Saudi-Arabien setzt Beschäftigungs-Quotensystem in Kraft

Unternehmen, die nicht die vorgeschriebenen Mindestquoten erfüllen, haben neun beziehungsweise sechs Monate Zeit, ihre Personalstruktur anzupassen. Bei Nichterfüllung drohen schwere Sanktionen.

Alle privaten Firmen können sich nun auf der Internet-Seite des saudi-arabischen Arbeitsministeriums über ihre Einstufung im neuen Quotensystem informieren. Die neuen Vorschriften zur Anzahl der zu beschäftigenden Saudi-Araber wurden am 11.06.2011 verkündet und in Kraft gesetzt.

Unternehmen, die nicht die vorgeschriebenen Mindestquoten erfüllen, also in die Defizit-Kategorien "Gelb" oder "Rot" eingestuft werden, haben neun beziehungsweise sechs Monate Zeit, ihre Personalstruktur anzupassen. Bei Nichterfüllung drohen schwere Sanktionen.

Das neue Quotensystem für die Beschäftigung von "Locals" mit den nunmehr vier Kategorien - beginnend mit "ausgezeichnet", gefolgt von "grün", "gelb" und "rot" - unterteilt private Firmen in über 160 Gruppen, für die jeweils gesonderte Quoten gelten. Zunächst erfolgt die Einordnung eines Unternehmens in eine von 42 Branchen (Economic Acitivities). Innerhalb der einzelnen Branchen wird dann nach Firmengröße (gemessen in Zahl der Beschäftigten) differenziert. Es gibt fünf Größenkategorien: unter 10, 10 bis 49, 50 bis 499, 500 bis 2.999 und ab 3.000 Mitarbeiter.

Welche Saudisierunsquote das Arbeitsministerium für das eigene Unternehmen errechnet hat, können Firmen auf der arabischsprachigen Internet-Seite des Ministeriums erfahren. Es ist allerdings die Eingabe spezifischer Firmeninformationen erforderlich, damit sind die Daten der einzelnen Unternehmen nicht allgemein zugänglich.

Bei Kleinbetrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern existiert keine Differenzierung nach Branchen. Um von Restriktionen verschont zu bleiben, genügt grundsätzlich ein saudi-arabischer Mitarbeiter, wobei auch der Firmeneigentümer als Mitarbeiter gezählt werden kann. Besitzt jedoch eine juristische oder natürliche Person neben einem Kleinbetrieb noch andere Firmen, unterliegt der Kleinbetrieb einer bestimmten Gesamtquote, die sich (ebenfalls branchenunabhängig) nach der Beschäftigtenzahl der Firmengruppe richtet.

Nach Angaben des Arbeitsministeriums haben etwa 50 Prozent der insgesamt 800.000 in Saudi-Arabien registrierten Unternehmen das Prädikat "grün" oder "ausgezeichnet" erhalten. Rund 20 Prozent der Firmen unterschreiten die "grünen" Quoten nur leicht. Die restlichen 30 Prozent seien weit von den geforderten Quoten entfernt.

Bei der Ermittlung der Saudisierungsquoten gibt es neben der einfachen Wertung eines "normalen" Saudi-Arabers höhere Gewichtungen für behinderte saudi-arabische Mitarbeiter sowie für Häftlinge und ehemalige Häftlinge. Allerdings werden Behinderte und Häftlinge mit der erhöhten Gewichtung nur bis zu bestimmten Höchstgrenzen (Anteil an der Gesamtbeschäftigung) berücksichtigt, danach erfolgt eine einfache Wertung. So ergibt beispielsweise die Beschäftigung von fünf behinderten und fünf anderen Saudi-Arabern sowie 90 Ausländern gemäß dem auf der Internet-Seite des Arbeitsministeriums angebotenen Kalkulationsprogramm bei 100 Beschäftigten eine Saudisierungsquote von 25 Prozent, gegenüber 10 Prozent bei einfacher Gewichtung aller zehn Saudi-Araber.

Einige Gruppen nicht-saudi-arabische Staatsbürger werden im Quotensystem wie Saudi-Araber eingestuft. Dies gilt für alle "Nationals" aus den Staaten des Gulf Cooperation Council (GCC), für ausländische Ehepartner von Saudi-Arabern sowie für alle Ausländer, deren Mutter Saudi-Araberin ist.

"Ausgezeichnete" und "grüne" Unternehmen können weiterhin im Rahmen der geltenden Vorschriften Ausländer beschäftigten, zusätzlich werden ihnen besondere Privilegien eingeräumt. Mit Sanktionen werden "gelbe" und "rote" Firmen belegt, allerdings wird den "Gelben" eine Frist von neun Monaten eingeräumt, um ihre Personalstruktur den Vorschriften anzupassen, nur sechs Monate haben die "Roten" Zeit.

Die Fristen laufen seit 11.06.2011, damit greifen die Strafmaßnahmen ab 11.03.2012 beziehungsweise bereits ab 11.12.2011. Diese allgemeinen Fristen stimmen allerdings nicht mit verschiedenen Einzelbestimmungen überein, die schon Sanktionen ab 11.09.2011 vorsehen. Deshalb wird auch vielfach von einer 3-monatigen Gnadenfrist (11.06. bis 11.09.2011) gesprochen.

