Fachkräfte sind in Argentinien trotz Wirtschaftsflaute knapp

Nach Einschätzung von Fachleuten kann in Argentinien ein großer Teil der noch nicht beschäftigten Personen aufgrund einer zu geringen Qualifikation kaum in den Arbeitsprozess integriert werden. Qualifizierte Arbeitskräfte sind dagegen in vielen Branchen knapp.

Informelle Arbeitsverhältnisse weit verbreitet

Die deutlich verschlechterte Gesamtkonjunktur Argentiniens dürfte 2014 auch auf dem Arbeitsmarkt Spuren hinterlassen. Fachkräfte bleiben jedoch knapp.

Unternehmen werben vor allem mit Zusatzleistungen und attraktiven Arbeitsbedingungen. Eine Abwertung des argentinischen Peso hat den vorherigen Anstieg der Arbeitskosten in Fremdwährung teilweise korrigiert.

Die Arbeitslosenquote sank im 4. Quartal 2013 laut dem Statistikamt Indec auf 6,4 Prozent (weitere 7,8 Prozent gelten als unterbeschäftigt). Der Rückgang beruht jedoch nicht auf steigender Beschäftigung. Ökonomen sind der Meinung, dass verschlechterte Chancen einen Arbeitsplatz zu finden viele Arbeitssuchende zur Aufgabe verleiten.

Andere Beobachter argumentieren, die umfangreichen Sozialprogramme der Regierung würden eine Erberbstätigkeit für Geringverdiener unattraktiv machen.

Neue Stellen wurden zuletzt vornehmlich beim Staat geschaffen. Im weiteren Jahresverlauf 2014 dürfte sich die deutliche Abschwächung der Gesamtkonjunktur auf dem Arbeitsmarkt niederschlagen. Unabhängige Konjunkturexperten erwarten 2014 bestenfalls ein geringes Wirtschaftswachstum.

Nach Einschätzung von Fachleuten kann ein großer Teil der noch nicht beschäftigten Personen aufgrund einer zu geringen Qualifikation kaum in den Arbeitsprozess integriert werden. Qualifizierte Arbeitskräfte sind dagegen in vielen Branchen knapp.

Fachleute rechnen damit, dass die Unternehmen trotz der gegenwärtig schwachen Konjunktur kaum Fachkräfte entlassen werden, in deren Ausbildung sie häufig viel investiert haben.

Eine Abwertung des argentinischen Peso um 23 Prozent gegenüber dem US-Dollar im Januar 2014 hat erstmals seit vielen Jahren einen Rückgang der Arbeitskosten auf Fremdwährungsbasis bewirkt. Für 2014 prognostizieren Banken und Beratungsunternehmen eine Inflationsrate in der Größenordnung von 35 bis 40 Prozent. Die Beratungsfirma Econométrica erwartet 2014 für (offiziell registrierte) Arbeitnehmer in der Privatwirtschat einen Anstieg der nominalen Löhne um 29 Prozent und einen Rückgang der Reallöhne um 6,4 Prozent.

Die normale Arbeitszeit beträgt acht Stunden pro Tag und maximal 48 Stunden in der Woche. Überstunden sind weit verbreitet, obwohl sie laut Gesetz mit hohen Zuschlägen vergütet werden müssen. Die Regierung hat in den vergangenen Jahren eine Reihe zusätzlicher Feiertage eingeführt (2014 gibt es insgesamt 18 Feiertage).

Die Arbeitszeiten wurden bislang wenig flexibel gehandhabt (in der Regel von 9 bis 18 Uhr). Doch zunehmend kommt es zur Lockerung. Gleitende Arbeitszeiten, Teilzeitjobs oder Möglichkeiten der Telearbeit sind immer häufiger Teil eines Anreizpakets, um Mitarbeiter zu halten und für ein gutes Arbeitsklima zu sorgen. Zeitarbeit ist in Argentinien noch nicht sehr verbreitet (0,4 Prozent der insgesamt Beschäftigten).

Argentiniens Arbeitskräfte gelten als gut ausgebildet - besonders im Vergleich zu anderen Ländern Lateinamerikas. Bei der Einschreibungsquote für ein Studium oder eine andere tertiäre Ausbildung liegt Argentinien laut Daten der Vereinten Nationen (UNDP) mit  Prozent deutlich über dem lateinamerikanischen Durchschnitt (43 Prozent). Allerdings fehlen Ingenieure und Techniker. Mangelnde Fremdsprachenkenntnisse können ein bedeutender Engpass bei der Personalsuche sein.

Argentinien weist einen sehr hohen Anteil an informellen Arbeitsverhältnissen auf, der zuletzt leicht zugenommen hat. Nach offiziellen Angaben sind rund 35 Prozent der Beschäftigten nicht bei den Behörden registriert. Zudem erhalten auch viele offiziell angemeldete Arbeitnehmer einen Teil ihrer Einkünfte unregistriert. In den lokalen Niederlassungen ausländischer Konzerne ist Schwarzarbeit jedoch nicht üblich.

Die Arbeitskosten im formellen Sektor sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Dies konnte nur teilweise durch Steigerungen der Produktivität aufgefangen werden. Die durchschnittlichen monatlichen Arbeitskosten in der verarbeitenden Industrie sind nach Berechnung der Stiftung für Wirtschaftsforschung FIEL von 2003 bis 2013 auf US-Dollarbasis um 322 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum hat die mittlere Arbeitsproduktivität um 64 Prozent zugenommen.

