Indonesien: Hohe Unterbeschäftigung prägt weiterhin den Arbeitsmarkt

In Indonesien steigt der Mindestlohn in manchen Regionen um bis zu 44 Prozent. Indonesien bleibt jedoch ein Entwicklungsland mit einer hohen Unterbeschäftigung und einem geringen Angebot an qualifizierten Kräften.

Kaum ein Thema hat die Unternehmerschaft Indonesiens aktuell so bewegt wie die Anhebung der Mindestlöhne zum 1.1.13. Für Jakarta steigt der Satz um sage und schreibe 44 Prozent. Dass in zahlreichen Regionen das Lohnniveau immer noch bei 70 bis 80 Euro lag, fand indes kaum Beachtung. Indonesien bleibt ein Entwicklungsland mit einer hohen Unterbeschäftigung und einem geringen Angebot an qualifizierten Kräften.

 

Große regionale Schwankungen bei der Erhöhung des Mindestlohns

 

Der Arbeitsmarkt Indonesiens wird von einem großen Thema beherrscht: dem teilweise rasanten Anstieg der gesetzlichen Mindestlöhne. Zum 1.1.13 haben die 33 Provinzen/Städte des Landes die entsprechenden Sätze im Durchschnitt um 18 Prozent angehoben.

Das ist zwar ein vergleichsweise normaler Wert, denn in Thailand oder der Volksrepublik China müssen die Unternehmer mit ähnlichen Steigerungsraten kalkulieren. Jedoch leiden die Firmen unter der geringen Vorhersehbarkeit der Lohnentwicklung sowie unter den - scheinbar rein politisch motivierten - großen Schwankungen zwischen den Regionen.

So hatten zum Jahresanfang 2013 einige Provinzen ihre Mindestlöhne nur um ein paar Prozentpunkte erhöht. Andere wiederum nahmen einen kräftigen "Schluck aus der Pulle". So stiegen die Sätze in Jakarta um stolze 44 Prozent auf rund 170 Euro. Damit ist zumindest die Hauptstadt keine klassische Niedriglohnregion mehr. Was 2014 und danach passieren wird, kann indes keiner voraussehen.

Für ein Unternehmen sei es aber von großer Wichtigkeit, ob die Löhne seiner Mitarbeiter um 4 oder 40 Prozent stiegen, beklagen Landeskenner. Ohne diese Gewissheit lasse sich keine vernünftige Preiskalkulation machen. Auch hängen von der Lohnentwicklung weitere wichtige unternehmerische Entscheidungen ab, wie beispielsweise Investitionen in die Automatisierung der Fertigung.

Zudem dürften die Lohnanpassungen in 2013 auch die Standortentscheidungen der Unternehmen beeinflussen. So hatten sich in der Vergangenheit vermehrt Firmen aus der klassischen Leichtindustrie in Indonesien angesiedelt. Sie waren teilweise aus der Volksrepublik China - dort sind die Arbeitsentgelte in der Vergangenheit rasant gestiegen - abgewandert.

Die Schuhindustrie bildete die Speerspitze dieser Bewegung, die nun aber nach Einschätzung von Branchenkennern zum Erliegen kommen könnte.

"Unterm Strich" hat die Lohndiskussion dem Land aber überraschenderweise bisher kaum geschadet. Im Gegenteil: Die ausländischen Direktinvestitionen stiegen 2012 um rund ein Viertel auf 23 Milliarden US-Dollar. Auf Pro-Kopf-Basis ist Indonesien damit bereits an der Volksrepublik China vorbeigezogen. Für 2013 wird ein weiterer Anstieg der Kapitalströme auf 28 Milliarden Dollar erwartet.

Indonesiens Wirtschaft boomt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs zwischen 2009 und 2012 um real mehr als 6 Prozent per annum. Für 2013 und 2014 wird ebenfalls eine Sechs vor dem Komma erwartet.

Das lebhafte Wachstum hat aber die hohe Erwerbslosigkeit kaum verringern können. Dies liegt unter anderem daran, dass das verarbeitende Gewerbe - im Gegensatz zu Malaysia oder der Volksrepublik China - eine nur untergeordnete Rolle spielt. Sein Anteil an der BIP-Entstehung lag 2012 nur bei rund einem Viertel. Zudem beschäftigte es 2010 - das sind die letzten verfügbaren Daten - gerade einmal 4,5 Millionen Menschen bei einer Bevölkerung von über 240 Millionen.

Die Situation am Arbeitsmarkt bleibt daher weiterhin schwierig. Die offizielle Arbeitslosenquote wurde Anfang 2013 mit 6,3 Prozent angegeben. Doch von den fast 120 Millionen Erwerbstätigen dürfte nach Einschätzung eines Vertreters der Weltbank weniger als die Hälfte einer produktiven Tätigkeit nachgehen.

Der Rest hält sich mit Hilfe von Gelegenheitsjobs "über Wasser". Die tatsächliche Arbeitslosigkeit (inklusive Unterbeschäftigung) dürfte bei etwa 50 Prozent liegen.

