Aktuelle Entwicklungen im japanischen Arbeitsmarkt

Japanische Anforderungen an Auslands-Trainees, Internationalität japanischer Unternehmen, Maßnahmen der Regierung zur Einschränkung der Zeitarbeit und schlechte Chancen für Universitätsabsolventen auf dem Arbeitsmarkt, - lesen Sie Aktuelles vom und über den Arbeitsmarkt in Japan.

 

Todesfälle bei Ausland-Trainees

Eine Todeswelle unter ausländischen "Trainees" in Japan hängt offenbar mit Ausbeutung am Arbeitsplatz zusammen. Von rund 200.000 Auszubildenden aus Schwellenländern starben im vergangenen Jahr 27. Anwälte und Gewerkschafter machen „sklavenähnliche“ Arbeitsbedingungen für den Tod der überwiegend 20- bis 30-jährigen verantwortlich.

Von den 27 Ausländern kamen neun durch Gehirn- und Herzkrankheiten ums Leben. Vier starben während der Arbeit, drei durch Selbsttötung und drei bei Fahrradunfällen.

21 Verstorbene stammten aus China, drei aus Vietnam, zwei von den Philippinen und einer aus Indonesien. Es war die zweithöchste Zahl von Todesfällen seit 2008, als 35 ausländische Trainees in Japan verstarben.

Die ausländischen Praktikanten werden von der staatlichen Japan International Training Cooperation Organisation (JITCO) betreut.

Grundidee des Programms ist es, junge Ausländer aus Entwicklungsländern für ein bis zwei Jahre nach Japan zu holen und sie vor allem in technischen Berufen "on the job" mit dem Schwerpunkt auf praktischen Erfahrungen weiterzubilden.

Dadurch will Japan Schwellenländern bei der wirtschaftlichen Entwicklung helfen.

Doch in der Praxis wird das Programm teilweise von Firmen dazu benutzt, billige Arbeitskräfte nach Japan zu holen, die dann viele Überstunden leisten müssen. Von Aus- und Weiterbildung kann in diesen Fällen keine Rede sein.

"Viele Todesfälle standen in Zusammenhang mit Überarbeitung", sagte Lila Abiko vom Anwalts-Netzwerk für ausländische Trainees der britischen Zeitung "Telegraph".

Die Regierung zeigte sich einsichtig. "Wir werden die Firmen anweisen, solche Vorfälle zu vermeiden", erklärte ein Beamter.

Das Büro für Arbeitsstandard in Ibaraki will den Tod eines Chinesen im Juni 2008 als Karoshi (Tod durch Überarbeitung) einstufen. Es wäre das erste Mal, dass eine offizielle Stelle den Missbrauch des Programms einräumt.

Die Familie von Jiang Xiadong wird 10 Millionen Yen (90.000 Euro) erhalten. Jiang starb im Alter von 31 Jahren im Schlaf an Herzversagen.

In den Monaten vor seinem Tod hatte er in der Metallverarbeitungsfabrik Fuji Denka Kogyo in Itako über seine 350 Arbeitsstunden hinaus 109 Überstunden geleistet.

Über eine juristische Folge für den Betreiber der Fabrik ist bisher nichts bekannt.


Japan AG stellt mehr Ausländer ein

Die Japan AG wird internationaler: Weil der Heimatmarkt stagniert, suchen die Unternehmen mehr Absatzchancen im Ausland. Doch dafür reicht es nicht mehr, nur am Fließband oder im Büro Ausländer einzustellen. Auch Entwicklung, Technik und Management kommen ohne ausländische Arbeitskräfte nicht mehr aus. Seit diesem Jahr werden deshalb kräftig Ausländer eingestellt - die großen Unternehmen setzen den Trend.

So soll bei Hitachi die Zahl der Mitarbeiter in Japan bis Anfang 2013 um 6 Prozent auf 217 000 sinken, während im Ausland um 24 Prozent auf 161 000 aufgestockt wird. Der ausländische Umsatzanteil soll während dieser Zeit von 41 Prozent auf über 50 Prozent wachsen.