Die Gewerkschaften haben in Argentinien schon seit den 50er Jahren eine sehr starke Position. In der Regel können sich Regierungen, die von der peronistischen Bewegung gebildet werden, besonders gut mit den Gewerkschaften arrangieren. In den letzten beiden Jahren hat ein großer Teil der Gewerkschaften einen konfrontativen Kurs. Beobachter rechnen angesichts der Verteilungskämpfe mit einer Zunahme der Arbeitskonflikte.

Trotz der schlechteren Gesamtkonjunktur und geringerer Investitionen ist der Markt für Fachkräfte weiterhin angespannt. Vor allem Ingenieure, Techniker und Informationstechnologie-Spezialisten sind gefragt und schwer zu finden.

Auf der Angebotsseite existiere ein wachsender Zustrom von Fachkräften aus Europa, beobachtet Miguel Carugati von dem Beratungsunternehmen PageGroup und nennt insbesondere Spanier, Franzosen, Portugiesen sowie Deutsche.

Personalvermittlungsagenturen werden nur für die Suche nach Fach- und Führungskräften eingesetzt. Die Agenturen verlangen für ihre Dienste normalerweise ein bis zwei Bruttogehälter, die Hälfte davon zu Beginn der Suche. Ferner sind die Kosten für Stellenangebote, eventuell vorzunehmende Eignungstests und andere Spesen zu zahlen.

Hohe Inflation zieht hohe Lohnsteigerungen nach sich

Die Löhne und Gehälter steigen seit 2003 jedes Jahr mit zweistelligen prozentualen Zuwachsraten. Im Jahresverlauf 2013 haben die Löhne gemäß Daten des Statistikinstituts Indec durchschnittlich um 25,9 Prozent zugenommen. Am stärksten stiegen die Bezüge von Mitarbeiter des öffentlichen Sektors, die 2013 um durchschnittlich 40,2 Prozent angehoben wurden.

Die private Universität Ucema ermittelt seit März 2008 monatlich einen Preisindex für den Warenkorb eines leitenden Angestellten (Canasta del Profesional Ejecutivo, CPE).

Die Zusammensetzung dieses Preisindexes spiegelt laut Ucema die Verbrauchsgewohnheiten der Familie eines leitenden Angestellten der Mittelschicht wider, unter anderem mit einer stärkeren Gewichtung von Premium-Marken, Schulgebühren, Elektronikgütern, Wohnungsaufwand, Freizeit und Unterhaltung.

Der Ucema zufolge sind die Lebenshaltungskosten für leitende Angestellte von März 2008 bis Dezember 2013 um 221 Prozent gestiegen (während das Statistikamt Indec für den gleichen Zeitraum einen Anstieg der Verbraucherpreise um 68 Prozent ausweist). Im Jahresverlauf 2013 stieg der CPE um 26,3 Prozent, während die Inflationsrate laut Indec 10,9 Prozent betrug. Im März 2014 waren die Lebenshaltungskosten einer Führungskraft laut CPE um 34 Prozent höher als im gleichen Vorjahresmonat.

Geringe Flexibilität bei Löhnen

Auf den Abschluss von schriftlichen Arbeitsverträgen wird meist verzichtet, die allgemeinen Bedingungen werden durch das Arbeitsrecht (Ley de Contratos de Trabajo, Nr. 20.744) und die jeweiligen Branchentarifverträge geregelt.

Gemäß Global Competitiveness Report 2013-2014 des Weltwirtschaftsforums liegt Argentinien bei der Bewertung der "Effizienz des Arbeitsmarkts" in einem Ranking von 148 Ländern lediglich auf Rang 144.

Besonders schlecht bewertet werden die Flexibilität der Lohnfindung, Effekte der Besteuerung auf den Anreiz zu arbeiten, Lohnkosten und Produktivität, die Praxis von Einstellung und Kündigung sowie die Kooperation zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Die Kosten der Entlassung von Mitarbeitern sind im internationalen Vergleich hoch. Die Rechtsprechung hat eine Mindestentschädigung von 67 Prozent des höchsten Monatsgehalts der letzten 12 Monate für jedes geleistete Arbeitsjahr festgelegt. Arbeitsgerichte entscheiden in der Regel zugunsten des Arbeitnehmers. Die häufig sehr hohen Streitwerte, die von den Arbeitnehmern eingeklagt werden, können allerdings oft in einem Vergleich stark reduziert werden.

Wenngleich die Schwarzarbeit in Argentinien sehr weit verbreitet ist, sehen die Tochtergesellschaften von ausländischen Unternehmen in der Regel aus gutem Grund von der Beschäftigung unangemeldeter Mitarbeiter ab. Denn informell beschäftigte Angestellte können die vollen Rechte eines offiziell angestellten Arbeitnehmers relativ leicht einklagen. Vor allem bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses wird dies oft getan, auch wenn kein Konflikt zur Beendigung geführt hat.

Über Neuigkeiten der Arbeitsrechtsprechung und andere Arbeitsrechtsfragen informiert in spanischer Sprache die Internetseite derechotrabajo.com.ar.

Deutschsprachige Beratung zu Personal- und Arbeitsrechtsfragen bieten die Deutsch-Argentinische Industrie- und Handelskammer sowie verschiedene private Beratungsfirmen.

Hinweis


Der Artikel ist stark gekürzt. Die Vollversion der Publikation "Lohn- und Lohnnebenkosten - Argentinien" mit weiteren Informationen zur Lohnentwicklung, Arbeitsrecht in Theorie und Praxis sowie Links und Kontaktanschriften zu relevanten Einrichtungen ist auf der Interetseite von Germany Trade and Invest (GTAI) nach einer kurzen Registrierung kostenlos abrufbar.


Quelle: Germany Trade and Invest GTAI, Die GTAI Online-News, 25.06.2014