Ägypten: Duale Ausbildung als Motor für den beruflichen Erfolg

Deutsche Unternehmen und die Politik unterstützen in Ägypten Bildungsprojekte. Denn berufliche Aus- und Weiterbildung ist ein Schlüssel für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung des Landes.

Touristen, die in der Millionenstadt Kairo unterwegs sind, lernen meist gleich zu Anfang zwei Wörter: Sachma ketir – viel Verkehr. Kein Wunder, denn in der ägyptischen Hauptstadt schieben sich Schätzungen zufolge mehr als zwei Millionen Autos, Laster und Motorräder durch die Straßen. Darunter sind auch immer mehr Neuwagen, die viele elektronische Bauteile haben.

Wer diese Autos richtig warten und reparieren will, braucht Fachkenntnisse. Mechatroniker sind gefragt. "In Ägypten gibt es aber bislang fast nur Mechaniker, die sich mit den elektrotechnischen Bauteilen nicht auskennen", erzählt Bassant Helmi, Geschäftsführerin von Global Project Partners (GPP).

GPP hat deshalb in Zusammenarbeit mit Mercedes Benz Egypt, der Deutsch-Arabischen Industrie- und Handelskammer (AHK Ägypten) und der Daimler AG Stuttgart eine Ausbildungsakademie für Mechatroniker in Kairo aufgebaut. Das Auswärtige Amt hat im Rahmen der deutsch-ägyptischen Transformationspartnerschaft die Finanzierung in der Startphase übernommen.

Bislang haben 31 junge Ägypter die Ausbildung absolviert, darunter auch sieben Frauen. "Das ist ein schöner Erfolg, weil Frauen in Ägypten bislang nur selten in Werkstätten arbeiten", sagt Helmi.

Jeden Morgen werden die Auszubildenden zur Akademie gefahren, die etwas außerhalb von Kairo liegt. In der Akademie gibt es zwei Klassenräume, einen Computerraum, einen Gemeinschaftsraum und eine Werkstatt mit zwei Autos. Hier lernen die jungen Ägypter in einer 18-monatigen Ausbildung alles, was sie über Motor, Fahrgestell, Wartung und Mechatronik wissen müssen und können Theorie und Praxis verbinden. Praxiserfahrung sammeln sie zudem immer wieder für ein paar Wochen in den Händlerwerkstätten.

"Vorbild für das Programm ist die duale Ausbildung in Deutschland, weil sie eine sehr gute Mischung aus Theorie und Praxis bietet", sagt Bassant Helmi. Und diese duale Ausbildung ist ein voller Erfolg. "Die Auszubildenden sind sehr begehrt, weil es den Beruf bislang noch nicht gibt und ihre Kenntnisse sehr gefragt sind", berichtet Helmi.

Die Ausbildung wurde bereits nachhaltig verankert, indem Ägypter als Ausbilder geschult wurden. Sie besuchten die Berufsschule und das Trainingszentrum von Daimler in Deutschland und erhielten dort technisches und pädagogisches Wissen. Die geschulten Trainer haben nun eigenständig die Aus- und Weiterbildung in Ägypten übernommen. Die Finanzierung übernimmt Mercedes Benz Egypt.

So wie im Automobilbereich hat GPP im Auftrag des Auswärtigen Amtes auch in anderen Branchen erfolgreich berufliche Qualifizierungsprojekte in Ägypten umgesetzt. Seit 2012 wurden mehr als 2.000 Fachkräfte in den Bereichen Bau, Tourismus, Möbel und Automobilindustrie aus- und weitergebildet. So sind neue Arbeitsplätze für die junge Generation in Ägypten entstanden.

Die Ausbildung in Ägypten fördern auch weitere deutsche Akteure, wie beispielsweise Siemens. Das Unternehmen hat im April 2016 die Ausbildung der ersten 50 von später einmal 600 Ingenieuren und Technikern gestartet. Dabei arbeitet das Unternehmen mit dem Ägyptischen Ministerium für Elektrizität und Erneuerbare Energien zusammen.

Die Trainees sind Absolventen von Ingenieursfakultäten und technischen Schulen. In der Weiterbildung erhalten sie die Fähigkeiten, die sie für die Arbeit in einem Gaskraftwerk benötigen. Dabei gehen sie unter anderem an einem Simulator sämtliche Alltagssituationen durch, die es in dem Kraftwerk geben kann. Sie müssen gemeinsam Probleme lösen, die Abläufe und das Budget planen.

Ein Fokus liegt darauf, die Techniker, die vorher noch nicht im Energiesektor gearbeitet haben, mit allen technischen Fähigkeiten auszustatten. Während der sechsmonatigen Ausbildung erhalten die Trainees zudem Kommunikations-, Management- und Führungstrainings.

Ebenfalls in diesem Jahr angelaufen ist ein Projekt der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), bei dem die Verbesserung der dualen Ausbildung in Ägypten im Fokus steht. Dabei berät die GIZ im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) das ägyptische Bildungsministerium.

"Nationale Standards sollen in Zukunft sicherstellen, dass junge Ägypter eine qualitativ hochwertige und auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes zugeschnittene Ausbildung erhalten", sagt René Pape, GIZ-Berater im Projekt Jugendbeschäftigung und Qualifizierung.

In drei Gouvernoraten führt die GIZ Fortbildungsangebote für Berufsschulleiter, Berufsschullehrer und Ausbilder ein. Das Ziel: Die Qualität der betrieblichen Ausbildung sowie des Unterrichts in den Berufsschulen erhöhen.

Für das Vorhaben fand bereits im März ein Workshop mit Entscheidungsträgern aus dem ägyptischen Bildungsministerium und dem Privatsektor statt. Dabei diskutierten und verglichen sie Aufbau, Prozesse und Zuständigkeiten des ägyptischen und deutschen dualen Ausbildungssystems. Im April reisten Vertreter des Bildungsministeriums sowie des Privatsektors zu verschiedenen Einrichtungen des deutschen Ausbildungssystems.

Sie besuchten unter anderem die Zentralstelle für internationale Berufsbildungskooperation (GOVET) im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), eine Berufsschule und einen Handwerksbetrieb.

Das Projekt der GIZ wird vom BMZ mit vier Millionen Euro finanziert. Durch die Pilotmaßnahmen in den Gouvernoraten könnten etwa tausend zusätzliche Lehrlinge erreicht werden. Außerdem sollen mindestens 225 Berufschullehrer und 225 betriebliche Ausbilder von Fortbildungen profitieren.

Quelle: Deutschland.de, Pfad: Startseite > Wissen > Bildung & Lernen, 30.06.2016