Saudi-Arabien: Massive Investitionen in den Bildungsstättenbau

Das Königreich Saudi-Arabien investiert auch bei Bauleistungen massiv in den Bildungssektor. Rund 3.350 Schulen sind derzeit im Bau, mit der Errichtung weiterer 1.500 soll noch im laufenden Jahr begonnen werden.


Saudi-Arabien setzt auf nachhaltiges Bauen

Bezahlbarer Wohnraum statt Luxusarchitektur/Massive Investitionen in den Bildungsstättenbau

Saudi-Arabien verfügt über ein großes Defizit an bezahlbaren Wohnungen. Das Land setzt bei der Durchführung entsprechender Bauprojekte auf private Bauentwickler und Investoren. Auch öffentliche Bauvorhaben werden vorangetrieben, mit Fokus auf Bildungseinrichtungen. 3.350 Schulen werden derzeit gebaut, weitere 1.500 sollen im Laufe des Jahres folgen sowie zahlreiche Universitäten. Von Januar bis April 2009 wurden Aufträge im Umfang von 9 Mrd. US$ vergeben. Bauleistungen sind so günstig wie seit Jahren nicht mehr.

Die globale Wirtschafts- und Finanzkrise macht auch vor dem reichen Saudi-Arabien nicht halt und hat den fünf Jahre anhaltenden Bauboom Ende 2008 erst einmal beendet. Schon Anfang der 80er Jahre war der Grundstein gelegt worden, als die Regierung ihr erstes ökonomisches Diversifikationsprogram "weg vom Öl" vorstellte. Über die Jahre waren die Strategien ausgebaut und verfeinert worden und kulminierten dann in den letzten Jahren mit der Präsentation gigantischer städtebaulicher Großprojekte, allen voran die King Abdullah Economic City. Während sich Dubai weltweit mit großem Medienrummel für seine Vorzeigeprojekte wie dem Luxushotel Burj Al Arab und den Mega-Turm Burj Dubai feiern ließ, plante Saudi-Arabien relativ wenig beachtet mehrere neue Wirtschaftsstädte und gleich mehrere Dutzend industrieller Standorte.

Der große Unterschied zum kleinen Nachbarn Dubai: Das an Öl reiche Saudi-Arabien baut für seine rapide wachsende einheimische Bevölkerung, die Wohnraum und Beschäftigung braucht und nur so mittel- bis langfristig zufriedengestellt werden kann. Das an Öl arme Dubai will sich hingegen als Logistikhub und Tourismuszentrum etablieren und mit dem erwirtschafteten Geld seinen Way of Life finanzieren. Als logische Konsequenz sind deshalb auch ausländische Käufer von Ferienwohnungen und Zweitwohnsitzen in Dubai willkommen - in Saudi-Arabien aber nicht.

Und noch einen zweiten Unterschied gibt es: Die treibende Kraft der Bauentwicklung von Dubai und auch Abu Dhabi sind die großen Entwicklungsgesellschaften der Scheichtümer, während Saudi-Arabien sehr viel mehr auf private Bauentwickler und Investoren setzt. Das Modell Dubai hat den Vorteil, dass der Herrscher binnen kürzester Zeit über riesige Bauentwicklungsvorhaben entscheiden kann und bekanntermaßen dann auf schnellste Terminerfüllung drängt, während dieser Prozess in Saudi-Arabien deutlich länger dauert und Termine und Vereinbarungen immer mal wieder auf den Prüfstand gestellt werden.

Dabei ist Saudi-Arabien nicht nur in religiösen und weltanschaulichen Dingen sehr konservativ, sondern auch in finanziellen Dingen. Der große Vorteil: Seinen Banken geht es relativ gut. Während die Zentralbank die Geldhäuser anhält, sich strikt an das vorgegebene Verhältnis von Krediten zu Einlagen von höchstens 85 Prozent zu halten (in den VAE 112 Prozent), wäre der Bauwirtschaft eine großzügigere Regelung lieber. Gleichzeitig sind aber Banken und Auftraggeber - den Crash in Dubai vor Augen - deutlich vorsichtiger geworden. Businesspläne werden sorgfältiger geprüft, Kalkulation erneut durchgerechnet. Konnten zuvor die Baufirmen die Bedingungen diktieren, sind es heute die Auftraggeber.

