China: Personalpolitik auf neue Füße stellen

Auf den Wandel im chinesischen Arbeitsmarkt müssen die Unternehmen Antworten finden. Es kommt künftig darauf an, die Personalpolitik noch stärker als einen Teil des Markenaufbaus zu sehen.

"Wenn wir nicht bereit sind, ein wettbewerbsfähiges Gehalt zu zahlen, werden wir die Besten für unsere Unternehmen nicht gewinnen", sagt Franz-Josef Kleideitert. Er ist Geschäftsführer von Kienbaum Asia und weiß, wovon er spricht.

Gerade hat die Deutsche Auslandshandelskammer in China ihren diesjährigen "Labor Market & Salery Report"  veröffentlicht. Danach gehen deutsche Unternehmen in China davon aus, dass die Einkommen im kommenden Jahr zwar weiter steigen werden, aber deutlich moderater als in den Vorjahren.

Steigende Einkommen sind für die Unternehmen seit Jahren ein Problem, ebenso das Finden und Halten der besten Talente. Die Probleme zu benennen reiche aber nicht aus, so der Berater. In der Personalpolitik der Unternehmen müssten neue Wege gegangen werden.

China hat sich geändert, der Arbeitsmarkt auch

Seit eineinhalb Jahrzehnten ist Kienbaum auch im chinesischen Markt aktiv. Kammy Kwang, die als Geschäftsführerin die Shanghaier Repräsentanz aufgebaut hat und noch weitere Jahre in China für Kienbaum arbeiten will, sagt, das Problem, gute Mitarbeiter im Unternehmen zu halten, sei die Frage eines Pakets, das von den Unternehmen angeboten wird. Denn nicht nur China habe in den vergangenen Jahren einen beeindruckenden wirtschaftlichen Wandel vollzogen, meint sie, der Arbeitsmarkt auch. Der Talente-Pool habe sich kontinuierlich vergrößert, weil die Ausbildung deutlich besser geworden sei. Aufgrund der "Ein-Kind-Politik" fehle es aber nach wie vor an "geeigneten Kandidaten in der Spitze".

Gleichzeitig sind aber auch die Erwartungen der potenziellen Mitarbeiter gestiegen. Junge Chinesen wissen genau, was sie erreichen wollen. Und sie haben ganz genaue Vorstellungen, in welchem Zeitraum sie diese Ziele verwirklichen wollen: In drei bis vier Jahren wollen sie ins obere Management aufsteigen. Schaffen sie das nicht in internationalen Unternehmen, erreichen die Besten ihr Ziel in nationalen Firmen.

Chinesische Unternehmen, staatliche oder die jungen aufstrebenden Privaten, haben sich längst auch global einen Namen gemacht und werden ausländischen Firmen immer mehr Konkurrenz machen, auch auf dem Arbeitsmarkt. Sie bieten den Besten oft bessere Gehälter als ausländische Firmen, vor allem bieten sie Entwicklungschancen.

Fabian Kienbaum, Chief Empowerment Officer und künftiger Chief Executive Officer (CEO) von Kienbaum, glaubt, dass es bald auch für ausländische Talente interessant sein dürfte, nach Möglichkeiten in diesen Firmen zu schauen. "Tencent oder Alibaba werden sich auf lange Sicht weiter öffnen." Damit dürfte der Wettbewerb im chinesischen Arbeitsmarkt eine neue Dimension erreichen.

Anders als in ausländischen Unternehmen fühlen sich die Mitarbeiter in chinesischen Unternehmen mehr als Teil der Firma. Da spielt auch der den Chinesen eigene Patriotismus eine Rolle, der Wille, zum Aufstieg des eigenen Landes beizutragen.

Das sind Faktoren, die auch ausländische Unternehmen in China nutzen können und müssen. Nicht ausschließlich auf Zahlen schauen, auf Produktionsvolumina und Absatz, sondern auch die Personalpolitik auf neue Füße stellen – das ist die Herausforderung, die die Unternehmen annehmen müssen. Die entsprechenden Strategien müssen entwickelt werden.

