Berufsausbildung: So werden Jugendliche in Europa ausgebildet

Europaweit fehlen Fachkräfte. Dabei ist jeder fünfte Jugendliche arbeitslos gemeldet. Eine neue Studie zeigt, wo die Fehler liegen und wo Unternehmen und die Politik ansetzen können.

Jugendarbeitslosigkeit ist nach wie vor eine der größten Herausforderungen Europas: Mehr als fünf Millionen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren sind arbeitslos. Schlusslicht im internationalen Vergleich 2015 ist Spanien: Fast jeder zweite 15- bis 24-Jährige ist arbeitslos. Der EU-Durchschnitt liegt bei 20 Prozent. An der Spitze steht Deutschland mit einer Jugendarbeitslosigkeit von sieben Prozent.

Wie kann man die Jugendarbeitslosigkeit meistern und junge Menschen für einen Beruf qualifizieren? Dieser Frage geht eine aktuelle Studie nach. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat gemeinsam mit der Hans-Böckler-Stiftung, der Konrad Adenauer Stiftung und der Vodafone Stiftung Deutschland die Ausbildung in sieben europäischen Ländern verglichen.

 

Erfolgsfaktoren eines Ausbildungssystems

 

Laut Studie gibt es Faktoren und Ansätze, die die Karriere und Arbeitsmarktchancen der Jugendlichen stärken und zum Erfolg eines Ausbildungssystems beitragen. Unter anderem sind das: das Image, das Engagement der Unternehmen, Mitbestimmung der Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbände, die Durchlässigkeit im System und die Flexibilität.

 

1. Das Image der Berufsausbildung

 

Im Vergleich zur Hochschulbildung ist die Akzeptanz und Wertschätzung der beruflichen Bildung relativ gering. In Ländern mit einer langen Tradition der dualen Ausbildung – Deutschland und Schweiz – ist die Akzeptanz am stärksten ausgeprägt.

Noch: Denn Deutschland leidet zunehmend unter Statusproblemen der Ausbildung. Immer mehr Jugendlichen wollen studieren. Die Studienautoren empfehlen deshalb, gezielte Angebote für leistungsstarke Jugendliche zu schaffen (zum Beispiel Berufsmatura wie in der Schweiz, Zusatzqualifikationen, Fremdsprachenkenntnisse).

 

2. Engagement der Unternehmen

 

Gegen Jugendarbeitslosigkeit hilft laut Studie eine Berufsausbildung, die genau auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes vorbereitet – durch Unternehmen, die selber aktiv in der Ausbildung mitwirken. Demnach ist in Ländern mit der dualen Ausbildung die Jugendarbeitslosigkeit niedrig, wie zum Beispiel in Deutschland mit sieben Prozent.

Doch nicht überall engagieren sich die Unternehmen gleich stark: In Schweden, Polen und Portugal bestimmen vor allem Kleinstbetriebe die Wirtschaftsstruktur – aus personellen und finanziellen Gründen bringen sie sich bei der Berufsausbildung junger Menschen weniger ein.

 

3. Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbände

 

Die Sozialpartner entwickeln gemeinsam mit Unternehmen und Politik die Inhalte der Ausbildung. Die Einflussmöglichkeiten und das Engagement unterscheiden sich jedoch stark zwischen den Ländern.

In Deutschland und der Schweiz ist der Einfluss sehr hoch, was sich beispielsweise daran zeigt, dass deutsche Auszubildende Arbeitnehmerrechte haben und vom Betriebsrat vertreten werden können. In Polen hingegen stehen Sozialpartner lediglich beratend zur Seite.

 

4. Durchlässigkeit: Möglichkeiten nach der Ausbildung

 

Jugendlichen und ihren Eltern ist es wichtig, dass nach der Ausbildung alle Türen offen stehen. In vielen Ländern ist es ein wichtiges Kriterium, dass mit einem Berufsabschluss auch ein allgemeiner Abschluss verliehen wird.

In Polen und Portugal geschieht das im Rahmen der Ausbildung. Extrakurse müssen Azubis in der Schweiz und Schweden besuchen, um später an die Hochschule gehen zu können. In Deutschland hingegen wird eine Doppelqualifizierung laut Studienautoren noch selten angeboten.

"Doch auch wenn ein zum Studium durchlässiges System, das beruflich Qualifizierten den Weg dorthin offenhält, positiv zu bewerten ist, ist es nicht primäres Ziel der Ausbildung, auf die Universität vorzubereiten", betonen die Autoren der Studie.

 

5. Flexibilität: Was braucht der Arbeitsmarkt?

 

Angebotene und nachgefragte Qualifikationen müssen zusammenpassen. Deshalb muss die Berufsausbildung flexibel auf die Bedürfnisse auf dem Markt reagieren können.

Flexibilität fördert das Modulmodell, in dem einzelner Qualifikationen in Bausteinen (Modulen) erworben werden. Je nach Bedarf können diese angepasst werden – praktiziert wird das beispielsweise im Vereinigten Königreich, in Portugal und Polen.

Das Äquivalent dazu sind in Deutschland die Ausbildungsordnungen, die gestaltungsoffen und technikneutral formuliert sind.

Berufsausbildung für Europas Jugend

Sie können die Studie "Berufsausbildung für Europas Jugend – Voneinander lernen, miteinander gestalten" und verschiedene Länderberichte auf der Internetseite des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln kostenlos herunterladen.


Quelle: DeutscheHandwerksZeitung, deutsche-handwerks-zeitung.de, Politik + Wirtschaft, 23.10.2015