Polnische Unternehmen melden steigende Probleme bei der Fachkräftesuche

Polen kann eine der niedrigsten Quoten offener Stellen innerhalb der Europäischen Union (EU) vorweisen. Dennoch warnen Experten vor einer strukturellen Fehlentwicklung des Arbeitsmarktes und einem daraus resultierenden Fachkräftemangel.

Die bisherigen Bemühungen der Regierung, der Entwicklung entgegenzuwirken, tragen vorerst kaum Früchte. Deswegen verlegen sich Unternehmen auf ausländisches Personal, vor allem aus der Ukraine.

Angesichts der über 38 Millionen Einwohner und einer zweistelligen Arbeitslosenquote war das Thema Fachkräftemangel in Polen noch vor zwei Jahren eine Randerscheinung. Auf den ersten Blick scheinen auch jetzt die Berichte von Eurostat (ec.europa.eu/eurostat) keinen Anlass zur Sorge zu geben. Demnach kann Polen die drittniedrigste Quote offener Stellen unter den 28 EU-Mitgliedsländern vorweisen. Die meisten regionalen Konkurrenten weisen zwei- bis viermal so hohe Werte auf.

Unabhängige Untersuchungen privater Personalberatungen zeichnen dagegen eine wesentlich angespanntere Situation. Laut der neuesten Ausgabe der ManpowerGroup-Studie "Fachkräftemangel" stieg die Anzahl der Unternehmen in Polen, die Probleme mit der Besetzung offener Stellen haben, binnen eines Jahres um ein Viertel. Mehr als 40 Prozent der befragten Personalmanager wiesen auf das Thema hin, nur fünf Prozentpunkte weniger als in Deutschland.

In Tschechien meldeten rund 20 Prozent der Arbeitgeber Rekrutierungsschwierigkeiten, in der Slowakei 25 Prozent. Von den untersuchten mittelosteuropäischen Ländern schnitt nur Ungarn schlechter ab als Polen - dort beklagen fast 50 Prozent das Problem.

Die Rekrutierungsprobleme resultieren zu einem Drittel aus Kandidatenmangel. In knapp der Hälfte der Fälle können Anwärter nicht mit den nötigen Qualifikationen aufwarten - obwohl Experten eine Senkung der Anforderungen wahrnehmen.

Professor Maria Drozdowicz-Biec von der Warsaw School of Economics spricht von einer strukturellen Fehlanpassung auf dem Arbeitsmarkt. Laut Monika Smulewicz, Geschäftsführerin und Partner bei der Consultingfirma Grant Thornton, verpasst das Bildungssystem den Anschluss an die Bedürfnisse der Unternehmen.

Außer fehlenden Kompetenzen mangelt es Kandidaten an der nötigen Arbeitserfahrung, urteilt jeder sechste Arbeitgeber. Ebenso viele stören sich an zu hohen finanziellen Erwartungen. Dieser Faktor hat im Jahresvergleich an Bedeutung verloren, was als Indiz der steigenden Gehaltsangebote angesehen werden darf. Allerdings sucht nur jeder zehnte Befragte den Ausweg in höheren Einstiegslöhnen. Doppelt so viele setzen auf Zusatzschulungen und Entwicklungschancen. Neue Rekrutierungsmethoden versucht derweil jeder vierte, 2014 war es nur jeder zwanzigste.

 

Suche nach technischen Fachkräfte am schwierigsten

 

ManpowerGroup-Chefin Iwona Janas rechnet laut Interview mit dem Wirtschaftsblatt Puls Biznesufür 2016 mit einer Verschärfung des Fachkräftemangels. Die größten Anstrengungen müssen laut ManpowerGroup bei der Suche nach qualifizierten Arbeitern unternommen werden. Darunter fallen Mechaniker, Elektriker, Klempner, Schweißer, Tischler, Küchenbauer, Drucker, Maurer oder Monteure.

Kaum leichter zu befriedigen ist der Bedarf an Ingenieuren, Technikern und IT-Fachkräften. Defizite herrschen ferner beim Angebot an Kraftfahrern, Maschinenführern, Buchhaltern und Handelsvertretern.

Laut den Personalberatern von Work Service wird 2016 der größte Bedarf an Angestellten von der Automobilindustrie, Logistik, IT, der Industrieverarbeitung sowie Business-Process-Outsourcing-Zentren ausgehen. "Die neue EU-Finanzperspektive wird neue Aufträge für den Bausektor bringen, deswegen wird auch in diesem Bereich die Arbeitersuche schwieriger", ergänzt Krzysztof Inglot, Vorstandsbeauftragter der Firma.

Der Fachkräftemangel wirkt sich negativ auf die Firmenaktivitäten aus. Mehr als ein Drittel der polnischen Befragten der ManpowerGroup-Untersuchung sieht eine steigende Mitarbeiterfluktuation, höhere Gehaltskosten und eine sinkende Konkurrenzfähigkeit. Jeder Vierte befürchtet ferner eine schwächere Innovationskraft.

 

Berufsbildung und Einwanderung als Ausweg

 

Die Regierung will den Missstand verringern und setzt vermehrt auf die Berufsbildung, die unter anderem von den 14 Sonderwirtschaftszonen unterstützt werden soll.

Viele, vor allem ausländische Unternehmen sind selbst auf dem Feld aktiv. Unterstützung bei entsprechenden Projekten bietet unter anderem die Deutsch-Polnische Industrie- und Handelskammer. Da im Bereich der Zusammenarbeit zwischen Schulen und Unternehmen noch Pionierarbeit betrieben werden muss, sind interessierte Firmen gut beraten, einen institutionellen Partner mit einzubeziehen.

Abhilfe leisten ebenfalls ausländische Fachkräfte. Laut dem Ministerium für Arbeit und Soziales brachten in Polen tätige Unternehmen alleine 2015 knapp 666.000 sogenannte Erklärungen über die Beschäftigung eines Ausländers ein. Interesse polnischer Arbeitgeber weckten dabei vor allem Ukrainer (650.000 Erklärungen). Moldauer betrafen etwa 7.300 Erklärungen, Weißrussen über 4.400.

Auch die Anzahl der von Privatpersonen gestellten Anträge auf Arbeitsgenehmigung stieg im Jahresvergleich. Knapp 75.000 Anträge sind eingegangen, nur jeder zehnte wurde abgewiesen. Auch in diesem Fall stellen die größte Bewerbergruppe Ukrainer mit etwa drei Vierteln. Jeweils mehr als 1.000 Anträge stellten Weißrussen, Usbeken und Moldauer, aber auch Chinesen oder Inder.

 

Hinweis

 

Weitere Informationen zum polnischen Arbeitsmarkt sowie der Lohnentwicklung enthält die Publikation "Lohn- und Lohnnebenkosten - Polen" von Germany Trade &  Invest (GTAI). Dafür müssen Sie sich auf der Internetseite der GTAI registrieren.


Quelle: Germany Trade & Invest GTAI, 18.02.2016