Dabei haben sich zu den inländischen Baufirmen mittlerweil eine Reihe ausländischer Wettbewerber gesellt, nachdem sich herumgesprochen hat, dass Saudi-Arabien durchaus das Geld hat weiterzumachen. Anlässlich des vom MEED organisierten Arabian World Construction Summit in Abu Dhabi im Februar 2009 befragte das Fachblatt 30 Spitzenvertreter regionaler Baufirmen nach ihren Marktpräferenzen für 2009. Die Hälfte hielt Saudi-Arabien gegenwärtig für den interessantesten Markt, gefolgt von den VAE und Katar. Rund 37 Prozent der Befragten glaubten, dass Infrastrukturprojekte wie Strom, Wasser und Abwasser die Mehrheit der Chancen bieten und nur ein Zehntel glaubte dasselbe vom Immobiliensektor.

Die positive Meinung über Saudi-Arabien hat seitdem zugenommen. Das Ende 2008 vorgestellte "Big-Spender-Budget" des Königreichs von 127 Millarden US$ zeigt Wirkung. "Den Ankündigungen sind auch Taten gefolgt," berichtet Gerd M. Doepner, Delegierter der Deutschen Wirtschaft im Deutsch-Saudi-Arabischen Verbindungsbüro für Wirtschaftsangelegenheiten (GESALO) in Riad. "Die öffentlichen Bauvorhaben werden fortgesetzt, es gibt sogar umfangreiche neue Aufträge. Der Bausektor kann bereits direkt davon profitieren."

Dabei setzt Saudi-Arabien auch neue Akzente: So investiert das Königreich zum Beispiel massiv in den Bildungssektor. Rund 3.350 Schulen sind derzeit im Bau, mit der Errichtung weiterer 1.500 soll noch im laufenden Jahr begonnen werden. Auch an Universitäten soll es künftig nicht fehlen. Alleine in den ersten vier Monaten 2009 wurden entsprechende Bauaufträge in einer Größenordnung von 9 Millarden US$ vergeben. "Saudi-Arabien will seine Infrastruktur nachhaltig auf ein neues Niveau heben und sieht dafür gegenwärtig einen sehr günstigen Zeitpunkt," sagt Doepner: "die Preise für Bau-Inputs und Bauleistung sind auf der Arabischen Halbinsel so günstig, wie seit Jahren nicht mehr."

Die großen Glanzprojekte in Dubai haben das Scheichtum weltweit berühmt gemacht, andere würden dies gerne nachmachen. Saudi-Arabien ist keine Ausnahme - auch wenn dies öffentlich abgestritten wird. Die neuen Vorzeigestädte, allen voran die King Abdullah Economic City, sprechen da eine andere Sprache. Überdies erfüllen weite Teile der Hauptstadt Riad kaum die Erwartungen eines Besuchers an die Hauptstadt eines reichen Königreiches. Verständlich, dass dies die Machthaber in ihrem Selbstverständnis stört, seitdem die Nachbarn zeigen, dass es auch anders geht.

Gebraucht aber werden eigentlich nicht Prestigeprojekte und Spielwiesen für Architekten sondern bezahl- und bewohnbare Unterkünfte für die sich rasch wachsende Bevölkerung. Alleine die heilige Stadt Mekka hat so viel Einwohner wie die gesamten VAE, während die saudi-arabische Bevölkerung mit 25 Millionen Einwohnern nahezu doppelt so groß ist wie die in Katar, Oman, Bahrain, Kuwait und in den VAE zusammen. Nach den letzten offiziellen Zahlen waren 2004 rund 38 Prozent der Bevölkerung jünger als 15 Jahre und nur 3 Prozent über 65. Die entsprechende Nachfrage nach Wohnraum und unterstützender Infrastruktur ist enorm.

Jedes Jahr drängen mehr als 100.000 saudi-arabische Staatsbürger neu auf den Arbeitsmarkt und können bislang nur zu gut einem Viertel absorbiert werden. Anders als zum Beispiel die VAE kann es sich Saudi-Arabien nicht leisten, seine gesamte einheimische Bevölkerung im öffentlichen Dienst unterzubringen oder gänzlich zu alimentieren. In den 80er und 90er Jahren, als die Ölpreise niedrig waren, mussten viele saudi-arabische Staatsbürger sogar einfache Beschäftigungen annehmen, was in den VAE undenkbar wäre.

Um seiner Bevölkerung eine "angemessene" Beschäftigung zu ermöglichen, setzt die Regierung deshalb auf den Bau neuer Industrie- und Wirtschaftsstädte, wie dem Megaprojekt King Abdullah Economic City nördlich von Djiddah. Wie von den VAE vorgemacht, gilt die Philosophie, zunächst Kapazitäten zu schaffen, die dann ihre eigene Nachfrage generieren. Dafür ist wie in Dubai ein gesamtwirtschaftlicher Ansatz notwendig, der mit dem Ausbau von Dienstleistungen und Industrien einhergeht. Das Wachstum in den jeweiligen Sektoren beflügelt dann andere Bereiche, bis ein sich selbst verstärkender Kreislauf entsteht.

