Berufsbildung bleibt Manko in China

Während an deutschen Universitäten vermehrt »Langnasen« in Sprachkursen »Ni hao« und »Wo ai ni« üben, verweigern sich kleine und mittelständische Unternehmen oft noch dem Markt. Gründe sind unter anderem Personalmangel, fehlende Sprachkompetenz der Mitarbeiter und geringe Risikobereitschaft sowie in klassischen Handwerksberufen der Fachkräftemangel.
Deshalb sind deutsche Unternehmen wie Kern Liebers und Schaeffler China in Taicang schon vor Jahren dazu übergegangen, technisch-gewerbliche Fachkräfte entsprechend deutschen Rahmenlehrplänen selbst auszubilden. 142 auszubildende Industriemechaniker sind es derzeit bei Schaeffler. Im September 2006 kommen 100 weitere hinzu. »Wir wollen, dass ein Teil der neu Auszubildenden über höhere Schulbildung verfügt, um aus ihnen langfristig unsere Führungskräfte wie Shiftleader oder Produktverantwortliche auswählen zu können«, so Jürgen Schlosser, Leiter des Ausbildungszentrums bei Schaeffler. Problematisch sei auch das Berufschulwesen, denn für die Schulen sind Projekt- oder Gruppenarbeit absolutes Neuland, Frontalunterricht die Regel.

Allmählich setzt sich die Erkenntnis durch, dass auch »schmutzige Handarbeit« eine Karriere verspricht. Die chinesische Regierung plant bis 2010 jährlich acht Millionen Menschen speziell in technisch-gewerblichen Berufen ausbilden zu lassen. Lehrpläne sollen praxisnäher werden. Die Berufschulen »kämpfen« untereinander um die besten Ausbildungsstandards. »Wir Deutschen sollten über eine Modularisierung dualer Ausbildungsgänge nachdenken«, so Peter Gödde vom Vorstand der Stiftung Bildung & Handwerk. »Dadurch könnten wir in China bedarfsorientierte Lehrgänge anbieten, Unternehmen passgenaue Fachkräfte vermitteln und bei den Teilnehmern Interesse für lebenslanges Lernen wecken.« Durch zeitlich überschaubare Lehrgänge könnten somit speziell für kleine und mittelständische Unternehmen Fachkräfte ausgebildet werden.

In Suzhou, der »ostwestfälischen Ecke Chinas«, hat mit der Stiftung Bildung & Handwerk ein internationaler Anbieter von Aus- und Weiterbildung eine Niederlassung gegründet. Chinesische und deutsche Mitarbeiter arbeiten dort gegenwärtig in einem von der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH teilgeförderten Projekt, um Lehrkräfte einer lokalen Berufschule zu qualifizieren, die als Multiplikatoren fungieren sollen. Mittelfristig ist geplant, im Verbund mit Unternehmen Schulungen anzubieten, um durch die Beteiligung der Unternehmen das kundenorientierte Angebot an beruflicher Aus- und Weiterbildung zu stärken.

Praxisnähe bleibt Problem

Zwar gewann das Anfang der 80er Jahre gegründete Berufsbildungszentrum Tianjin schnell Vorbildcharakter, die schulische Berufsausbildung im gewerblich-technischen Bereich krankt aber weiterhin am zu geringen Praxisanteil. »Was ich an meiner Arbeit in China unter anderem schätze, ist die Zusammenarbeit mit hoch motivierten Mitarbeitern«, sagt Helmut Schmittke, General Manager der Firma Schottel in Suzhou, einem Hersteller von Rotoren. Oft fehle den Mitarbeitern jedoch praxisrelevantes Grundwissen. Vor allem fehle für technisch-gewerbliche Dienstleistungen, quasi klassische Handwerksleistungen, die Investitionsbereitschaft.

So gibt es in Qingdao mit den aus der deutschen Kolonialzeit stammenden rund 600 Gebäuden eine erhaltenswerte Bausubstanz. Es fehle jedoch an Fachkräften, einer gesicherten Finanzierung und speziell an Fachkenntnissen im Bereich energetischer Bausanierung, so Burkhard Saabel, selbstständiger Dachdeckermeister mit Geschäftskontakten nach Qingdao. Bäcker und Konditoren erfüllen deutsche Sehnsüchte nach Schwarzbrot und Kuchen, machen sich rund um die Welt selbstständig, aber technisch-gewerbliche Dienstleistungen stehen noch vor teils selbstgefertigten Hürden.

Autor: Jürgen Klingbeil (Projektleiter bei der Stiftung Bildung & Handwerk, Paderborn).

Quelle: ChinaContact, Ausgabe September 2006, Internet: www.china-contact.cc