Deutschland und Marokko beschließen engere wirtschaftliche Zusammenarbeit

Deutschland und Marokko beschließen in den Bereichen Energiewirtschaft, Transportwesen, Aus- und Fortbildung sowie im Gesundheitssektor stärker zu kooperieren.

 

Umfangreiche Bemühungen der Regierung, die Infrastruktur auszubauen und neue Industrien anzusiedeln, bieten neue Geschäftschancen. Das Wohnungsbauministerium will bis 2020 zahlreiche Sozialwohnungen bauen.

 

Im Rahmen der ersten Sitzung der Deutsch-Marokkanischen Gemischten Wirtschaftskommission am 24.10.12 in Berlin haben sich der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Philipp Rösler und der marokkanische Wirtschaftsminister Abdelkader Amara für eine intensivere wirtschaftliche Zusammenarbeit ausgesprochen.

 

"Marokko hat auf den Arabischen Frühling mit politischen und wirtschaftlichen Reformen reagiert. Das Land kann sich durch seine geostrategische Lage an der Schnittstelle zwischen Europa und Afrika, Atlantik und Mittelmeer zu einem bedeutenden Produktionsstandort und zu einer Drehscheibe für den Handel mit Waren und Dienstleistungen entwickeln", so Rösler.

 

Marokkanische Stellen wünschen sich eine Präsenz der deutschen Wirtschaft, die ihrem internationalen Gewicht entspricht. Auch verweisen sie auf die noch zu schwach entwickelten marokkanischen Ausfuhren nach Deutschland, insbesondere in den Bereichen Nahrungsmittel, Textilien und Kraftfahrzeug (Kfz)-Teile.

 

Die Deutsch-Marokkanische Gemischte Wirtschaftskommission haben Anne Ruth Herkes, Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, und der marokkanische Wirtschaftsminister geleitet. Thema waren insbesondere die Kooperationsfelder Energie, Investitionen, Transport, Aus- und Weiterbildung sowie der Gesundheitssektor.

 

Vertreter beider Seiten haben unter anderem erklärt, die Zusammenarbeit von Germany Trade and Invest (GTAI) und dem marokkanischen Wirtschaftsinstitut Invest in Marokko (AMDI) vorantreiben zu wollen.

 

Zulieferindustrie für Flugzeugbau investiert in Marokko

 

Nach Boeing und Airbus investiert der kanadische Flugzeugbauer Bombardier in Marokko. Für den Kauf eines Grundstückes ist eine Absichtserklärung zwischen dem Unternehmen und Midpark Invest, Gesellschaft für die Verwaltung der Freihandelszone bei Casablanca, unterzeichnet worden. Laut Bombardier plant das Unternehmen bis 2020 Investitionen in Höhe von 200 Millionen US-Dollar und 850 Arbeitsplätze.

 

Der Bau der Fabrik soll 2012 beginnen und die Produktion von Flugzeugskomponenten 2013 anlaufen. Ebenso investiert der französische Zulieferer Ratier-Figeac in Marokko. Es sind 150 Arbeitsplätze bis 2015 vorgesehen. Geplant ist die Montage von Kabinenausstattungen und Cockpits.

 

Bereits 2010 hat das weltweit führende Unternehmen der Kabelindustrie Nexans den Betrieb eines Werkes in Marokko aufgenommen. Die Fabrik beliefert den Flugzeughersteller Airbus mit Kabel für die Modelle A320, A350 und A380. Zwischen 2001 und 2011 ist die Zahl der Unternehmen, die im Bereich der Luftfahrtindustrie in Marokko tätig sind, von 10 auf 100 angewachsen.

 

Die Branche beschäftigt mittlerweile rund 8.500 Personen. Nach Informationen der marokkanischen Zeitung Le Matin hat die marokkanische Zulieferindustrie für den Flugzeugbau Waren im Wert von rund 458 Millionen Euro exportiert.

 

Renaultwerk bei Tanger sorgt für steigende Pkw-Exporte

 

Marokko hat seine Ausfuhren an Personenkraftwagen (Pkw) bis Ende September 2012 gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres verfünffacht und lag bei umgerechnet 305 Millionen Euro. Der Grund: Im Februar 2012 hat ein Renault-Werk mit der Produktion angefangen. Ziel ist bis 2014 ein Produktionsvolumen von 340.000 Pkw der Marke Dacia, vor allem für den Export nach Europa.

