Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei verlangsamt

Trotz ergebnisloser Gespräche in Finnland über das Zypern-Problem soll die Europäische Union mit der Türkei grundsätzlich weiter verhandeln. Acht von 35 Verhandlungskapiteln werden aber vorerst ausgeklammert. Diese Empfehlung an den Rat hat Erweiterungskommissar Olli Rehn Ende November bekannt gegeben. Damit signalisiert die Gemeinschaft, dass sie zu keinerlei Zugeständnissen bereit ist. Diese Haltung der EU-Kommission ist konsequent und fordert von der Bundesregierung eine ebenso klare Linie für ihre anstehende Ratspräsidentschaft.

"Europa braucht die Türkei, und die Türkei braucht Europa." Dies hatte Kommissionsmitglied Olli Rehn noch am Montag in einem Vortrag an der Universität Helsinki betont. Die Türkei sei ein Teil Europas und von Anbeginn am politischen Projekt EU beteiligt gewesen.

Die Nachricht, dass die türkische Regierung die Öffnung der Luft- und Seehäfen für griechisch-zyprische Transporte weiterhin verweigere, war zu diesem Zeitpunkt noch ganz frisch. Rehn bedauerte das Scheitern der Gespräche zwischen der finnischen Ratspräsidentschaft sowie der türkischen und zyprischen Regierung. Er stellte aber umgehend klar, dass eine Kontinuität der Gespräche mit der Türkei mindestens so wertvoll für die Union sei, wie die EU-Mitgliedschaft dieses Landes zu einem noch unbestimmten Zeitpunkt.

Rehns Position ist die EU-Kommission am 29. November 2006 gefolgt. Am 11. Dezember entscheiden die EU-Außenminister. Bis dahin, so Rehn, habe die Türkei Zeit, die Hindernisse für einen Fortschritt der Beitrittsverhandlungen aus dem Weg zu räumen. Ohne Marktöffnung für Waren aus sämtlichen Mitgliedstaaten, also auch aus dem griechischen Teil Zyperns, könne es keine Zollunion geben – und ohne Zollunion keine türkische Mitgliedschaft.

„Die einzelnen Kapitel der Beitrittsverhandlungen werden so lange nicht abgeschlossen, bis die Türkei ihren Verpflichtungen nachgekommen ist“, lautet die deutliche Botschaft der EU-Kommission. Das so genannte Ankara-Protokoll habe weiterhin seine volle Gültigkeit. Einen Gang herunterschalten, aber kontinuierlich weiterfahren. So könnte der Beschluss der EU-Außenminister lauten.

Die Bundesregierung wird die Umsetzung dieses Auftrags am 1. Januar für ein halbes Jahr übernehmen. Dazu wird sie jedoch zu einem internen Konsens finden müssen. Regierungsmitglieder und führende Politiker haben kurz nach Bekanntwerden der Nachricht vom Scheitern der Zypern-Gespräche in der Öffentlichkeit völlig unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen und gegensätzliche Forderungen im weiteren Umgang mit dem Beitrittskandidaten Türkei erhoben.

Von der deutschen Ratspräsidentschaft wird aber eine klare Linie erwartet. Die Hoffnung einiger Politiker, die Türkei habe sich mit ihrer Verweigerung nun selbst aus dem Rennen geworfen, sollte sich nicht erfüllen.

Quelle: Europäische Kommission - Vertretung in Deutschland, EU-Nachrichten Nr. 45 vom 30.11.2006