Arbeitslosigkeit wichtigste Herausforderung für wirtschaftspolitischen Wandel in Tunesien

Die hohe und steigende Zahl der Arbeitslosen ist ein ernsthaftes Problem für die Wirtschaft und die Konjunktur Tunesiens. Sie bildet die womöglich größte Gefahr für eine erfolgreiche politische Transformation.

 

Die Deutsch-Tunesische Industrie- und Handelskammer (AHK) in Tunis bietet in Kooperation mit verschiedenen Partnern und deutschen Unternehmen ein breites Spektrum von Fort- und Weiterbildungen für tunesische Arbeitnehmer an.

 

Die Arbeitslosigkeit gilt als wichtigste Ursache für die tunesische Revolution. Insgesamt lag bei den jungen Menschen (23 bis 29 Jahre) die Arbeitslosigkeit 2007 bei 26 Prozent, so eine Studie der Afrikanischen Entwicklungsbank (2011).

 

Die Jugendarbeitslosigkeit ist Ursache für den anhaltend hohen Emigrationsdruck. Viele tunesische Jugendliche sehen trotz der Revolution für sich im Lande nach wie vor keine Zukunftsperspektive.

 

Vor allem junge Tunesier brauchen Arbeit

 

Während die offizielle Arbeitslosenquote 2010 bei 14 Prozent (500.000) lag, ist angesichts des geringen Wirtschaftswachstums für 2011 mit 19 Prozent (700.000) zu rechnen. Die Stagnation im beschäftigungsintensiven Tourismus hat für Entlassungen gesorgt. Desweiteren gehen offizielle Stellen von 30.000 bis 35.000 (inoffiziell bis zu 80.000) tunesischen Gastarbeitern aus, die 2011 aus Libyen zurückgekehrt sind.

 

Im Privatsektor sind die wichtigsten Arbeitgeber die Landwirtschaft, die Textilindustrie und die Bauwirtschaft. In der Landwirtschaft und im Tourismus ist ein Großteil der Arbeitskräfte saisonal beschäftigt, während im öffentlichen Sektor Unterbeschäftigung herrscht.

 

Zwischen den Regionen an der Küste einerseits und im Landesinnern und Süden andererseits gibt es ein erhebliches Gefälle bei Einkommen und Arbeitslosenzahlen. Nach der Studie der Afrikanischen Entwicklungsbank lag die Arbeitslosenzahl in den an Algerien grenzenden Regionen 2004 zwischen 22,6 und 25,6 Prozent während sie in den meisten Küstenregion nur 7,5 bis 14,9 Prozent erreichte.

 

Über 30 Prozent der Arbeitslosen sind Hochschulabsolventen. Einer Studie der Weltbank zufolge (2008) waren rund 38 Prozent der Hochschulabsolventen nach ihrem Abschluss mindestens 18 Monate arbeitslos. Ein hohes Bevölkerungswachstum in den 80er Jahren und massive Investitionen in den Bildungssektor sind hierfür die Ursache. Im produzierenden Gewerbe liegt der Beschäftigtenanteil der Hochschulabsolventen laut German Marshall Fund gerade einmal bei 15 Prozent - zu wenig, um die geschwundenen Jobmöglichkeiten im öffentlichen Dienst auszugleichen.

 

Arbeitsangebot und -nachfrage differieren

 

Der aktuelle Arbeitsmarkt in Tunesien ist von einem Dilemma geprägt: Einerseits schließen viele Jugendliche jedes Jahr ihre Berufs- oder Hochschulausbildung erfolgreich ab und suchen anschließend einen adäquaten Arbeitsplatz. Andererseits finden viele Unternehmen nur schwer die "richtigen" Arbeitskräfte.

 

Es mangelt einerseits an ungelernten Arbeitskräften, die einfache Tätigkeiten übernehmen, gleichzeitig fehlt in noch stärkerem Maße ausgebildetes Personal, welches dem tatsächlichen Bedarf der Unternehmen entspricht.

 

Eine Lösung für diese Situation ist die klassische Arbeitsvermittlung. Für Unternehmen kann es unter Umständen aber sehr aufwändig sein, qualifizierte Kandidaten zu finden, umgekehrt finden auch Bewerber auf diesem Wege oft keinen passenden Arbeitsplatz.

 

Langfristig müssten Ausbildung und Ausbildungsinhalte dem veränderten Bedarf angepasst werden. Um auch kurzfristig Abhilfe zu schaffen, sind Fortbildungsprogramme ein geeignetes Mittel.

 

Die Deutsch-Tunesische Industrie- und Handelskammer bietet ein breites Spektrum an Bildungs- und Beratungsleistungen an, das die aktuelle Situation in Tunesien aufgreift und angepasste Lösungen liefert. Bei Fortbildungen kann die AHK auf das umfangreiche Know-how in diesem Bereich in Deutschland zurückgreifen und für den Transformationsprozess in Tunesien nutzen. Sie bietet in Kooperation mit verschiedenen Partnern und den deutschen Unternehmen in Tunesien Fort- und Weiterbildungen für Arbeitnehmer an. Unternehmen erreichen damit in kurzer Zeit die gewünschten Qualifikationen bei ihren Mitarbeitern, die wiederum eine bessere Perspektive erhalten und attraktiver für den Arbeitsmarkt werden. Gleichzeitig kann Fortbildung spürbar das Arbeitsklima verbessern und die Verweildauer der Mitarbeiter erhöhen.

 

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Projekt "Über die Sprache zum Arbeitsplatz"

Das Projekt wird von der Deutsch-Tunesischen Industrie- und Handelskammer (AHK) in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut durchgeführt.

 

Es bietet Hochschulabsolventen neben einem sechsmonatigen Intensiv-Sprachtraining für Alltag und Beruf eine systematische Vorbereitung auf den Einstieg ins Berufsleben.

 

Basierend auf einer Bedarfsumfrage bei Mitgliedsunternehmen und Kunden der AHK Tunesien wurden die Teilnehmer für die Sprachkurse ausgewählt. Die AHK organisiert eine Jobmesse, auf der sich die Beteiligten austauschen können. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Sprachkurses bietet die AHK über ein halbes Jahr lang sogenannte Coachingeinheiten für diejenigen Teilnehmer an, die Schwierigkeiten bei der Jobsuche haben, um sie weiter zu unterstützen. Auch die vermittelten Bewerber werden regelmäßig begleitet, um ihnen den Einstieg ins Arbeitsleben zu erleichtern.

Beschäftigungsförderungsprogramm

In diesem zweijährigen Projekt mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) werden junge Berufsschul- und Hochschulabsolventen praxisnah fortgebildet.

 

Basierend auf dem Bedarf der Unternehmen organisiert die Deutsch-Tunesischen Industrie- und Handelskammer (AHK) mehrmonatige Fortbildungen in Unternehmen und kombiniert diese mit theoretischem Unterricht. Die AHK bereitet die Jugendlichen für den Arbeitsmarkt vor und vermittelt sie in eine feste Anstellung.

 

Es werden auch Personalmanager fortgebildet, die bereits in Unternehmen arbeiten. Sie sollen in Zukunft als moderne Personalentwickler arbeiten. Sie sichern die Nachhaltigkeit der Programme in den Betrieben und führen idealerweise die Fortbildungsmaßnahmen weiter.


Quelle: Germany Trade & Invest, gtai.de, 27.01.2012