Berufsschullehrer aus Vietnam lernen in Cottbus

28 Berufsschullehrer aus Vietnam werden in den kommenden fünf Monaten im Berufsbildungs- und Technologiezentrum (BTZ) der Handwerkskammer (HWK) Cottbus in Gallinchen sowie in Ausbildungsstätten des Energiekonzerns LEAG und der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg weitergebildet.

Sie durchlaufen Teile eines Meisterkurses im Beruf Elektroniker mit der Fachrichtung Automatisierungstechnik. Ziel ist es, das Wissen über den Beruf und die Vorteile der dualen, betrieblichen Ausbildung in Deutschland mit in ihr Heimatland zu nehmen.

Die vietnamesische Wirtschaft ist auf Wachstumskurs und profitiert seit Jahren von einem Aufschwung. Eine große Herausforderung ist jedoch die zu geringe Produktivität, bedingt durch eine unzureichende Berufsausbildung. Um dem entgegenzuwirken, hat die Regierung von Vietnam beschlossen, das deutsche duale Ausbildungssystem einzuführen, um Fachkräfte für das eigene Land besser zu qualifizieren. Dazu werden Berufsschullehrer in die entsprechenden Partnerländer geschickt, um sich weiterbilden zu lassen.

"Die duale Ausbildung, die wir hier in unserer Bildungsstätte des Handwerks anbieten, hat auch Interesse in Asien gefunden. Die Berufsschullehrer, die wir hier bei uns schulen, sollen mit dem Erfolgsmodell duale Ausbildung in ihrem Land eine neue Generation von Nachwuchskräften ausbilden", erläutert Knut Deutscher, Hauptgeschäftsführer der HWK Cottbus.

Bis Oktober erlangen die Vietnamesen methodisch-didaktisches Fachwissen, werden in der Fachtheorie geschult und verfeinern in praktischen Lehrgängen ihr handwerkliches Rüstzeug. Durch den Einsatz in den LEAG-Ausbildungsstätten in Jänschwalde, Boxberg und in Laboren der BTU Cottbus-Senftenberg werden die Übungseinheiten wesentlich vertieft.

In Vietnam findet die Ausbildung zum Elektroniker nur in Berufsschulen statt und dauert zwei Jahre. Angeschlossen ist ein Praktikum in einem Betrieb. Ein Wechsel zwischen Theorie und Praxis wird bisher nicht genutzt. In Deutschland dauert die Ausbildung dreieinhalb Jahre und die Jugendlichen profitieren dabei von der engen Verzahnung mit der Praxis. Sie werden in einem Handwerksbetrieb ausgebildet, erhalten Theorie in den Berufsschulen und zusätzlich überbetriebliche Lehrgänge, um alle praktischen Tätigkeiten zu erlernen, die vielleicht im Betrieb bisher nicht angewendet, aber für das Berufsprofil notwendig sind.

Hintergrund

Insgesamt 20 Wochen sind die 28 vietnamesischen Berufsschullehrer mit zwei Dolmetschern und einer Betreuerin in Südbrandenburg. Sie sind auf zwei Gruppen aufgeteilt (12 und 16 Teilnehmer), um eine möglichst hohe individuelle Betreuung zu sichern.

Folgende Stationen werden durchlaufen:

  • 12 Wochen im Berufsbildungs- und Technologiezentrum BTZ in Cottbus-Gallinchen
  • 3 Wochen LEAG-Ausbildungsstätte in Boxberg
  • 2 Wochen LEAG-Ausbildungsstätte in Jänschwalde
  • 3 Wochen BTU Cottbus-Senftenberg

Internationale Berufsbildung: Cottbuser Methoden für Vietnam

Berufsschullehrer aus Vietnam qualifizieren sich in Cottbus für das duale Lehrsystem.

"So wie wir in Cottbus die Ausbildung für Elektroniker mit der Fachrichtung Automatisierungstechnik gestalten, wird es künftig in ganz Vietnam stattfinden", erklärt Thomas Fron stolz. Er ist Ausbilder der Handwerkskammer (HWK) Cottbus und hat ein ganz besonderes Projekt mit vorbereitet, für das er selbst schon mehrmals nach Vietnam gereist ist.

"Vietnam will das duale Berufsbildungssystem einführen und dabei an allen Berufsschulen das gleiche Niveau garantieren", erklärt Tu Viet Ba per Dolmetscher.

Der Berufsschullehrer aus Hanoi ist zusammen mit 27 weiteren Berufsschullehrern von insgesamt sieben Berufsschulen aus ganz Vietnam für fünf Monate in Cottbus. Sie bilden sich im Berufsbildungs- und Technologiezentrum der HWK in Gallinchen in der Fachrichtung Automatisierungstechnik weiter.