Es geht um eine gezielte Ausbildung, um eine Brücke zwischen zwei unterschiedlichen Unternehmenskulturen. Es geht aber auch darum, Perspektiven im Unternehmen zu öffnen, die nicht auf der Stufe des mittleren Managements enden. Wichtig sei es, dabei ehrlich und offen zu sein, so Fabian Kienbaum. Er stellt im Übrigen fest, dass die heutige junge Generation nicht mehr nur zum sogenannten "Job-Hopping" tendiere, sondern an einem langfristigen Karriereaufbau interessiert sei.

Für Franz-Josef Kleideitert ist klar, dass künftig noch stärker in die Personalabteilungen der Unternehmen investiert werden müsse, sie müssten breiter aufgestellt werden. "Auf die Arbeit mit den Menschen kommt es an", sagt er. "Sie müssen nicht nur das Gefühl haben, dazuzugehören. Sie wollen langfristig Teil des Unternehmens sein."

Ein wesentlicher Aspekt sei dabei, dass die Unternehmen ihre China-Strategie deutlicher machen. "Die Mitarbeiter wollen ihre Firmen als Partner sehen, der nicht nur langfristig auf den chinesischen Markt, sondern auch auf die Mitarbeiter setzt." Fabian Kienbaum bringt es auf den Punkt und sagt: "Der menschliche Faktor muss in der Arbeitswelt wieder eine Rolle spielen."

Deshalb gehe es für Kienbaum in China längst nicht mehr nur darum, entsprechend den Anforderungen der Unternehmen die passenden Mitarbeiter zu finden, erklärt Kammy Kwang. "Gemeinsam mit den Unternehmen entwickeln wir Strategien für eine langfristige erfolgreiche Personalpolitik und eine entsprechende Anpassung der Geschäftsmodelle." Auch wenn das in Deutschland ebenso eine Rolle spiele, in China sei dies von noch größerer Bedeutung.

Human Resource (HR) als eine Marke sehen

Franz-Josef Kleideitert sieht aber noch einen anderen Aspekt, wenn er über den harten Wettbewerb auf dem chinesischen Arbeitsmarkt nachdenkt.

In den ersten Jahren der chinesischen Öffnungspolitik seien vor allem die großen Namen wie BASF, Siemens, Volkswagen oder Bosch nach China gekommen. Das sind Firmen, die bei Chinesen einen guten Ruf genießen, das sind Marken, die Anziehungskraft haben. Dort zu arbeiten, war eine Ehre. Es brachte auch Ansehen in der Familie und bei Freunden. Für Chinesen ist das durchaus ein wichtiger Faktor, wenn sie sich für ein Unternehmen entscheiden.

Inzwischen ist China längst nicht mehr nur ein Markt für die "Großen", auch wenn es hier und da noch immer so scheint. Wirtschaftszonen heben gern hervor, wie viele der sogenannten "Big 500" der Welt sich bei ihnen angesiedelt haben.

Inzwischen sind aber auch kleinere und mittlere Unternehmen in China präsent, um am Markt zu partizipieren. Unzählige deutsche "Hidden Champions" haben in China in den vergangenen Jahren investiert. Auch sie beteiligen sich am "Kampf" um die besten Talente.

Laut Franz-Josef Kleideitert haben sie aber ein Problem: Sie sind kaum bekannt. "Warum sollte sich ein junger Chinese für eine Karriere in einem mittelständischen Unternehmen entscheiden, wenn er weder das Unternehmen noch die Produkte kennt, die dort hergestellt werden?" Gerade die "Hidden Champions" müssten noch mehr tun, um im Markt ein Gesicht zu bekommen. Und das könnten sie neben der besseren Vermarktung ihrer Produkte, für die es noch viel Luft nach oben gebe, vor allem, indem sie sich als innovativer Arbeitgeber zeigen. "Personalpolitik muss heute mehr denn je zu einem Bestandteil des Markenaufbaus werden", fordert der Berater.

  • Dieser Beitrag ist in ChinaContact 11/2017 erschienen.

Quelle: OWC-Verlag für Außenwirtschaft GmbH, owc.de, 02.11.2017