Während die Regierung an ihrem Konzept keinen Zweifel hegt, sind private Investoren vor allem in diesen Tagen vorsichtiger - nicht zuletzt wegen der allgemein eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten. Der Bau preiswerter Wohnungen, für die ein realer Bedarf besteht, macht plötzlich ökonomisch mehr Sinn als Zukunftsstädte, die ihren Erfolg erst noch beweisen müssen. "Lower-cost houses" heißt deshalb die neue Strategie vieler Baufirmen. Von allen Golfländern hat Saudi-Arabien unbestreitbar das größte Defizit an bezahlbaren Wohnungen. Bis 2012, so Schätzungen, wird das Wohnungsdefizit auf 1 Millionen Einheiten anwachsen. Das größte Problem ist derweil ein fehlendes Hypothekenrecht, dass private Bauherrn fernhält. Der "soziale Wohnungsbau" wird deshalb immer noch vornehmlich von öffentlich unterstützten Bauträgern vorangetrieben.

Mit großem Interesse haben die Herrscher in Saudi-Arabien die Entwicklung in Dubai verfolgt - bewundernd und kritisch zugleich. Die eigenen Vorgaben an die internationalen Architektenbüros waren dann auch eindeutig: Die saudi-arabischen Stadtentwicklungsprojekte sollen zumindest in Riad, Djiddah, Medina, Mekka und der neuen Reißbrettstadt King Abdullah architektonisch mit den Glitzerstädten am Golf mithalten können, wenn diese nicht gar übertreffen. Gleichzeitig sollen Fehler von Dubai vermieden werden: Zuerst die Verkehrswege bauen und erst dann die Wohngebäude, lautet die Erkenntnis. Den täglich Versorgungsbedarf von Menschen mit einplanen: Schulen, Moscheen, Einkaufsmöglichkeiten, Gesundheitseinrichtungen und was man zum täglichen Leben sonst noch so alles in der Nähe braucht.

Hatten die großen Bauentwicklungsgesellschaften in Dubai vor allem schnell gebaut, um die Goldgräberstimmung auszunutzen und Spekulationsmilliarden einzustreichen, will Saudi-Arabien nachhaltiger bauen und auch an die Folgekosten denken. Schließlich, so der Anspruch, wolle man für die eigene Bevölkerung bauen und nicht für ausländische Anleger. Die ausländischen Architektenbüros, die das Königreich für seine Vorzeigebauten verpflichtet hat, stimmen dem zu und haben schnell gelernt, wie sie ihre Konzepte den saudi-arabischen Wertesystemen angleichen können. Da ist die Rede von schmalen schattigen Gassen, durch die Fußgänger wandeln sollen. Alte Bilder des Orients werden mit einer hypermodernen Utopie verknüpft - so das Marketingkonzept vieler Büros.

So manche ausländische Beobachter sind da skeptischer: Für ein nachhaltiges und intelligentes Bauen braucht man immer zwei: Einen Auftragnehmer, der sein Fach beherrscht, und einen Auftraggeber, der nicht nur weiß, was er will, sondern die Bauleistung auch kontrollieren kann. Die Erfahrung von Dubai zeigt, dass dies sehr schwierig ist. Die internationalen Architekten mögen Meister ihres Fachs sein, die ungelernten indischen Bauarbeiter sind es nicht. Dass Bauqualität ihren Preis hat, wissen die Architekten, die Auftraggeber am Anfang aber oft nicht, weil sie den Unterschied mangels Erfahrung nicht sehen können.

Die erste Generation von Hochhäusern, Malls und Hotels war in Dubai oft schlecht gebaut, der Abriss binnen 25 Jahren scheint eine abzusehende Entwicklung. Erst nach dieser ersten Erfahrung werden nun viele Gebäude sorgfältiger gebaut und dürften deshalb länger Bestand haben. Aber auch diese zweite Generation vergeudet noch in hohem Maße Energie. Erst in einer dritten Generation, so die Erwartung, dürfte auch eine moderne Energieeffizienz Einzug halten. So wie Dubai seine erste Erfahrung gemacht hat und noch durch weitere Entwicklungsprozesse durch muss, so wird auch Saudi-Arabien seine Erfahrung erst noch machen müssen. Was man leicht vergisst: Das Königreich ist zwar an Bodenschätzen und Geldreserven überaus reich, in allen anderen Bereichen aber immer noch ein klassisches Entwicklungsland.

Quelle: gtai online news vom 30.07.2009, www.gtai.de, Autor: Martin Böll