Vietnam dreht ein ganz großes Rad

Wobei Vietnam ein viel größeres Rad dreht. Das asiatische Land will seine gesamte Berufsausbildung modernisieren und hat sich entschieden, das bewährte deutsche Modell der dualen Berufsausbildung mit seiner engen Verzahnung von Theorie und Praxis als Muster zu nehmen. In über zwanzig Berufsbildern haben sich die Vietnamesen nun Partner gesucht, die ihren Berufsschullehrern das dafür nötige Know-how übermitteln. In Leipzig werden zum Beispiel die Hotelfachkräfte geschult – und in Cottbus die Automatisierungstechniker. Hervorzuheben ist, dass das ganze Projekt vom Vietnam selbst bezahlt wird.

"Das Projekt läuft seit 2016. Der erste Schritt war, nachdem wir angefragt wurden, zu prüfen, ob wir uns das überhaupt vorstellen konnten", erinnert sich Thomas Fron. Er selbst flog daraufhin nach Vietnam, schaute nach den Voraussetzungen, schätzte den Stand der dortigen Berufsschulen ein und führte Gespräche mit jenen Lehrern, die nach Cottbus kommen sollten.

Gutes Niveau der Berufsschulen

Wie Thomas Fron feststellte, ist das Niveau zwischen den Berufsschulen in Vietnam zwar durchaus unterschiedlich: "Aber sie sind völlig normal ausgestattet. Der Unterschied zu unseren Schulen ist da gar nicht so groß."

Er habe eine Berufsschule in Ho-Chi-Minh-Stadt besucht – mit 10.000 Schülern, davon allein 3.000 Automatisierungstechnikern. Zum Vergleich: In Südbrandenburg werden von Handwerkskammer und Industrie- und Handelskammer (IHK) zusammen jährlich etwa 200 Azubis in Elektroberufen registriert.

"In Vietnam sind viele internationale Unternehmen aktiv. Die wollen entsprechende Fachkräfte. Und Vietnam selbst hat eine sehr junge Bevölkerung und möchte diese in Arbeit bringen", schildert Thomas Fron die Ausgangslage.

Derzeit werden in Vietnam Industrieelektriker innerhalb von zwei Jahren ausgebildet. Diese Ausbildung erfolgt in Lehrkabinetten an der Schule, am Ende schließt sich ein sechswöchiges Praktikum in einem Betrieb an.

LEAG und BTU mit eingebunden

"Diese zwei Jahre entsprechen stark den ersten zwei Lehrjahren bei uns. Um den Beruf zu transferieren, müssen die Vietnamesen nun noch anderthalb Jahre draufsatteln", erklärt Fron. Die dafür nötigen Inhalte und Fähigkeiten zu vermitteln, ist Kern des Projektes mit der HWK Cottbus. Dabei helfen Einsätze in den Ausbildungsstätten der LEAG in Jänschwalde und Boxberg sowie in Laboren der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU), das Wissen zu vertiefen.

"Wir haben auch Listen erstellt, was für die Aufstockung in Vietnam noch angeschafft werden muss, zum Beispiel Funktionsmodelle, Netzwerktechnik und Laptops", sagt Fron. "Es sind alles sehr interessierte, zuvorkommende Menschen. Die wollen wirklich was lernen."

Neue Ausbildung soll sofort starten

Wenn die Lehrer aus Cottbus im Oktober zurück in Vietnam sind, soll sofort mit der neuen Ausbildung gestartet werden. Dreieinhalb Jahre später sollen die ersten jungen Facharbeiter mit dem neuen Abschluss die Berufsschulen verlassen.  Da, anders als in Deutschland, die Berufsschüler nicht Angestellte eines Unternehmens sind, soll es stattdessen lange Praktikaphasen in Betrieben schon während der Ausbildung geben.

"Wir werden die vietnamesischen Lehrer von Cottbus aus weiter betreuen, per Skype, per Mail und auch über Besuche", erklärt Thomas Fron. Dabei geht es unter anderem um das Erstellen von Prüfungsaufgaben und den Aufbau von Prüfungsausschüssen.

Insgesamt soll an 45 vietnamesischen Berufsschulen – und nicht nur an sieben – der neue Beruf des Elektronikers mit der Fachrichtung Automatisierungstechnik eingeführt werden. Noch ist nicht endgültig entschieden, aber es deutet sich eine langjährige Kooperation zwischen Cottbus und Vietnam an.


Quelle oben: Handwerkskammer (HWK) Cottbus, hwk-cottbus.de, 05/2019; Quelle unten: Lausitzer Rundschau, lr-online.de, 14.06.2019