Ägypten will kleinere und mittlere Unternehmen stärken

Steigende öffentliche Investitionen für Gesundheit, Bildung und Wohnungsbau stehen weit oben auf der Agenda Ägyptens.

Die revolutionären Ereignisse in Ägypten haben auch eine tiefe wirtschaftliche Zäsur markiert. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist in den ersten drei Monaten des Jahres deutlich geschrumpft. Am stärksten fielen die in- und ausländischen Investitionen, betroffen war auch der Arbeitsmarkt.

Langsam erholt sich das Land am Nil wieder. Nach fast vollständigem Erlahmen der ausländischen Direktinvestitionen mehren sich die positiven Anzeichen. Die Rolle von kleineren Firmen bei den Investitionen und beim Wiederaufbau der Wirtschaft soll gestärkt werden.

Im 3. Quartal (Januar bis März) des Fiskaljahres 2010/11 (Juli bis Juni) ging Ägyptens Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Vorjahresquartal um 4,2 Prozent zurück, gegenüber dem Vorquartal betrug das Minus 8,8 Prozent. Das reale Wachstum im Neunmonatszeitraum flachte sich den offiziellen Angaben zufolge auf 2,3 Prozent ab nach plus 5,1 Prozent im Jahr zuvor. Der Rückgang im 3. Quartal resultierte vor allem aus einem Einbruch bei den Investitionen um 26 Prozent im Jahresvergleich. Angesichts der Unruhen gab es bei den ausländischen Direktinvestitionen (FDI) im 3. Quartal einen Nettoabfluss von 0,2 Millarden US-Dollar. Dies überraschte selbst Analysten, die immerhin noch ein positives Vorzeichen erwartet hatten. Der Anstieg des privaten Verbrauchs flachte sich auf 3,5 Prozent ab nach plus 5,1 Prozent im gleichen Vorjahresquartal.

Die Wachstumserwartungen reduzieren sich damit weiter. So geht CI Capital für das Fiskaljahr 2010/11 nun von einem BIP-Wachstum um nur noch 1,2 Prozent mit Anstieg auf 1,8 Prozent im Fiskaljahr 2011/12 aus. Der bessere Verlauf soll sich auf die zweite Hälfte des Fiskaljahres stützen.

Hohe Arbeitslosigkeit und Inflation, insbesondere bei Nahrungsmitteln, dämpfen den Verbrauch. Die anstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen gelten als nicht konsumförderlich. Immerhin soll ein im Fiskaljahr 2010/11 (2011/12) um 4,5 (5,7) Prozent zunehmender privater Verbrauch als Wachstumsstütze dienen.

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Dennoch gibt es Licht am Ende des Tunnels.

So hat der tschechische Hersteller von nicht gewebten synthetischen Textilien, Pegas Nonwovens, die Errichtung einer Produktionsstätte für 60 Millionen Euro angekündigt. US-amerikanische Firmen planen den Ausbau ihrer Präsenz vor Ort beziehungsweise erwägen den Markteintritt.

Aus Katar sind Vorhaben über 15  Millarden US-Dollar avisiert mit Zielrichtung Tourismus, Immobilien, Nahrungsmittel, Verkehr, Bildung und Landwirtschaft. Die saudi-arabische Kingdom Holdings will 350 Millionen US-Dollar in agroindustrielle Projekte stecken. Die Islamic Development Bank gibt über die nächsten drei Jahre Darlehen von insgesamt 2,5 Millarden US-Dollar für Entwicklungsprojekte.

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Das Programm zur wirtschaftlichen Erholung für das Fiskaljahr 2011/12 spiegelt sich im Haushalt wider und setzt die politischen Akzente. Steigende öffentliche Investitionen für Gesundheit, Bildung und Wohnungsbau stehen weit oben auf der Agenda. Eine Beibehaltung von Subventionen soll die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die sozial Schwachen eindämmen.

Abgestellt wird auch auf die Verbesserung des unternehmerischen und wettbewerblichen Umfelds. Zusehends in den Fokus kommen kleinere Unternehmen (KMU). So wurde kürzlich angekündigt, die öffentlichen Banken Bank Misr und Banque du Caire zu entflechten, wobei letztgenannte sich auf die Finanzierung von KMU spezialisieren soll.

Trotz positiver Entwicklungen gilt eine verbesserte Finanzausstattung und Versorgung mit Krediten weiterhin als grundlegend, um das bislang nicht abgerufene Potenzial der KMU zu aktivieren.

Daneben gehören Bürokratie und das Fehlen von qualifizierten Arbeitskräften und Sicherheit derzeit zu den bedeutenden Belastungsfaktoren für Investitionen generell. Angemahnt wird eine klare Strategie. Angedacht ist eine verbesserte Anbindung von KMU an große Unternehmen, die sie bei der Entwicklung unterstützen können.

Hilfreich wäre möglicherweise eine Neubestimmung der Rolle des seit zwei Jahrzehnten auf dem Gebiet aktiven Social Fund for Development. Er vergibt Kredite an neue Investoren, die aufgrund von Zentralbankvorschriften für die ersten drei Jahre des Betriebs keine Finanzierung aus dem Bankensektor erhalten können. Einen weiteren Finanzierungskanal mit einer Kapitalausstattung von 1 Milliarde Ägyptische Pfund eröffnet ein sogenannter Assistance Support Fund der General Authority for Investment.

Quelle: Germany Trade and Invest, Artikel 04.07.2011