedrigschwellige Möglichkeiten zur Vernetzung der Alumni untereinander. In einem nächsten Schritt geht es uns aktuell darum, synchrone Tools stärker für unsere Bildungsarbeit zu erschließen, da die Gleichzeitigkeit des Austausches und das gemeinsame Lernen sehr gut zu unserer Methodik passt. Konkret umgesetzt wird das mit Services für Remote-Conference und Virtuelle Lernräume.

… mit digitalen Tools

Remote-Conference-Services (wir nutzen dafür aktuell "Zoom", aber es gibt viele weitere Anbieter) funktionieren ähnlich wie analoge Konferenzen oder Workshops, nur dass sich die Teilnehmenden per Laptop mit Kamera dazuschalten. Dabei achten wir besonders auf Interaktivität und einen qualitativ hochwertigen Dialog. Virtuelle Lernräume ermöglichen einen Transfer unserer in analogen Räumen langjährig erprobten Methoden in eine Lernumgebung, die zum Teil die gleichen und zusätzliche methodische Möglichkeiten anbietet.

Aktuell arbeiten wir zu diesem Zweck mit dem Unternehmen WBS zusammen, ebenfalls Anbieter im iMOVE-Netzwerk, um deren 3D-Learnspace im internationalen Kontext zu nutzen. Das Thema Digitalisierung bietet für uns insofern auch wichtige Anknüpfungspunkte für Kooperationen, als wir selbst zum Beispiel keine Kompetenz in der Erzeugung neuer Technologien haben, aber dafür in der Erstellung und Übersetzung unserer Inhalte.

In unserem aktuellen Projekt DIGIPEER kommen viele der oben genannten Strategieansätze erfolgreich zum Tragen. Wir arbeiten mit einer uns gut bekannten Zielgruppe zusammen: deutsche Nichtregierungsorganisationen (NROs) und ihre internationalen Implementierungspartnerschaften. Diese können ihre realen Fälle als virtuell zusammengeführtes Team in unsere Online-Trainings einbringen. Das können zum Beispiel die Verbesserung der Ausbildungssituation im Gesundheitssektor in Kenia oder der Aufbau von Strukturen der organischen Landwirtschaft in der Mongolei sein.

Den Teilnehmenden vermitteln wir dabei über die oben genannte Remote-Conference Services und die Virtuellen Lernräume unser fundiertes und maßgeschneidertes Wissen und die Kompetenzen zu ergebnisorientierter und wirkungsvollerer Zusammenarbeit. Als Nebeneffekt können die Teilnehmenden des Projekts danach nicht nur unsere Methodik anwenden, sondern gleichzeitig die virtuellen Dialogplattformen bei Bedarf auch selbst gezielt nutzen, um Reisen in die Zielländer zu verringern und sich stärker mit ihren lokalen Partnerorganisationen und anderen NROs zu vernetzen.

Digitale Lernformate können somit maßgeblich zur schnelleren Verbreitung von Wissen und stärkeren Vernetzung der Bildungsakteure beitragen, wenn sie auf die entsprechende Akzeptanz der Nutzer stoßen.


Fachartikel "Bildung 4.0 - Behutsam und mit Augenmaß?"

Dieser Fachartikel ist dem aktuellen iMOVE-Magazin xPORT, Ausgabe 1/2020, entnommen.

  • Autor Martin Fielko: Head of Educational Programmes and Marketing, Collective Leadership Institute (CLI)
  • Autorin Ursula Plötz; Digital Strategy Project Manager, CLI

xPORT 1/2020

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Titelbaltt des iMOVE-Magazins


Quelle: iMOVE, Artikel aus xPORT-Magazin 01/2020