Indien will kostenlose Grundschule für alle einführen

Die unter schlechten Umfragewerten leidende indische Regierung versucht mit einem Versprechen aus den Gründertagen der Republik bei ihren armen Wählern zu punkten: Kostenlose Grundschulbildung für alle.

Premier Singh: Alle Buben und Mädchen sollen zur Schule gehen



Die unter schlechten Umfragewerten leidende indische Regierung versucht mit einem Versprechen aus den Gründertagen der Republik bei ihren armen Wählern zu punkten: Kostenlose Grundschulbildung für alle. Ministerpräsident Manmohan Singh sagte am Donnerstag in einer Fernsehansprache zu, das 1950 versprochene, aber erst 2009 verabschiedete Bildungsgesetz konsequent umzusetzen. Die hohen Kosten von 1,7 Billionen Rupien (28 Milliarden Euro) in den kommenden fünf Jahren würden daran nichts ändern, versicherte der Regierungschef. Der Löwenanteil der Bildungsausgaben entfällt auf die Bundesstaaten, den Rest teilen sich die Zentralregierung und die Privatwirtschaft.

"Was ich bin, verdanke ich der Bildung"

Der aus einer armen Familie zum Doktor der Wirtschaftswissenschaften aufgestiegene Singh weiß aus leidvoller Erfahrung um den Wert qualifizierter Abschlüsse. "Was ich bin, verdanke ich der Bildung", erinnert sich der Ministerpräsident an kilometerlange Schulwege und Lernen beim schlechten Licht von Öllampen. Alle Buben und Mädchen sollen zur Schule gehen. "Ich will, dass jeder Inder seinen Traum von einem besseren Leben wahr macht", gibt Singh die Parole aus.

Jetzt sollen alle Kinder im Alter von sechs bis 14 Jahren die Volksschule besuchen. Auf 30 Schüler soll es einen ausgebildeten Lehrer geben. Derzeit bleiben die Bildungseinrichtungen für acht Millionen Inder dieser Altersgruppe verschlossen. Dabei gibt das Land acht Prozent seines Budgets für Unterricht und Schulbau aus. Die Alphabetisierungsrate des 1,2-Milliarden-Volks ist zwar auf 64 Prozent gestiegen. Dennoch zeigen Studien, dass viele Schüler des Lesens und Schreibens kaum mächtig sind. Hinzu kommt, dass die meisten staatlichen Schulen schlecht ausgestattet sind und es den Lehrern an der notwendigen Qualifikation mangelt.

Schlechte Bildung Grund für langsames Wachstum

Für die Investmentbank Goldman Sachs ist die schlechte Qualität des indischen Bildungswesens einer von zehn Gründen, die ein schnelles Wachstum verhindern, das wiederum 300 Millionen Menschen den Weg aus der Armut ebnen könnte. Mit dem Versprechen, das Los der Armen zu lindern und Familien auf dem Land 100 Tage Arbeit im Jahr zu garantieren, war die Kongresspartei im vorigen Jahr wieder an die Regierung gekommen.

Allerdings ist der Kongress auf die Unterstützung von Koalitionspartnern angewiesen. Und zwei der kleinen Parteien ließen unlängst bei der Abstimmung über eine Frauenquote im Parlament ihre Muskeln spielen. "Erstmals ist dem Kongress bewusst, dass er nur über 206 von 543 Mandaten verfügt", beschreibt Kommentator Kuldip Nayar die schmerzhaften Erfahrungen der indischen Traditionspartei. Da die Regierung derzeit nicht hoch im Kurs stehe, wolle sie nun mit der Schulpolitik den Befreiungsschlag versuchen.

Bei UNO-Organisationen wie dem Kinderhilfswerk Unicef, der Kulturorganisation Unesco und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) jedenfalls stieß Singhs Garantie für eine freie Grundschulausbildung bereits auf Zustimmung. Das Programm trage dazu bei, das weltweite Ziel zu erreichen, allen Kindern das nötige schulische Rüstzeug zu vermitteln, hieß es.

Artikel im österreichischen Internetportal derStandard.at, 01.04.2010