Mittelstand als Modell für Russland?

Seit der Annexion der Krim und der russischen Intervention in der Ostukraine vor drei Jahren sind die Beziehungen Deutschlands zu Russland angespannt. Doch auf wirtschaftlichem Gebiet kommt es zu Lockerungsübungen. Auf dem Petersburger Dialog Ende November 2017 ging es auch um das Thema Ausbildung von Fachkräften.

Beim deutsch-russischen Diskussionsforum "Petersburger Dialog" am 23. und 24. November 2017 in Berlin haben sich die geschäftsführende Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) und der russische Wirtschaftsminister Azer Talibow getroffen. "Es war ein sehr guter Austausch", sagte ein Teilnehmer der deutsch-russischen Veranstaltung anschließend.

Die russische Seite habe generell großes Interesse am Aufbau eines starken eigenen Mittelstands an den Tag gelegt. Deutschland sei bei diesem Vorhaben als Partner prädestiniert. "Die Deutschen können zeigen, wie das Erfolgsmodell eines starken Mittelstands funktioniert", hieß es in Teilnehmerkreisen. Zwar ließen sich die deutschen Verhältnisse nicht eins zu eins auf Russland übertragen, doch könne eine Zusammenarbeit dem Land dabei helfen, einen eigenen Weg zu finden.

Konkret engagiere sich unter anderem die süddeutsche Firma Herrenknecht. So sei vorgeschlagen worden, dass die russische Delegation sich während eines Besuchs über das Thema informieren könnte. Der Weltmarktführer bei Tunnelbohrmaschinen gilt als deutsche Vorzeigefirma des Mittelstands. Die russische Wirtschaft ist auch Jahrzehnte nach dem Ende des real existierenden Sozialismus überwiegend von großen Unternehmensgruppen geprägt.

Auch zum Thema der Ausbildung von Fachkräften seien beide Seiten ins Gespräch gekommen. "In Russland besteht ein hoher Bedarf an gut ausgebildeten Spezialisten, ähnlich wie in Deutschland", sagte der Teilnehmer. Konkret sei beispielsweise ein starkes Interesse an einem Austausch mit Herstellern hoch entwickelter digitalisierter Technik für die Land- und Forstwirtschaft deutlich geworden.

Der frühere Kanzleramtsminister und Vorsitzende des Petersburger Dialogs, Ronald Pofalla, hatte vor der Eröffnung des Treffens vor überzogenen Erwartungen gewarnt. "Wir sind in einer Phase der Kontroversen und es ist gut, dass wir darüber reden", sagte er im ZDF. Ohne Frieden in der Ostukraine könne es keine politische Annäherung geben. Immerhin waren diesmal mit Zypries und Talibow erstmals seit fünf Jahren beide Regierungen auf der Veranstaltung vertreten.

Der frühere SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder und der russische Präsident Wladimir Putin hatten den Petersburger Dialog 2001 etabliert. Außer im Krisenjahr 2014 fand er bisher jährlich statt. Pofalla bezeichnete dies angesichts der anhaltenden Spannungen bereits als "bemerkenswerten Vorgang". Der Dialog signalisiere aber keine Annäherung.

Deutliche Kritik übte die deutsche Seite an der russischen Praxis, dass Kooperationspartner von westlichen Stiftungen oder Nichtregierungsorganisationen sich als "ausländische Agenten" registrieren lassen müssen. Die Regelung solle sogar insoweit verschärft werden, als auch die Zusammenarbeit mit Privatpersonen aus dem Westen meldepflichtig werden solle.

Pofalla hatte sich in seiner Rede zum Auftakt des Events dafür bedankt, dass die Strafverfolgungsbehörden ein Verfahren gegen eine Teilnehmerin des Petersburger Dialogs niedergeschlagen hatten. Diskutiert worden sei auch ein Putin-Vorschlag, die Sanktionen gegen Russland teilweise aufzuheben, wenn UN-Blauhelme in der Ostukraine präsent sind. "Die Russen lernen langsam, besser mit unserer Kritik umzugehen", umschrieb ein Teilnehmer die allmähliche Verbesserung der Gesprächsatmosphäre.

Quelle: Welt N24, welt.de, 25.11.2017