Deutsche Firmen in Indien: Falsche Vorbereitung, ungenutzte Chance

Indien zählt als viertgröße Wirtschaftsmacht der Welt zu den chancenreichsten Märkten. Allerdings gehen nur 2 Prozent der Exporte der Europäischen Union nach Indien. Deutsche Firmen unterschätzen die Chancen und gleichzeitig auch die Schwierigkeiten des indischen Marktes.


Was ist so schwierig an den Handelsbeziehungen zu Indien?

Auf einem Thementag in der indischen Hauptstadt Delhi gingen mehrere indische und deutsche Experten sowie Studierende der Universität des Saarlandes dieser Frage nach. Die Veranstaltung im German Centre wurde vom Direktor des Europa-Instituts der Saar-Uni, Professor Christian Scholz, geleitet.

Dabei kamen die Experten zu einem klaren Ergebnis: Deutsche Firmen unterschätzen die Chancen und gleichzeitig auch die Schwierigkeiten des indischen Marktes.

Um in Indien erfolgreich Geschäfte zu machen, sind interkulturelle Vorbereitung und klare Strategien gefragt. "In dem Land gibt es große Probleme mit der Infrastruktur", erläuterte zu Beginn des Thementages der indische Professor Amit Kapoor vom Management Development Institute. "Fast nirgendwo gibt es eine ausreichende Stromversorgung oder vernünftige Straßen. Das führt dazu, dass Autos und Lastwagen nur eine Durchschnittsgeschwindigkeit von unter 40 Stundenkilometern fahren können. Investoren stehen deshalb vor kaum lösbaren Problemen", so Kapoor. Der Präsident des Institute of Marketing and Management in Delhi, Professor Jagjit Singh betonte, dass Riten und Sitten des Hinduismus Einfluss auf die Lebensart von etwa 80 Prozent der Bevölkerung haben, was auch die Zusammenarbeit in Unternehmen beeinflusst.

Auch deutsche Manager, die in Indien tätig sind, berichteten von ihren Erfahrungen. Die Geschäftsführerin des German Centres, Nadine Ulrich, sagte dazu: "Indien erscheint auf den ersten Blick einfach für deutsche Unternehmen. Man spricht Englisch und man sieht in den Gepflogenheiten vorerst keinen Unterschied zu China oder Aserbaidschan. Indien ist aber komplexer."

Ausländer haben unter anderem Probleme mit der weit verbreiteten Korruption. Auch das Zeitverständnis, die allgemeine Kommunikation und Verhandlungsführung sind in Indien anders. "Inder sind Händler, die sich schnell auf Umweltveränderungen einstellen und situationsbedingt anpassen können. Sie werden von Europäern als Verhandlungspartner häufig unterschätzt", sagte Anthony Sequeira (Rödl&Partner).

Diskutiert wurde die Frage, ob man sich überhaupt auf Indien vorbereiten kann. Professor Scholz ist der Ansicht, dass dies möglich ist und auch kleine Mittelständler auf dem indischen Markt erfolgreich sein können: "Nicht jeder muss spüren, wie sich eine heiße Herdplatte anfühlt. Unternehmen können sich in entsprechenden Veranstaltungen auf den indischen Markt vorbereiten und lernen, wie man eine erfolgreiche Mischung aus kultureller Anpassung und strategischer Eigenständigkeit schafft."

Quelle: Pressemitteilung Europa-Institut der Universität des Saarlandes vom 11.02.2010