Executive Education: Gewappnet für die Karriere in Asien

Die Europäische Union schickt junge Manager zur Fortbildung nach Japan und Korea. Dort lernen sie die Sprachen und Eigenheiten des asiatischen Marktes kennen - und sind vorbereitet für künftige Geschäftsbeziehungen.

 

Wenn Michael Löfflad morgens zur Arbeit kommt, sagt er nicht "Hallo" oder "Guten Morgen". Das würde wahrscheinlich auch kaum einer seiner Kollegen richtig verstehen. Bei ihm heißt es "Konnichiwa" - als Begrüßung auf Japanisch.

 

Löfflad ist seit 2008 Chef der japanischen Niederlassung von Würth, Weltmarktführer im Handel mit Schrauben und Werkzeug. Am Standort in Yokohama, der zweitgrößten Stadt nach Tokio, ist der 46-Jährige verantwortlich für 50 japanische Mitarbeiter.

 

Die Geschäftssprache ist zu 90 Prozent Japanisch, mit Kunden verkehrt er ausschließlich in der Landessprache. "Ich kann mich heute völlig frei und ohne Barrieren auf allen Ebenen der japanischen Wirtschaft bewegen", sagt der gebürtige Münchner, der nun seit rund elf Jahren in Fernost lebt. Zu verdanken habe er das vor allem einem Weiterbildungsangebot der Europäischen Union (EU).

 

EU-Weiterbildung für Barriereabbau

 

Die Rede ist vom "Executive Training Programme" (ETP).

 

Führungskräfte und Unternehmen aus Europa sollen sich damit intensiv auf geplante Geschäfte auf dem asiatischen Markt vorbereiten können. Bereits seit 1979 schickt die EU dazu jährlich junge Manager mit eigenen Mitteln nach Japan. Korea ist seit 2002 im Programm. Die Union will so vor allem mehr europäische Unternehmen für zwei ihrer wichtigsten Exportmärkte begeistern sowie sprachliche und kulturelle Barrieren abbauen.

 

Zu den typischen Teilnehmern zählen Führungskräfte im Alter von Ende zwanzig bis Ende dreißig. Dazu kommen großes kommunikatives Geschick, ausgeprägter Teamgeist, hohe Lernbereitschaft und eine internationale Ausrichtung. Wer sich bewirbt, muss zunächst zum Assessment Center nach Brüssel. Am Ende werden maximal 45 Teilnehmer für das Japanprogramm und bis zu 15 weitere für Korea zugelassen.

 

"In der heutigen globalen Geschäftswelt ist das Bewusstsein für interkulturelle Besonderheiten unerlässlich für den internationalen Erfolg", sagt Jusuke JJ Ikegami, Koordinator des Japanprogramms und Professor an der japanischen Waseda Universität.

 

Deshalb startet die insgesamt 45-wöchige Fortbildung auch mit einer Einführungsveranstaltung zu Kultur, Geschichte und Gesellschaft Japans oder Koreas. Für knapp acht Monate geht es anschließend an eine Universität im jeweiligen Land zu Sprach- und Wirtschaftskursen. Den Abschluss macht ein dreimonatiges Praktikum bei einem japanischen oder koreanischen Unternehmen.

 

Kleine Gruppen, intensives Lernen

 

Löfflad ist besonders überzeugt von der intensiven Sprachausbildung. Von 9 bis 15.30 Uhr büffelte er täglich in einer Drei-Mann-Klasse. Jeden Tag wurden die Hausaufgaben kontrolliert und zudem zwei Tests geschrieben.

 

"Nach einer Weile findet man Gefallen an der Geschwindigkeit des Lernens, und ich bin heute überzeugt, dass es nur durch diese intensive Betreuung überhaupt möglich war, in einem solch kurzen Zeitraum die Sprache mehr oder weniger fließend sprechen zu lernen." Geholfen habe auch die Zeit bei Gastfamilien, um das Erlernte in der Praxis einzuüben.

 

Sein Praktikum absolvierte der 46-Jährige bei Nippon Cable, einem sehr alten, traditionell geprägten japanischen Unternehmen. Anders als bei Firmen wie Sony, Nissan Motor oder Samsung sprach hier niemand Englisch. "Das war zu Beginn sehr schmerzvoll, aber äußerst hilfreich für den Lernfortschritt."

