Kleinere und mittlere Unternehmen rücken in Ägypten in den Fokus

Das Bewusstsein für die wirtschaftliche Bedeutung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) nimmt in Ägypten zu, was sich in einem Ausbau der Förderung zeigt. Es sollen bis zu 350.000 kleine Projekte gefördert und mehr als vier Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden.

In Ägypten soll ein Kreditprogramm im Gesamtwert von 20 Milliarden Euro über vier Jahre zusätzlichen Spielraum für Investitionen und Wachstum schaffen. Aufgrund der hohen Importabhängigkeit bei Ausrüstungen könnten von vermehrten Anschaffungen der KMU auch deutsche Anbieter von Maschinen und Anlagen profitieren.

In Ägypten zeichnet sich das Ende der lange beklagten Vernachlässigung von KMU ab. Im Januar 2016 forderte die Zentralbank die Banken im Land auf, über vier Jahre 20 Prozent ihres Kreditportfolios zu vergünstigten Zinssätzen von maximal fünf Prozent kleinen und mittleren Unternehmen zur Verfügung zu stellen.

Das wäre eine erhebliche Steigerung gegenüber dem derzeitigen Niveau von drei bis vier Prozent der Kreditbestände, das die Union of Arab Banks für ägyptische Banken errechnet hat. Das Programm hat ein Gesamtvolumen von umgerechnet 20 Milliarden Euro. Mit den Anstrengungen sollen bis zu 350.000 kleine Projekte gefördert und mehr als vier Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden. Auch internationale Institutionen engagieren sich für die Verbesserung der Situation kleiner Unternehmen in Ägypten.

Bisher wurden KMU kaum durch Banken gefördert

Banken in Ägypten zeigten bislang zumeist kein besonderes Interesse an KMU. Bei gleichem Bearbeitungsaufwand wie im Geschäft mit anderen Kunden wurden sie als risikobehafteteres Klientel wahrgenommen. Hinzu kommen praktische Schwierigkeiten. Teils sind Banken nicht dort vertreten, wo die potenziellen Kleinkunden sitzen oder die Geldinstitute haben keine spezialisierten Mitarbeiter für dieses Segment.

Dabei spricht der ungedeckte Bedarf der KMU für ein erhebliches Ausbaupotenzial der Geschäftsbeziehungen. Laut einem Pressebericht besteht allein bei den registrierten KMU eine Finanzierungslücke von etwa einer Milliarde US-Dollar pro Jahr. Nur sechs Prozent der Unternehmen im Land hatten 2013 laut einer Weltbank-Umfrage einen Kredit beziehungsweise eine Kreditlinie. Beklagt wurde damals, dass im regionalen und internationalen Vergleich besonders hohe Sicherheiten von den Firmen gefordert würden. Die übliche Höhe von 200 Prozent des Kreditwerts wurde für KMU in Ägypten mit 296 bis 317 Prozent wesentlich überschritten.

Manche Bankenvertreter beklagen wiederum, dass es einigen KMU an strategischer Planung mangele. Auf der politischen Ebene befassen sich verschiedene Ministerien und Institutionen mit dem Thema KMU, allerdings existiert keine übergeordnete Gesamtstrategie. Noch immer zeigen sich außerdem in unterschiedlichen Zahlen zum KMU-Sektor Abgrenzungsschwierigkeiten und verschiedene Definitionen.

In der Summe sind die Kleinfirmen eine erhebliche wirtschaftliche Macht, allerdings ohne ein einheitliches Sprachrohr, um sich Gehör zu verschaffen. Circa 97 Prozent der Unternehmen in Ägypten zählen weniger als zehn Mitarbeiter. Knapp 2,5 Millionen KMU beschäftigen 75 Prozent der Arbeitskräfte des Landes.

Gemeinsam leisten diese Unternehmen auch einen erheblichen Beitrag zur Industrieproduktion: An dieser haben Kleinunternehmen einen Anteil von zehn Prozent und mittlere Unternehmen von 40 Prozent. KMU sollen etwa 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts repräsentieren.

Hinsichtlich der Bedeutung für den Außenhandel liegen unterschiedliche Zahlen vor, die jedoch den Schluss nahelegen, dass ein kleiner Teil der KMU im Auslandsgeschäft aktiv ist. Mit einer besseren Verfügbarkeit und leichteren Erreichbarkeit von Krediten haben sie die Chance, ihre Position auszubauen.