 

Für 2013 ist eine Erweiterung des in der Nähe des 2007 eröffneten Tiefseehafens Tanger gelegenen Produktionsstandorts vorgesehen. Mit der insgesamt rund 1 Milliarde Euro teuren Investition schafft die Automobilfabrik 6.000 direkte und 30.000 indirekte Arbeitsplätze.

 

Laut dem marokkanischen Automobilverband (AMICA) hat die Kfz-Industrie bis Juli 2012 Exporte (Kfz und Kfz-Teile) in Höhe von 15 Milliarden Dirham (DH, rund 1,3 Millionen Euro) erzielt. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Zuwachs von 11 Prozent.

 

Auf Anfrage der GTAI bestätigte die AMICA (Association Marocaine pour l'Industrie et le Commerce de l'Automobile), dass sie derzeit eine Roadmap für 2015 herausarbeite mit dem Ziel, ab 2015 einen jährlichen Exportumsatz von 40 Milliarden DH (rund 3,6 Milliarden Euro) zu erreichen.

 

Der Aktionsplan für die marokkanische Kfz-Industrie wird auf der alle zwei Jahre stattfindenden "Automotive Meeting Tanger Med" am 22. und 23. November 2012 vorgestellt. Dadurch sollen Konstrukteure, Autozubehöranbieter und Autozulieferer unterstützt werden. Das Konzept der AMICA sieht weitere 30.000 qualifizierte Arbeitsplätze in der Kfz-Branche vor.

 

Aktuell sind in der Branche 57.000 Personen beschäftigt. Der marokkanische Staat fördert Ausbildungsprogramme, die auf die Autoindustrie zugeschnitten sind.

 

Die AMICA ist in vier staatlich geförderten Ausbildungszentren engagiert: zwei in Tanger, eines in Kenitra und ein in Casablanca.

 

Programm zum Bau günstiger Wohnhäuser

 

Mit dem für 2010 bis 2020 vorgesehenen Plan de Relance des Logements Sociaux beabsichtigt das Wohnungsbauministerium (Ministère de l'Habitat, de l'Urbanisme et de l'Aménagement de l'Espace) den Bau vor allem von Sozialwohnungen, um das Defizit von rund 1 Million Wohnungen zu reduzieren. Die Regierung plant den Bau von 131.000 Wohnungen pro Jahr. Ausschreibungen für den sozialen Wohnungsbau sind öffentlich und international.

 

Die marokkanische Regierung will mit dem Programm den Bürgern mit niedrigen Einkommen günstige Wohnungen zugänglich machen. Bislang sieht das Programm die Bereitstellung von kleinen Häusern von 50 bis 60 Quadratmetern vor. Für 2013 wird den Bau von größeren Wohnungen diskutiert, so dass der Mittelstand zum Zuge kommen kann.

 

Schwächere Tourismuszahlen

 

Laut marokkanischer Statistikbehörde sind die Touristeneinkommen in den ersten drei Quartalen von 43,738 Milliarden DH (rund 3,9 Milliarden Euro) gegenüber dem Quartal des Vorjahres auf 45,363 Milliarde DH zurückgegangen. Dies entspricht einem Rückgang von 3,6 Prozent.

 

Grund für die geringeren Tourismuszahlen ist die schwache Konjunktur im Euroraum, insbesondere in den Südstaaten der Europäischen Union.

 

Nach dem Regierungsplan Vision 2020 soll der Umsatz im Tourismussektor und die Zahl ausländischer Touristen bis 2020 verdoppelt werden. Das Königreich hat die Ambition, weltweit Platz 20 im Ranking der Tourismusländer zu belegen.

 

Für die Verwirklichung der Vision 2020 sind der Ausbau existierender Touristenortschaften und der Aufbau von neuen touristischen Destinationen geplant. Neben den zwei bestehenden großen Destinationen Marrakesch und Agadir sollen noch sechs weiteren gebaut werden.

 

Das Programm sieht für das nordafrikanische Land einen nachhaltigen Tourismus vor, betonen staatlichen Stellen. Ein weiteres Element sei der inländische Tourismus, der sich verdreifachen soll.


Quelle: Germany Trade& Invest, gtai Newsletter, 2011.2012