Fachkräfte im Ausland erfolgreich suchen

Vielerorts klagen deutsche Firmen über einen Mangel an qualifiziertem Personal. Um Schlüsselpositionen dennoch zu besetzen, nehmen deutsche Firmen im Ausland verstärkt das Zepter selbst in die Hand und bilden junge Mitarbeiter vor Ort aus. Dies wird unterstützt von Akteuren, die sich im Bereich der beruflichen Bildung engagieren. markets International zeigt an Beispielen aus Spanien, China und Afrika, wie man dem Fachkräftemangel trotzen kann.

Die Suche nach qualifizierten Mitarbeitern zählt zu den größten Herausforderungen deutscher Unternehmen im Ausland. Ob in Entwicklungs-, Schwellen- oder Industrieländern – häufig werden vor allem Facharbeiter wie Mechatroniker oder Industriemechaniker händeringend gesucht.

Allein in China, dem derzeit größten Arbeitsmarkt der Welt, dürften bis 2020 rund 24 Millionen Techniker fehlen.

In Afrika drängen immer mehr junge Menschen auf den Arbeitsmarkt. Aufgrund des gravierenden Fachkräftemangels, auch hier insbesondere in technischen Berufen, müssen deutsche Unternehmen oft selbst vor Ort ausbilden. Hierfür wurden die Initiative "Fachkräfte für Afrika" des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau und das Stipendienprogramm "Afrika kommt" der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit ins Leben gerufen. Sie sollen es deutschen Unternehmen leichter machen, den Wachstumsmarkt Afrika zu erschließen.

Selbst in Spanien, derzeit ein klassischer Arbeitgebermarkt, in dem so viele Menschen Arbeit suchen wie in keinem anderen Land der Europäischen Union, ist die mittlere Qualifikationsebene gefragt. Um geeignete Facharbeiter zu rekrutieren, sind deutsche Firmen in Spanien bereit, sich in der praxisnahen Berufsausbildung zu engagieren.

Im Ausland auszubilden, zum Beispiel nach dem deutschen Muster der dualen Berufsausbildung, liegt also im Trend. Zahlreiche in- und ausländische Akteure engagieren sich im Bereich der Berufsbildungszusammenarbeit.

Afrika: Perspektiven schaffen

Fachkräfte sind auf diesem Erdteil Mangelware. Immer mehr deutsche Unternehmen investieren vor Ort in die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter.

Afrika ist zurzeit in aller Munde. Trotz der großen Heterogenität des Kontinents stehen alle Länder vor ähnlichen Herausforderungen: Das enorme Bevölkerungswachstum führt dazu, dass bis 2030 jährlich über 30 Millionen junge Menschen auf den Arbeitsmarkt drängen.

Damit wächst der Druck, neue und qualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, besonders unter jungen Menschen. "Die Arbeitsbedingungen im formalen Sektor sind in der Regel so schlecht, dass der informelle Sektor bevorzugt wird", berichtet Dr. Rainer Herret, Geschäftsführer der Auslandshandelskammer Ägypten.

Aufgrund des gravierenden Fachkräftemangels müssen Unternehmen oft selbst vor Ort ausbilden. Insbesondere bei Ingenieuren, Spezialisten für Informationstechnik, Wirtschaftswissenschaftlern und Facharbeitern in technischen Berufen stehen nicht ausreichend Arbeitskräfte zur Verfügung.

Die Ursachen liegen in den unterentwickelten Bildungssystemen: Lehrer sind Mangelware, Klassen überfüllt, es fehlt an Infrastruktur und Lehrmitteln.

Exportschlager Berufsausbildung

Bei deutschen Unternehmen wächst der Wunsch, die duale Berufsausbildung nach deutschem Vorbild auch in Afrika einzuführen. Einer der wichtigsten Partner für die Organisation konkreter Ausbildungen sind die Auslandshandelskammern.

Die Delegation der Deutschen Wirtschaft in Nigeria führt beispielsweise seit 2012 gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer Gießen-Friedberg ein vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördertes Projekt zur Einführung einer dualen Berufsausbildung durch. Im Rahmen dieses Projekts werden insgesamt 180 Auszubildende und Ausbilder in vier Berufen (drei technische, ein kaufmännischer) geschult.