Finanzierung von Ausrüstungskäufen interessant für Maschinenanbieter

Wenngleich viele kleine Unternehmen nur geringe Kreditsummen benötigen, bieten höhere Volumina auch Perspektiven für vermehrte Ausrüstungskäufe. Die Arab Investment Bank will zum Beispiel ihr KMU-Kreditportfolio binnen vier Jahren auf 700 Millionen Euro aufstocken. Zu den insgesamt sieben Aktivitätsfeldern der Bank zählen Ausrüstungsfinanzierungen für medizinische Dienstleister und für neue und gebrauchte Maschinen.

Ein verbesserter Zugang zu Mitteln für Investitionen dürfte sich positiv auf den Absatz von Maschinen und Anlagen auswirken. In diesem Bereich ist Ägypten zu 90 Prozent auf Einfuhren angewiesen und deutsche Anbieter sind stark vertreten. Insbesondere produzierende und exportierende KMU benötigen Ausrüstung, mit der sie hochwertig und effizient fertigen können.

Programme verzahnen Wirtschaftsförderung und Armutsbekämpfung

Dass sich der ägyptische Präsident und die Zentralbank stark für die Förderung von KMU engagieren, verleiht den Initiativen Auftrieb. Im August 2016 stimmte das ägyptische Kabinett einem Gesetzentwurf zu, der die Gründung von Unternehmen durch Einzelpersonen erleichtern soll.

Die Politik ist auch bestrebt, die Registrierung informeller Unternehmen voranzutreiben. Mit etwa 30 Prozent der Wirtschaftsleistung und 40 Prozent der Arbeitskräfte sind die unregistrierten Firmen ein Massenphänomen, vor allem im Dienstleistungsbereich. Einerseits wirken die Kreditprogramme als Anreiz für formelle Firmen, während andererseits das neue Mehrwertsteuergesetz den Druck auf Unternehmen erhöht, die mit nicht registrierten Partnern zusammenarbeiten (die Strafen für Steuervermeidung wurden erhöht).

Für die Regierung ist das Engagement für kleinere Unternehmen weit weniger schlagzeilenträchtig als die Bekanntgabe von Großprojekten. Letztere entfalten meistens umfangreich, aber nur kurzfristig eine Beschäftigungswirkung. Die KMU-Unterstützung kann hingegen flächendeckend und dauerhaft Impulse setzen.

Die relativ stabile offizielle Arbeitslosenquote von 12,5 Prozent und ein jährliches Bevölkerungswachstum von etwa zwei Prozent sorgen für Handlungsdruck. Ein Drittel der Jugendlichen ist arbeitslos und die höchste Quote verzeichnet die Gruppe von Frauen mit höherer Bildung.

Insbesondere die hohe Jugendarbeitslosigkeit verdeutlicht, wie wichtig Arbeitsperspektiven sind. Die Mashrouak-Initiative ("Dein Projekt") vom März 2015 zielt auf junge Adressaten, allerdings zu höheren Zinssätzen als das neu aufgelegte Kreditprogramm. Deshalb dürfte seine Bedeutung künftig zurückgehen.

Das Ministry of International Cooperation schreibt sich besonders die Unterstützung von Frauen und Jugendlichen in strukturschwachen Gebieten auf die Fahnen. Frauen sind mit einem Anteil von 50 Prozent besonders stark an den 1,2 Millionen Kleinstunternehmen des Landes beteiligt, die vom staatlichen Social Fund for Development (SFD) unterstützt werden.

In Kooperation mit dem SFD sponsert die United National Bank Egypt Programme zur Unterstützung beim Erstellen von Durchführbarkeitsstudien für KMU und Trainings in den Bereichen Management und Marketing.

Entwicklungsinstitutionen bauen ihre Unterstützung für KMU in Ägypten aus

Im Oktober 2016 steht die Unterzeichnung einer Vereinbarung über 500 Millionen Euro zur Unterstützung von KMU in Ägypten bevor. Diese haben das Ministry of International Cooperation und die Europäische Investitionsbank EIB ausgehandelt.

Im Frühjahr 2016 wurde bekannt, dass der Saudi Fund for Development 200 Millionen US-Dollar für die KMU-Förderung in Ägypten vorgesehen hat. Auch im Fokus der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung stehen kleine und mittlere ägyptische Privatunternehmen. Ebenso ist der in der MENA-Region (MENA: Middle East and North Africa; Nahost und Nordafrika) aktive europäische Fonds SANAD (The MENA Fund for Micro-, Small and Medium Enterprises) in der Unterstützung kleinster bis mittlerer Unternehmen aktiv.


Quelle: Germany Trade & Invest GTAI, Länder.Märkte.Chancen. - Die GTAI Online-News, 24.10.2016