Die "ausgezeichneten" und "grünen" Unternehmen erhalten nicht nur einige Erleichterungen bei der Visa-Beantragung oder -Verlängerung für ausländische Mitarbeiter, sie können jetzt auch deren Einsatzbereich relativ problemlos ändern (change of profession). "Ausgezeichnete" Firmen dürfen sogar ihre Expats in den meisten Berufen einsetzen, die grundsätzlich Saudi-Arabern vorbehalten sind. Auch gilt für "ausgezeichnete" Firmen nicht die Sperrfrist von zwei Jahren für den Transfer von einem anderen Arbeitgeber. All diese Vergünstigungen können ab 11.09.2011 in Anspruch genommen werden.

Zukünftig können "ausgezeichnete" und "grüne" Firmen ausländische Mitarbeiter von Unternehmen mit mangelhaften Quoten abwerben, ohne dass die Zustimmung des abgebenden Arbeitgebers erforderlich wäre. Die "feindliche" Abwerbung ist bei "roten" Firmen ab 27.11.2011 zulässig, bei "gelben" erst ab 23.02.2012.

Schon das neue Abwerbungsrecht ist für "gelbe" und "rote" Unternehmen eine erhebliche Bedrohung, denn sie müssen den Abgang ihrer Leistungsträger befürchten beziehungsweise sind gezwungen, teure Vertragsverbesserungen (Gehaltserhöhungen, Zusatzleistungen etc.) anzubieten. Als weitere Sanktion kommt für "Rote" und "Gelbe" hinzu, dass sie ab sofort auslaufende Arbeitsgenehmigungen nur noch für maximal drei Monate verlängern können. Ab 27.11. sind Verlängerungen für "Rote" gar nicht mehr möglich. "Gelbe" dagegen können einen Verlängerungsantrag stellen, wenn der ausländische Mitarbeiter weniger als sechs Jahre beschäftigt ist.

Neue Visa-Anträge und Anträge auf Transfers von anderen Arbeitgebern können "Rote" ab 11.09.2011 nicht mehr stellen. Auch ist es ihnen dann nicht mehr möglich, beim Arbeitsministerium weitere Unternehmenseinheiten (Betriebe, Zweigstellen etc.) registrieren zu lassen.

"Gelben" wird nur noch die Möglichkeit eingeräumt, einen Neuantrag für einen Expat zu stellen, wenn zuvor zwei bisher beschäftigte Ausländer Saudi-Arabien endgültig verlassen haben. Ein solcher "Replacement"-Antrag muss innerhalb eines Jahres nach Ausreise des ersten Expats erfolgen.

Die neuen Restriktionen dürften viele der "roten" und "gelben" Unternehmen letztlich vor die Wahl stellen, ihren Betrieb aufzugeben oder die Saudisierungsquote anzuheben. Unklar ist allerdings zum gegenwärtigen Zeitpunkt, mit welcher Konsequenz und welchem Tempo das Quotensystem wirklich implementiert wird. Das Arbeitsministerium hat bereits verkündet, die neuen Vorschriften seien ausnahmslos für alle bindend.

Kommt es tatsächlich zu einer Umsetzung ohne flexible Anpassungsmechanismen, erwartet der Chefökonom der Banque Saudi Fransi, John Sfakianakis, die Schließung zahlreicher kleinerer Firmen. Zudem werde das derzeit ohnehin angeschlagene Vertrauen internationaler Investoren weiter getrübt. Insgesamt würde die Entwicklung des Privatsektors zumindest kurzfristig geschwächt, so die Einschätzung des Bankers. Mittel- und langfristig rechnet Sfakianakis allerdings mit positiven Effekten des Quotensystems auf die Privatwirtschaft, wenn die notwendige Aus- und Fortbildung der Saudi-Araber mit Nachdruck vorangetrieben werde.

Die deutsche Wirtschaft scheint dem neuen Quotensystem unaufgeregt zu begegnen und in der Qualifikation der Saudi-Araber eine besondere Aufgabe zu sehen. Der Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Riad, Andreas Hergenröther, erklärt: "Die deutsche Wirtschaft sieht den Herausforderungen des neuen Quotensystems in Saudi-Arabien selbstbewusst entgegen. Die meisten deutschen Unternehmen erfüllen die geforderten Quoten ohnehin schon. Das Joint Venture Allianz-Saudi Fransi beispielsweise beschäftigt über 50 Prozent saudi-arabische Arbeitnehmer. Gemeinsam mit ihren saudi-arabischen und deutschen Partnern bemüht sich die AHK Saudi-Arabien, die zur Erfüllung der vorgegebenen Maßstäbe nötige Qualifizierung von Fachkräften sowie den Transfer von Technologie und Know-how zu fördern."

Autor: Robert Espey

Wichtiger Hinweis

Die bisher vorliegenden ersten Angaben zum neuen Quotensystem lassen viele Fragen offen. Fehlinformationen und -interpretationen sind nicht auszuschließen. Dies gilt ausdrücklich auch für diesen Artikel, so Germany Trade and Invest (gtai). 

Sobald mehr Details bekannt sind, erfolgt eine weitere Berichterstattung, kündigt die gtai an.

Quelle: Germany Trade and Invest (gtai), Auszug Artikel 27.06.2011