Bei Panasonic fanden in diesem Jahr 60 Prozent aller Neueinstellungen im Ausland statt. Im Frühjahr 2011will der Konzern diese Quote auf 80 Prozent erhöhen, während die Anzahl der eingestellten Japaner von 500 auf 290 sinken soll. Das wäre das niedrigste Niveau seit 1976.

Von den neueingestellten Ausländern werden schon in diesem Jahr einige auf die Manager-Schiene gesetzt und bis zu zwei Jahre lang in der Firmenzentrale in Osaka geschult, um den Konzern von innen kennenzulernen.

Panasonic will in Schwellenländern wie China und Indien eigene Produkte entwickeln und braucht dafür mehr Fachkräfte und Manager, die mit lokalen Gegebenheiten und Mentalitäten bestens vertraut sind.

Mitsubishi Heavy will im Ausland über die nächsten fünf Jahre 4.000 neue Mitarbeiter einstellen und ihre Zahl damit auf 15.000 steigern. Wegen der Konzentration auf Energieerzeugung und Klima- und Kühlanlagen werden bevorzugt Ingenieure und Fabrikarbeiter gesucht.

In Japan wird dagegen die Zahl der Neueinstellungen auf 60 Prozent des bisherigen Niveaus begrenzt. Der Anteil der Auslandsproduktion soll von 49 Prozent auf 60 Prozent steigen.

Fast Retailing, Japans größter Textilkonzern, will die Hälfte der 600 Stellen, die für Hochschulabsolventen offenstehen, mit Ausländern füllen. Der Konzern baut mehr Uniqlo-Filialen insbesondere in China und Südkorea auf. Die jungen Talente werden erst in lokalen Geschäften eingesetzt und sollen später zu Filialleitern aufsteigen.

Der Weg zur Globalisierung und Internationalisierung der Japan AG ist allerdings noch lang: Fast 40 Prozent aller börsennotierten Firmen hatten noch nie ausländische Mitarbeiter in ihrer japanischen Firmenzentrale. Der Anteil von Ausländern in Firmen, die Ausländer beschäftigen, beträgt nur 0,26 Prozent.


Zeitarbeit wird wieder eingeschränkt

Die japanische Regierung hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Zeitarbeit in Japan vor allem im produzierenden Gewerbe einschränkt. Dadurch soll der finanzielle und soziale Abstand zwischen Zeitarbeitern und Festangestellten schrumpfen. Die Demokratische Partei erfüllt damit ein weiteres Wahlversprechen. Das Gesetz soll schrittweise bis 2013 in Kraft treten.

In einer ersten Stufe wird die tageweise Beschäftigung von Arbeitnehmern verboten. In einem zweiten Schritt werden den Zeitarbeitsagenturen Einzelverträge untersagt, bei denen ihre Mitarbeiter nur dann Geld verdienen, wenn Arbeit für sie da ist. Für 26 freie Berufe, etwa für Übersetzer, sind Ausnahmen vorgesehen. Im produzierenden Gewerbe wird kurzfristige Zeitarbeit ganz untersagt.

Wer sich als Arbeitgeber nicht an die Regeln hält, hat plötzlich einen Festangestellten mehr. Der Gesetzentwurf sieht nämlich vor, dass auf Zeit beschäftigte Arbeitnehmer sich bei Verstößen selbst zu Festangestellten erklären dürfen.

Das neue Gesetz würde die 2004 beschlossene Liberalisierung des Arbeitsmarktes weitgehend rückgängig machen und die Flexibilität der Firmen bei der Beschäftigung verringern.

Rund ein Drittel der japanischen Arbeitnehmer arbeiten auf Zeit befristet oder auf Teilzeitbasis. Das Gesetz zielt aber nur auf rund zwei Millionen vertragliche Zeitarbeiter.

Bis zu ein Viertel davon wäre von den neuen Regeln betroffen, insbesondere die Mitarbeiter von Zeitagenturen. Ihre Bezahlung und ihre Arbeitsbedingungen sind besonders schlecht.

Firmen dürfen nach dem neuen Gesetz, das jetzt ins Parlament eingebracht wird, direkt Zeitarbeiter einstellen.

Der Abstand zwischen Zeitarbeitern und Festangestellten ist in Japan besonders groß. Zeitpersonal erhält keine Ausbildung und keine Boni und bis zu 60 Prozent weniger Gehalt.