Schulungen in Deutschland

Auch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist in vielen Ländern im Bereich Aus- und Weiterbildung aktiv. Sie ist Durchführer des Stipendienprogramms "Afrika kommt":

Seit 2008 werden jährlich etwa 20 Nachwuchskräfte aus Afrika ausgewählt und in Deutschland ein Jahr lang zu Führungskräften ausgebildet. Zum Programm gehören ein dreimonatiger Sprachkurs, Managementkurse und eine neunmonatige Praxisphase in einem der Gründerunternehmen der Initiative (darunter BASF, Bayer, Commerzbank, ThyssenKrupp, Deutsche Bahn).

"Das Programm fördert eine wichtige Zielgruppe für die Entwicklung der deutsch-afrikanischen Beziehungen. Es ist ein schönes Beispiel für den Ansatz des voneinander Lernens und ist dadurch wirkungsvoll und nachhaltig", erklärt Joachim Rogall, Geschäftsführer der Robert-Bosch-Stiftung, die das Programm mit initiiert hat und seither fördert.

Laut einer Umfrage der Bildungsinitiative iMOVE 2013 ist Ägypten für deutsche Bildungsanbieter der wichtigste Exportmarkt in Afrika. Deutschland ist im ägyptischen Bildungssystem fest verankert. An vielen Grundschulen wird Deutsch als Fremdsprache unterrichtet. Es gibt acht deutsche Schulen und eine deutsche Universität in Kairo.

Im Bereich der beruflichen Bildung gilt das National Technical & Vocational Education and Training Program als Leuchtturm. Das Projekt wurde vom ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem damaligen ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak unter dem Namen "Mubarak-Kohl-Initiative" ins Leben gerufen. GIZ, ägyptische Behörden und deutsche Partner entwickelten es als Äquivalent zur deutschen dualen Berufsausbildung.

Es bringt mittlerweile jährlich rund 20.000 Absolventen hervor, die auf dem Arbeitsmarkt begehrt sind. Ausgebildet wird in den klassischen Wirtschaftszweigen Ägyptens: Textilindustrie, Bau- sowie Hotel- und Gaststättengewerbe.

Auch Südafrika ist als wirtschaftliches Zugpferd des Kontinents für deutsche Bildungsanbieter interessant.

Die berufliche Ausbildung ist in Südafrika bislang sehr theorielastig. Der Aus- und Weiterbildungsmarkt ist auch aufgrund der Vielzahl nationaler und internationaler Anbieter hart umkämpft. Deutsche Unternehmen und Verbände investieren zunehmend in Ausbildungsinitiativen, berichten aber von Problemen, da qualifizierte Mitarbeiter abgeworben werden.

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer für das südliche Afrika bietet über South African-German Training Services eine Ausbildung für kaufmännische Berufe nach dem deutschen dualen System an. Auch die GIZ unterstützt Programme zur praxisorientierten Berufsausbildung wie das South African Renewable Energy Training Centre.

China: Viel Theorie, wenig Praxis

Seit Jahrzehnten klagen deutsche Arbeitgeber in China über das eklatante Missverhältnis zwischen ihren Qualifikationsanforderungen und dem Arbeitskräfteangebot. Der Facharbeiterbereich bildet keine Ausnahme.

"Zu schmalspurig, zu theorielastig und zu wenig auf dem Stand der Zeit", lautet das vernichtende Urteil vieler deutscher Firmenvertreter über das chinesische Berufsausbildungssystem.

In der Tat wurden die Berufsschulen in den letzten Jahrzehnten zugunsten der Universitäten finanziell und politisch vernachlässigt. Den Lehrkräften selbst fehlt es häufig an Praxiserfahrung. Chinesische Unternehmen sind bei der Ausbildung kaum engagiert.

