Arabische Länder: Exportschlager deutsche Bildung

Millionen junger Araber sind auf der Suche nach einer guten Ausbildung. Deutsche Firmen nutzen das Potenzial und verkaufen ihr Wissen an Universitäten und Schulen.

Mohammed Vaizullah Sharieff sitzt mal wieder im Flieger. Dieses Mal geht es von Dubai aus nach Oman. Das "Royal Guard of Oman Technical College" will seine Unterrichtslabore für angehende Elektroniker auf den neuesten Stand bringen. Sharieff wird sich die Lage vor Ort anschauen, mit Lehrkräften sprechen und klären, welche neuen Geräte oder Lehrmaterialien die Hochschule braucht. "Der Bedarf ist enorm in Oman", sagt Sharieff. Labore oder Schulungsunterlagen in vielen Schulen oder Universitäten seien extrem veraltet.

Der Verkaufsmanager arbeitet für den Kerpener Bildungsanbieter Lucas-Nülle Training Systems. Seit 1979 beliefert das Unternehmen arabische Staaten, darunter den Libanon, die Vereinigten Arabischen Emirate, den Irak, Sudan oder Libyen. Auftraggeber sind die Regierungsbehörden, die Hochschulen und zunehmend private Investoren im Nahen Osten. Entwickelt und produziert wird in Deutschland. Zunehmend fragen auch deutsche Entwicklungsbehörden, wie die GIZ, die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, bei Lucas-Nülle an.

Die Hochschule in Oman hat sich auf die Ausbildung in technischen Berufen spezialisiert. Elektronik, Elektrotechnik, Kraftfahrzeugtechnik, Automatisierungstechnik: Lucas-Nülle plant die Ausbildung, liefert die Ausrüstung und schult auch die einheimischen Trainer. Das ganze Paket kostet die Hochschule rund eine halbe Million Euro. "Im berufsqualifizierenden Bereich sind Kenntnisse in Theorie und Praxis wichtig", sagt Volker Hagmann, Senior Vice President bei Lucas-Nülle. Die Weiterbildungsangebote sollen gezielt angehende Fachkräfte ansprechen.

Insgesamt erwirtschaftet Lucas-Nülle 40 Millionen Euro im Jahr. Rund ein Viertel des Umsatzes macht die Firma mit dem Verkauf von Bildungssystemen in die arabische Welt. "Besonders Oman, Jemen, Saudi-Arabien und die Emirate geben aktuell sehr viel Geld für die berufliche Aus- und Weiterbildung aus", sagt Hagmann. "Sie haben insgesamt eine hohe Arbeitslosigkeit und unternehmen enorme Anstrengungen um die eigene Jugend für den wachsenden Arbeitsmarkt zu qualifizieren."

Rund 60 Prozent der Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt. Schätzungen zufolge sind dies mehr als 180 Millionen Menschen. Sie alle sind auf der Suche nach einer guten Ausbildung, die ihnen Jobs garantiert. Doch für viele Berufe gibt es in den Ländern nicht die Ausbildungsangebote, die der Arbeitsmarkt fordert.

Das Geschäft mit der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften boomt daher. "Die Länder investieren massiv in den Sektor, weil sie erkannt haben, dass ihre Wettbewerbsfähigkeit maßgeblich von dem Ausbildungsstand ihrer Bevölkerung abhängt", sagt Abdulaziz Al-Mikhlafi, Generalsekretär der Ghorfa, der deutsch-arabischen Industrie- und Handelskammer. "Zugleich geht es darum, die Zukunftschancen der jungen Menschen in der Region zu verbessern."

Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) zufolge lohnt sich der Verkauf deutscher Bildungsangebote im Ausland mittlerweile mehr als im Inland. Gefragt sind Lehrmaterialien für alle Branchen und Industriezweige. Neben der steigenden Konsumlust der Araber profitieren deutsche Geschäftsleute außerdem von den Investitionsplänen der Golfstaaten, die sich überaus ehrgeizige Ziele gesetzt haben. Alleine im Bausektor sind bis zum Jahr 2020 Großprojekte im Wert von mehr als 660 Milliarden Euro geplant.

Darauf hofft auch der unterfränkische Baustofflieferant Knauf. Ausgebombte Krankenhäuser, Schulen und Einkaufszentren prägen das Stadtbild Bagdads. Der vom Bürgerkrieg gezeichnete Irak ist mit dem Wiederaufbau der Infrastruktur beschäftigt. Die neuen Häuser könnten die Handschrift deutschen Handwerks tragen.

Gemeinsam mit der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), einer Tochtergesellschaft der KfW [Kreditanstalt für Wiederaufbau], will Knauf ein Ausbildungszentrum für Architekten, Ingenieure und Handwerker eröffnen. "Das Land soll von den eigenen Leuten aufgebaut werden", sagt Fehmi Devrim Günçe, Exportmanager bei Knauf. Das Unternehmen liefert das Fachwissen was Trockenausbau und die Verarbeitung von Baustoffen angeht, die Universität vergibt Trainingszertifikate an die Teilnehmer. Rund zwei Millionen Euro ist Knauf das Zentrum Wert.

Monatelang hat die Geschäftsführung im unterfränkischen Iphofen mit der Universität Bagdad und irakischen Regierungsvertretern verhandelt. Spätestens im Juni 2014 sollen nun die ersten 500 Iraker ausgebildet werden. Das Projekt hilft nicht nur den Einheimischen, sondern ist auch ein gutes Geschäft für das Unternehmen. "Mehr als 2,5 Millionen Wohnungen sollen im Irak bis 2020 gebaut werden", sagt Günçe. "Da wollen wir dabei sein." Wie hoch der Gewinn sein könnte, darüber will der Exportmanager nicht sprechen. Sicher ist, dass es ein Millionengeschäft wird.

Seit Jahrzehnten exportiert Knauf in Länder des Nahen und Mittleren Osten. Mehr als 23.000 Mitarbeiter beschäftigt die Firma weltweit, der Umsatz liegt pro Jahr bei rund sechs Milliarden Euro. Mit der Ausbildung von Einheimischen wolle man zeigen, wie man auch anders bauen kann, sagt Günçe. Iphofen oder Badgad – die Bauweise soll am Ende einheitlich sein. Dass die alltägliche Gewalt, Bombenexplosionen und Anschläge die Arbeit vor Ort erschweren, dessen ist sich auch Günçe bewusst. "Aber der Irak ist das stabilste Land in der Region."

Die unsichere politische Zukunft in vielen arabischen Staaten schreckt auch Bildungsanbieter Lucas-Nülle nicht ab. Sowohl die Kerpener als auch Baustofflieferant Knauf wollen expandieren. Libyen zum Beispiel, sagen Vertreter beider Firmen, sei interessant.


Quelle: Die Welt, welt.de, 30.11.2013