 

Gewerkschaften spielen große Rolle

 

Es existieren starke und gut organisierte Gewerkschaften. Sie sichern klare Arbeitszeit-, Vergütungs- und Kündigungsregeln. Diese sind sehr arbeitnehmerfreundlich. So ist es schwierig, einen Angestellten wegen schlechter Leistung zu kündigen. Dazu müssen zunächst mehrere Abmahnungen geschrieben werden. Anschließend ist in der Regel eine hohe Abfindung notwendig. Die Arbeitgeber müssen daher mit entsprechenden Rückstellungen kalkulieren.

Insgesamt entspricht das Arbeitsrecht eher dem Standard einer westlichen Industrienation als dem eines asiatischen Entwicklungslandes. Dennoch lässt sich durch die ausgeglichene Mentalität fast jeder Konflikt am Arbeitsplatz auch mit etwas gutem Willen lösen. Die unterschiedlichen Gruppen in den Unternehmen wissen sehr gut, dass sie zum gemeinsamen Erfolg aufeinander angewiesen sind und suchen auch hier den Ausgleich.

Die schwierigen und kostspieligen Kündigungsbedingungen sorgen allerdings dafür, dass Unternehmen bevorzugt auf der Basis von Zeit- oder "Freelance"-Verträgen operieren. Für die indonesischen Gewerkschaften ist die Frage der Leih- und Vertragsarbeit eines der wichtigsten Themen.

Eine vom Metall-Gewerkschaftsbund SPMI und der Forschungsinstitution Aktiga 2010 durchgeführte Studie über Leih- und Vertragsarbeit in der Metallindustrie in Jakarta, Ost-Java und Batam stellte fest, dass fest angestellte Arbeitnehmer mittlerweile deutlich in der Minderheit sind und dass Zeitarbeiter erwartungsgemäß deutlich geringere Löhne und schlechtere Arbeitsbedingungen haben.

Die Betriebstreue ist in Indonesien gering. Die Angestellten wechseln oft für einige Euro mehr im Monat ihren Arbeitgeber. Dies ist umso problematischer, da es keine Facharbeiter gibt und eine Firma ihre Mitarbeiter oft mühsam anlernen muss. Mit jedem Jobwechsel geht dadurch viel Know-how verloren.

Unternehmen müssen sich daher einiges einfallen lassen, um ihre Angestellten bei der Stange zu halten. Jährliche Einkommenssteigerungen, großzügige Boni und Treueprämien ermöglichen dies ebenso wie eine gute persönliche Beziehung und offene Kommunikation zwischen der Führungsebene und den Untergebenen.

 

Nur 5 Prozent der arbeitenden Bevölkerung verfügen über Hochschulabschluss

 

Die Ausbildungsstatistik verdeutlicht die bestehenden Defizite am Arbeitsmarkt. Dem Vernehmen nach verfügen mehr als 30 Prozent der Erwerbsfähigen über keinen Grundschulabschluss. Lediglich rund 5 Prozent der arbeitenden Bevölkerung haben erfolgreich ein Studium absolviert. Das führt dazu, dass trotz der sozialen Probleme qualifizierte Stellen vakant bleiben. Es mangelt insbesondere an Managementfähigkeiten.

Jakarta muss den WTO-Auflagen nachkommen und den Arbeitsmarkt öffnen, was eigentlich schon für 2003 vorgesehen war. Auch eine Liberalisierung innerhalb der Staatengemeinschaft ASEAN steht auf dem Plan.

Die Bereiche Energie, Bildung, Bauwirtschaft, Finanzdienstleistungen und Gesundheitswesen stünden dabei im Vordergrund, kündigte das Ministry of Manpower and Transmigration an. Derweil bleibt unklar, inwiefern sich dies auf das allgemeine Lohnniveau und die Funktion der Mindestlöhne auswirken wird.

Für multinationale Unternehmen erweist sich die Personalsuche oftmals nicht gerade als "Selbstläufer". Meist hilft dabei ein lokaler Partner. Des Weiteren sind Vermittlungsagenturen aktiv, die jedoch nicht pauschal beziehungsweise Branchen übergreifend empfohlen werden.

Wer den Einstieg in den Markt bereits bewerkstelligt hat, verfügt im Regelfall über Beziehungen, die zu einem gefüllten Postfach führen, wenn eine Vakanz bekannt wird. Gerade Führungspositionen oder technisch anspruchsvollere Stellen sind jedoch nur schwer zur beiderseitigen Zufriedenheit zu besetzen, wie immer wieder beklagt wird.

Hinweis

Dieser Artikel ist gekürzt. Die Vollversion der Lohn- und Lohnnebenkosten Indonesien 2013 - mit Informationen zum Gehaltsgefüge und Arbeitsrecht sowie kulturellen Besonderheiten - ist für (kostenfrei) registrierte Nutzer bei Germany Trade and Invest GTAI abrufbar.


Quelle: Germany Trade & Invest GTAI, Newsletter „Länder.Märkte.Chancen. Die GTAI Online-News“, 15.05.2013