Das deutsche duale System wird zwar bewundert, kommt im Alltag aber kaum zur Anwendung. Nicht grundlos sind die Absolventenzahlen der knapp 12.000 mittleren und unteren Berufsschulen des Landes rückläufig. Im Jahr 2014 zählten sie 6,2 Millionen Absolventen, etwa 500.000 weniger als im Vorjahr.

Eine Ausbildung zum Facharbeiter gilt als wenig attraktiv. Dagegen verzeichnen die lokalen Hochschulen und Universitäten immer neue Rekorde: 2015 machten 7,5 Millionen junge Menschen hier ihren Abschluss, so viele wie nie zuvor. Für 2016 wird sogar mit 7,7 Millionen gerechnet.

Rekordverdächtig ist aber auch die offizielle Arbeitslosenquote unter Universitätsabgängern von 7,5 Prozent bei einer durchschnittlichen Arbeitslosenrate von vier Prozent. Denn so viele geeignete Arbeitsplätze gibt es nicht.

Auf der anderen Seite suchen Unternehmen quasi aller Branchen händeringend kompetente Facharbeiter – angefangen von der gut ausgebildeten Servicekraft im Fünfsternehotel über den Uhrmacher, der in der Lage ist, ein exquisites mechanisches Uhrwerk aufzuarbeiten, bis hin zum Bediener an einer modernen CNC-Maschine.

Die Situation wird künftig noch angespannter werden, denn die chinesische Wirtschaft durchläuft einen tief greifenden Strukturwandel weg von billiger Massenware.

Die Politik will China zur "Industriesupermacht" formen, die sich durch Hightecherzeugnisse und einen hochleistungsfähigen Dienstleistungssektor auszeichnet. Die Unternehmen stehen angesichts stark gestiegener Löhne und Gehälter unter Modernisierungsdruck, die Automatisierung nimmt zu. Unqualifizierte Kräfte werden immer weniger benötigt.

Firmen müssen selbst ausbilden

Die chinesischen Berufsausbildungszentren und -schulen sind diesen Ansprüchen nicht gewachsen. In der Folge bleibt den Unternehmen nur, selbst auszubilden.

Insbesondere viele deutsche Firmen stellen sich dieser Herausforderung mit eigenen Lehrwerkstätten, speziellen Trainingsprogrammen und gegebenenfalls sogar mit Ausbildungsaufenthalten im deutschen Mutterhaus.

Einen erfolgreichen Weg beschreitet auch die Auslandshandelskammer Schanghai, die in Kooperation mit chinesischen Bildungsträgern eine dreijährige Facharbeiterausbildung zum Industriemechaniker, Werkzeugmechaniker und Mechatroniker unterstützt.

Spanien: Gemeinsam für Fachkräfte

In keinem anderen Land der Europäischen Union (EU) suchen so viele Menschen Arbeit wie in Spanien. Dennoch ist die Personalsuche kein Selbstläufer. Vor allem bei der Facharbeitersuche geht sie mit der Ausbildung Hand in Hand.

Automobilzulieferer Saargummi Ibérica steht vor einer großen Herausforderung. Das Werk in Loeches bei Madrid, das Karosseriedichtungen herstellt, hat die Weichen auf Industrie 4.0 gestellt. Mit Folgen nicht nur für die Technologie.

"Die intelligente Organisation der Prozesse durch Informationstechnik und das wachsende Gewicht der Robotik erfordern ein qualifizierteres Profil an Wartungstechnikern, als der reine Abschluss der zweijährigen Berufsausbildung bietet", sagt José María Causín, Direktor für Human Resources. In der Theorie sei Spanien gut, aber in der Praxis mangele es, zum Beispiel an Mechatronikern.

Deshalb nimmt Saargummi Ibérica an einem Verbundprojekt "2+1" teil, das die Auslandshandelskammer (AHK) Spanien mit deutschen Firmen entwickelt hat. Es stockt auf die reguläre Berufsausbildung ein drittes betriebliches Lehrjahr auf.

Weitere Ausbildungsunternehmen, die an dem Projekt mitwirken, sind Siemens und Aerzen.