Außerdem müssen Zeitarbeiter häufig den Weg zur Arbeitsstelle selbst bezahlen und bekommen keine Zuschüsse zur Kranken- und Rentenversicherung.

Ähnlich wie in dem Science-Fiction-Roman „Brave New World“ von Aldous Huxley tragen Zeitarbeiter in einigen Fabriken je nach Beschäftigungsstatus sogar andere Uniformen als feste Mitarbeiter.

Die schlechten Arbeitsbedingungen der Zeitarbeiter sind eine direkte Folge der großen Jobsicherheit von Festangestellten.

Der Abbau der Zeitarbeit wird sich daher nach Ansicht von Experten unvermeidlich auf die Gehälter und die Jobsicherheit von Festangestellten auswirken.


Eiszeit für Universitätsabsolventen

Jeder fünfte Universitätsabgänger bleibt in diesem Frühjahr ohne Job. Nach einer Umfrage der Ministerien für Arbeit und Gesundheit haben nur 80 Prozent des diesjährigen Abschlussjahrgangs einen Arbeitsplatz ergattern können. Das sind noch einmal 6,3 Prozentpunkte weniger als 2009, das bereits als sehr schlechtes Jahr galt.

Zugleich ist dies der schlechteste Wert seit Beginn dieser Umfrage 1996 – sogar noch schlechter als im Jahr 2000. Damals fanden 81,6 Prozent der College-Abgänger einen Job – und man sprach bereits von einer „Eiszeit“.

Die Quote bei männlichen Uni-Absolventen betrug 80,1 Prozent, bei Frauen 79,9 Prozent und bei Absolventinnen von Frauenuniversitäten sogar nur 76,2 Prozent.

Die Abgänger von privaten Universitäten erhielten nur zu 77,6 Prozent ein Jobangebot, während es bei öffentlichen Universitäten 86,9 Prozent waren.

Typischer Fall ist Toyota: Zum 1. April stellt Japans größter Unternehmen im produzierenden Gewerbe nur 1.200 Absolventen ein, 13 Prozent weniger als 2009 und relativ zur Gesamtbelegschaft vermutlich die niedrigste Zahl seit dem Krieg.

Aus deutscher Sicht hören sich diese Zahlen nicht so dramatisch an. Aber japanische Unternehmen stellen nur einmal im Jahr, meist zum Anfang des Finanzjahres im April, Schul- und Uni-Abgänger ein.

Wer in seinem Abschlussjahr keine Stelle bekommt, konkurriert im nächsten Jahr mit der nächsten Generation der Abgänger – und kommt tendenziell eher nicht zum Zug, weil er oder sie auf dem Papier schon ein Jahr zu alt ist.

Einen zweiten Arbeitsmarkt über Weiterqualifizierung oder einen zweiten Bildungsweg für Quereinsteiger gibt es in Japan nicht.

Das Arbeitsministerium und viele Präfekturen und Lokalregierungen bieten zwar in diesem Jahr sechsmonatige Berufsvorbereitungskurse für Schul- und Universitätsabgänger ohne Job an. Bedürftige Studenten erhalten 100.000 Yen monatlich, auch Kredite für bis zu 50.000 Yen monatlich stehen bereit.

Die starre Einstellungspraxis der Unternehmen wird dies aber nicht ändern. Wer es in diesem Jahr nicht schafft, gerät unweigerlich in den Ruf, nicht gut genug gewesen zu sein - unabhängig von der Situation am Arbeitsmarkt.

Einige Universitäten bieten den Studenten ihres Schlussjahrgangs daher jetzt die Möglichkeit, das Studium zum halben Preis um ein Jahr zu verlängern, damit sie formal zum Jahrgang 2011 gehören und damit die gleichen Bewerbungschancen erhalten wie dieses Jahr.

Allerdings wird 2011 kaum besser werden: Nach einer Umfrage der Finanzzeitung Nihon Keizai wollen die Unternehmen im April 2011 nur drei Prozent mehr Uni-Absolventen einstellen als in diesem Jahr.


Quelle: verschiedene Artikel März bis Juli 2010, Internetportal Japanmarkt online