 

Die ersten Meetings waren hart: "Es dauerte einige Zeit, bis ich mich an die unterschiedliche Sprachgeschwindigkeit und das Vokabular in Unternehmen gewöhnt hatte." Andererseits durfte er von Anfang an mit dem Eigentümer an einem Tisch sitzen und lernte etwa, wie in einem japanischen Unternehmen Entscheidungen gefällt werden.

 

Beruflicher Fortschritt, beste Vernetzung

 

Zudem kann sich die Zeit auch beruflich auszahlen. Manche Teilnehmer bauen enge Freundschaften zu ihren Praktikumsbetrieben auf, die sich zum Teil zu Geschäftsbeziehungen entwickeln. So arbeitete etwa ein Teilnehmer während seines Praktikums bei Sony offiziell an der Entwicklung eines neuen Produkts mit.

 

 

uch Eberhard Bähr ist ehemaliger ETP-Teilnehmer. Vor seiner Zeit als Leiter der japanischen Abteilung Animal Health bei Bayer Health Care arbeitete er noch zweimal in unterschiedlichen Funktionen in Japan. Dabei profitierte er in beiden Fällen von den im EU-Programm gewonnenen Sprach- und Japankenntnissen.

 

Die Eingewöhnungszeit für Neuankömmlinge sei in Japan normalerweise im Vergleich zu anderen Ländern ungewöhnlich hoch. "Die Programmteilnehmer sind dagegen in der Lage, sofort einen positiven Beitrag zu leisten", erläutert er.

 

Erleichterter Einstieg

 

Bis heute haben mehr als 1.000 Führungskräfte teilgenommen. Davon befassen sich laut Europäischer Kommission heute noch 83 Prozent mit der Wirtschaft in Fernost.

 

"Eine Reihe großer Unternehmen vertraut auf die Leistung von ETP-Absolventen bei ihren Positionen für Führungskräfte", weiß Löfflad, der auch Vorsitzender der Vereinigung für ehemalige Teilnehmer (ETP Association) ist.

 

Und auch für die Betriebe lohnt es sich: "Am Ende verfügt ein teilnehmendes Unternehmen über eine realistische Strategie, um in den jeweiligen Markt einzusteigen", sagt Tung-Lai Margue, Leiter der Abteilung Foreign Policy Instruments Service (EEAS) der Europäischen Kommission.

 

Japan ist derzeit nach China der zweitgrößte Exportmarkt für deutsche Produkte in Asien. Und über eine dortige Präsenz kommen Unternehmen immer häufiger mit Japanern auf Drittmärkten ins Geschäft.

 

"Der Umsatz vieler deutscher Unternehmen mit Japanern außerhalb Japans übersteigt den dortigen Umsatz oft um ein Vielfaches", berichtet Manfred Hoffman, Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Japan.

 

Einerseits können Firmen lukrative Nischen finden, wenn sie technologisch hoch entwickelte Produkte und innovative Lösungen im Angebot haben. Aber in vielen Branchen herrscht bereits ein starker Wettbewerb. "Der Markteintritt erfordert immer intensive Vorbereitung, um sich auf die lokalen Spielregeln, die hohen Ansprüche der Kunden und die komplexen Distributionssysteme einzustellen."

 

Neu im Visier: Korea

 

Auch der koreanische Markt ist nicht zu unterschätzen. "Die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Korea haben sich in den vergangenen Jahren stark intensiviert," sagt Carsten Lienemann, stellvertretender Geschäftsführer der Deutsch-Koreanischen Industrie- und Handelskammer. 2011 betrug das koreanisch-deutsche Handelsvolumen 21,3 Milliarden Euro. Dagegen lag das japanisch-deutsche bei 35,2 Milliarden Euro.

 

Ähnlich wie in Japan dreht sich die Nachfrage vor allem um High-Tech-Produkte. Dazu genießt die Marke "Made in Germany" besonders hohes Ansehen bei Koreanern.

 

"Der Handel mit einem koreanischen Kunden baut in der Regel auf einer langfristigen Geschäftsbeziehung auf", sagt Lienemann. Ein erstklassiger Service sei dabei das A und O. "Koreanische Kunden wollen sofort bedient werden, wenn es beispielsweise ein Problem mit einem Produkt gibt oder Ersatzteile fehlen."

 

Dabei akzeptierten sie auch keine deutschen Feiertage. Korea unterscheide sich kulturell doch sehr stark von Deutschland. Und nur wer ein Verständnis dafür entwickle, könne in diesem Land auch geschäftlich erfolgreich sein. "Das EU-Programm kann dafür eine gute Grundlage vermitteln."


Quelle: Financial Times Deutschland, ftd.de, 05.06.2012