Die zehn Azubis dieses ersten dualen Jahrgangs erhalten im April 2016 ihren Facharbeiterbrief Mechatroniker von Tanja Nause, die in der AHK Spanien für den Bereich Duale Ausbildung verantwortlich ist. Sie rechnet damit, dass im zweiten Jahrgang doppelt so viele Unternehmen teilnehmen.

VW Navarra und Seat verfügen über eigene Ausbildungszentren. In ihnen werden Mechatroniker, Werkzeugmechaniker und Elektroniker für Automatisierungstechnik nach deutschem Vorbild dual ausgebildet. Auch hier nimmt die AHK Spanien die offiziellen Prüfungen ab und stellt die Abschlusszeugnisse aus: im Jahr 2015 für 140 Azubis in 40 Ausbildungsbetrieben in Spanien.

Spitzenposition in Europa

Auf der akademischen Seite sieht es anders aus. Spanien liegt mit fast einem Drittel hoch qualifizierter Erwachsener mit tertiärem Abschluss über dem EU-Schnitt. Daneben gibt es sehr viele Geringqualifizierte.

Dünn besetzt ist nach Angaben des Bildungsministeriums mit 24 Prozent die mittlere Qualifikationsebene, unter die die gewerblich-technischen Ausbildungsberufe fallen. In der EU ist ihr Anteil fast doppelt so hoch. Spanien hat Ende 2012 eine duale Berufsausbildung eingeführt. Sie erfasst aber erst zwei Prozent der Berufsschüler.

Spanische Ingenieure, Betriebs- und Volkswirte oder Informationstechnologie (IT)-Spezialisten gelten als sehr gut ausgebildet. Die Business Schools IE, IESE und ESADE zählen weltweit mit zu den Besten.

Digitale Talente, Vertriebs- und Marketingprofis sind gefragt. Personalberater Spring Professional, der zur Adecco-Gruppe gehört, sieht 2016 Big-Data-Spezialisten, Geschäftsentwickler für Digitalfirmen, Qualitäts- und Kostencontroller in der Industrie sowie Video- und Logistikingenieure im Aufwind. Auch wünscht sich die Wirtschaft immer mehr Profis mit internationaler Erfahrung.

Unterstützung bei der Personalsuche

Die Suche nach Personal gestaltet sich ähnlich wie in Deutschland auch mithilfe von spezialisierten Beratungsfirmen.

Der Logistikdienstleister Transfesa etwa, ein spanisches Familienunternehmen, das heute mehrheitlich zur Deutschen Bahn (DB) gehört, hat im IT-Bereich 120 Arbeitsplätze geschaffen, um für die DB Cargo europaweit Softwarelösungen zu entwickeln und zu implementieren.

"Die Rekrutierung hat noch geklappt, ist aber inzwischen schwieriger, weil der Markt anzieht", sagt Geschäftsführer Bernd Hullerum. Sein Unternehmen besucht auch Recruiting-Messen, auf denen sich Uniabsolventen orientieren.

In Spanien, so seine Erfahrung, muss eine Firma mehr in die innerbetriebliche Ausbildung investieren. So bildet Transfesa mit der FEDA German Business School Speditionskaufleute aus. Diese Berufsschule geht auf eine Initiative deutscher Firmenniederlassungen und der AHK Spanien zurück.

Angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt gibt es auch Studenten, die eine Berufsausbildung wählen und sich dadurch bessere Chancen ausrechnen, weiß Hullerum. Arbeitgeber sieht er in einer vorteilhaften Situation: "Es ist ein Arbeitgebermarkt mit sehr guten Auswahlmöglichkeiten und hoch motivierten Mitarbeitern. Die Arbeitsmarktreformen haben hier einen großen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit Spaniens geleistet."

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In markets International, Ausgabe 02/2016, mit dem Schwerpunkt "Fachkräfte gesucht!" finden Sie auch verschiedene Interviews.

Quelle: Germany Trade and Invest GTAI, gtai.de, Pfad: Presse > markets > markets International > Ausgaben 2016 > 02/2016, "Fachkräfte" ist Schwerpunkt der Ausgabe 02/2016