Makroökonomische Instabilitäten und Arbeitskräftemangel trüben Stimmung deutscher Unternehmen in Estland, Lettland und Litauen

Deutsche Unternehmen geben den drei baltischen Standorten weiterhin gute Noten und planen weitere Investitionen. Makroökonomische Instabilitäten, steigende Kosten und ein ausgeprägter Arbeitskräftemangel haben die Stimmung aber deutlich gedämpft. Dies ist das Fazit der jährlichen Konjunkturumfrage der Deutsch-Baltischen Handelskammer in Estland, Lettland, Litauen (AHK), an der sich 82 Unternehmen beteiligten.


Zwischen Deutschland und den baltischen Staaten bestehen traditionell gute Wirtschaftsbeziehungen, die sich in den vergangenen Jahren äußerst dynamisch entwickelt haben. Von der Intensivierung des deutsch-baltischen Außenhandels und der steigenden Nachfrage nach Produkten Made in Germany profitierten aber nicht nur deutsche Lieferanten, sondern auch die an den drei Standorten aktiven deutschen Unternehmen.

Im vergangenen Jahr konnte die Mehrzahl der Unternehmen mit deutscher Beteiligung deutliche Umsatz- und Gewinnzuwächse von bis zu 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erzielen. Entsprechend zufrieden zeigen sich auch die Teilnehmer der Umfrage – lediglich 4 Prozent schätzen ihre derzeitige Geschäftslage als schlecht ein. Und auch bei der Einschätzung der zukünftigen Entwicklung des eigenen Unternehmens zeichnet sich ein überwiegend positives Bild.

Der Optimismus wirkt sich auch auf das Investitionsverhalten aus: Die Mehrzahl der Unternehmen wollen ihre Investitionen erhöhen oder zumindest auf dem Niveau des Vorjahres belassen. Hinzu kommt, dass knapp 40 Prozent der Unternehmen ihren Personalbestand ausweiten wollen.

Makroökonomische Risiken

Ungeachtet der zuversichtlichen Erwartungen an das eigene Unternehmen können sich die deutschen Firmen dem zunehmend schwieriger werdenden gesamtwirtschaftlichen Umfeld nicht entziehen. Die makroökonomischen Risiken haben in allen drei Ländern die Konjunkturaussichten für das laufende Jahr deutlich gedämpft. "Nach der Euphorie der letzten Jahre ist eine gewisse Ernüchterung festzustellen. Die aktuelle Wirtschaftslage prägt nachhaltig die Erwartungen der deutschen Unternehmen in den baltischen Staaten" kommentiert Maren Diale-Schellschmidt, Geschäftsführerin der Deutsch-Baltischen Handelskammer (DBHK), die Umfrageergebnisse.

In Lettland und Litauen rechnen die deutschen Unternehmen mehrheitlich mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Gesamtsituation, aber auch in Estland blicken die Befragten der Zukunft nicht unbedingt optimistisch entgegen. Sie sehen daher dringenden Handlungsbedarf der Politik – insbesondere bei der Bekämpfung der makroökonomischen Instabilitäten und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

"Wenn verlässliche Parameter für unternehmerische Entscheidungen und Planungen fehlen, beeinträchtigt dies die Investitionsbereitschaft der Firmen. Deutsche Unternehmen wollen in einer stabilen, transparenten und planbaren Umgebung arbeiten", betont DBHK-Vizepräsident Bertolt Martin Flick bei der Vorstellung der Ergebnisse im Rahmen einer Pressekonferenz am 16. Juni 2008 in Riga.

Wenig zufrieden sind die deutschen Unternehmen vor allem mit der Transparenz bei öffentlichen Ausschreibungen, dem Zugang zu staatlichen und EU-Fördermitteln sowie den Bedingungen für Forschung und Entwicklung. Und neben der Effizienz der staatlichen Administration und der öffentlichen Infrastruktur ist es insbesondere auch die Bekämpfung von Kriminalität und Korruption, die aus Sicht der deutschen Unternehmen durchaus noch verbesserungsfähig erscheint.

Unternehmen fordern Reform der inadäquaten Berufsaus- und -weiterbildungssysteme

Ein weiteres Problemfeld ist die angespannte Lage am Arbeitsmarkt. Nach wie vor wird die Verfügbarkeit von Arbeitskräften als unzureichend eingeschätzt – von Fachkräften wie auch von ungelernten Arbeitern. Für die überwiegende Anzahl aller Befragten haben sich hieraus bereits negative wirtschaftliche Auswirkungen auf das eigene Unternehmen ergeben.

Daher werden seitens der Befragten insbesondere eine höhere Flexibilität der arbeitsrechtlichen Regelungen sowie eine Reform der inadäquaten Berufsaus- und -weiterbildungssysteme gefordert. Ebenso empfohlen werden aktive Arbeitsmarktmaßnahmen sowie höhere Investitionen in Bildung und eine Verbesserung der dafür notwendigen öffentlichen Infrastruktur.

Infolge des Arbeitskräftemangels bleibt oftmals nur der Faktor Vergütung, um qualifizierte Führungs- und Fachkräfte anzuwerben. Besonders in Estland beklagen die deutschen Unternehmen daher zunehmend die Höhe der Lohnkosten, aber auch in Lettland und Litauen beobachtet man die Lohnentwicklung mehr als kritisch. Belastend wirken sich neben den rapiden Lohnsteigerungen auch die steigenden Energie- und Materialkosten aus, die sich dem westeuropäischen Durchschnitt weiter annähern.

Estland, Lettland und Litauen bleiben aus deutscher Sicht weiterhin attraktive Standorte

Doch trotz der zunehmend schwierigen Bedingungen und bestehenden Unzulänglichkeiten scheinen die Geschäftsergebnisse diese Mängel bei der Mehrzahl der Unternehmen bislang aufzuwiegen.

Im Vergleich mit den mittel- und osteuropäischen Staaten sowie Deutschland und China belegen die drei baltischen Staaten die ersten drei Positionen. Rund 80 Prozent der Befragten würden heute erneut in den drei Ostseeanrainerstaaten investieren und ihr Engagement wiederholen. Estland, Lettland und Litauen bleiben damit aus deutscher Sicht weiterhin attraktive Standorte und bieten ausreichend Anreize für ein unternehmerisches Engagement.

Eine tabellarische Übersicht über die Ergebnisse der Umfrage finden Sie auf der Internetseite der Deutsch-Baltischen Handelskammer in Estland, Lettland, Litauen (s. rechte Spalte)

Quelle: Deutscher Industrie- und Handelskammertag, DIHK-Courier 25/2008 und Meldung auf der Internetseite der Deutsch-Baltischen Handelskammer in Estland, Lettland, Litauen vom 17.06.2008