Verhandlungspraxis Polen

Bei Geschäften in Polen sollten die teilweise großen Unterschiede zu Deutschland in Mentalität und Umgang miteinander berücksichtigt werden. Selbst die konstruktivste Kritik wird direkt und vor Anderen nur schlecht aufgenommen.

Eine Trennung zwischen Berufs- und Privatleben ist in Polen nicht vorhanden. Im Land gibt es sehr viel Kreativität und Offenheit. Ist eine persönliche Beziehung erst aufgebaut, trägt sie auf Jahre hinaus gute Früchte.

Die deutsch-polnischen Beziehungen haben seit dem Unterschreiben des Vertrags über gute Nachbarschaft 1991 einen weiten Weg zurückgelegt. Dank der tatkräftigen Unterstützung der polnischen Bemühungen um die NATO (North Atlantic Treaty Organization)- und die Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU) durch die Bundesregierungen, vor allem aber die Investitionen deutscher Unternehmen in Polen, die meistens stabile und gutbezahlte Jobs anbieten, geriet die bis weit ins 20. Jahrhundert eher von Tiefen als von Höhen geprägte gemeinsame Geschichte ins Hintertreffen.

Seit den Parlamentswahlen im Herbst 2015 hat sich das deutsch-polnische Verhältnis auf politischer Ebene aber sichtlich abgekühlt. Zwar unterstreichen beide Seiten weiterhin die wirtschaftliche Bedeutung der Partnerschaft, darüber hinaus nimmt die Zahl der Meinungsverschiedenheiten jedoch zu. Zu den besonders heiklen Themen zählen: Umweltschutz, Energiepolitik, Migration, aber auch die Zukunftsausrichtung der EU. Ratsam ist deswegen, sowohl auf diese Fragen als auch die deutsch-polnische Geschichte erst einzugehen, wenn der Gesprächspartner sie selbst anspricht; und selbst dann sollte zurückhaltend agiert werden.

Grundsätzliche Verhaltensweisen

Eine gute Atmosphäre und freundschaftliche Beziehungen zum Geschäftspartner sind relevante Bestandteile des Geschäftslebens östlich der Oder. Die emotionale Wahrnehmung eines Partners als Mensch ist sehr wichtig - Polen handeln nach ihrem Bauchgefühl. Bereits während des ersten Treffens wird der Geschäftspartner danach beurteilt, ob er sympathisch wirkt und wie er sich verhält. Eine zweite Chance, um den ersten Eindruck aufzupolieren, wird nur selten gewährt.

Je enger die Beziehung ist, desto größer sind die Chancen auf eine langfristige und erfolgreiche Zusammenarbeit. Sie stellt zudem eine Art Konkurrenzschutz dar. Frei nach dem Motto "Lepsze znane pieklo, niz nieznane niebo" (Lieber die bekannte Hölle als ein unbekannter Himmel) bleiben Polen lieber bei einer bestehenden engen Partnerschaft, als eine neue zu schließen, nur weil sie etwas lukrativer erscheint.

Deswegen gilt: "Die Kontaktpflege sollte der wichtigste Bestandteil Ihrer Geschäftsstrategie in Polen sein", wie Joanna Sell, Autorin des Ratgebers "Geschäftskultur Polen", der über die Deutsch-Polnische Industrie- und Handelskammer (AHK Polen) in Warschau bezogen werden kann, schreibt.

Unterschiede in den Regionen

Zwischen den Regionen und Altersgruppen gibt es Unterschiede, die vor allem aus der Geschichte resultieren. So gelten die Bewohner West- und Südpolens als etwas direkter, zielorientierter und entscheidungsfreudiger als die Bewohner Ostpolens. Was alle eint, ist die Religion. Obwohl sich die Einstellung gegenüber dem Glauben, vor allem bei jüngeren Menschen, allmählich ändert, geben nach wie vor mehr als neun von zehn Polen an, katholisch zu sein. Etwa die Hälfte geht regelmäßig in die Kirche.

In den letzten Jahren hat sich die Homogenität in Bezug auf die Nationalitätenfrage gelockert. Deutsche bleiben zwar weiterhin die einzige Minderheit mit Sonderrechten im öffentlichen Leben - darunter festen Plätzen im Parlament. Nicht zuletzt die Ukraine-Krise löste aber eine Welle der Zuwanderung aus dem Osten aus. Alleine 2015 haben fast eine Millionen Ukrainer zumindest kurzfristig in Polen gearbeitet und gelebt.

Andere Umgangsformen

Aus deutscher Sicht verwunderlich wirken könnten teilweise antiquiert wirkende Umgangsformen - vor allem gegenüber Frauen. Die Zeiten des Handkusses bei Begrüßungen sind zwar vorbei, bei größeren Delegationen sollte aber - nach ihrem höchsten Vertreter - zuerst den weiblichen Mitgliedern die Hand gereicht werden.

Ebenso üblich ist zudem das Vorlassen von Frauen in der Tür oder die Mantelabnahme. Diese Gesten zeugen keineswegs von fehlender Emanzipation, sondern gehen auf die vom größten polnischen Dichter Adam Mickiewicz eingeführte Bezeichnung "Matka Polka" (Mutter Polin) zurück, die eine starke, eigenständige, aber auch aufopferungsvolle Frau symbolisiert.

Der Stil der polnischen Geschäftsfrauen unterscheidet sich ebenfalls von dem ihrer deutschen Kolleginnen: figurbetonte Kleidung, teilweise etwas kürzer und auch farbenfroher. Männer orientieren sich hingegen an westlichen Standards: Anzüge in gedämpften Farben, Krawatte.

Multitasking, Improvisation, Kurzzeitorientierung

Die größten Unterschiede gegenüber der deutschen Geschäftskultur lassen sich mit drei Worten benennen: Multitasking, Improvisation, Kurzzeitorientierung.

Multitasking bedeutet im Geschäftsleben, dass Polen mehrere Aufgaben gleichzeitig bearbeiten und sich entgegen dem deutschen Brauch nicht auf eine Sache konzentrieren.

Der Hang zur Improvisation ist mit der wechselhaften Geschichte des Landes verbunden. Er ist meistens der Sache dienlich und sollte nicht mit strikten Vorgaben zur Zielerreichung unterbunden werden. Wichtig ist das Ergebnis, der Weg dorthin wird sich schon finden lassen.

Kurzzeitorientierung heißt, dass langfristige Pläne als Wegweiser und nicht als strikte Vorgabe wahrgenommen werden. Erst unter Zeitdruck entfalten die meisten Polen ihre volle Produktivität und werden normalerweise auch rechtzeitig fertig. Vorsichtshalber sollten Endtermine mit einem Sicherheitspuffer angesetzt und deswegen in der Kommunikation etwas vorgezogen werden.

Vorsicht mit Kritik

Jegliche Kritik sollte am besten im Gespräch unter vier Augen geäußert werden. Da Polen das geschäftliche nur vage vom privaten trennen, sollte zudem darauf geachtet werden, Kritik so darzustellen, dass sie nicht als persönlich wahrgenommen wird. Zuerst unbedingt die guten Aspekte nennen, dann auf Nachteile eingehen und diese gut begründen.

Immer sollte man darauf achten, nicht überheblich oder besserwisserisch aufzutreten! Polen, als sich noch entwickelnde Wirtschaft im hoch industrialisierten Europa, sehnt sich nach Gleichstellung und Gleichberechtigung. Jeder Ausdruck eines solchen Handelns wird mit Sympathie honoriert.

Die erste Begegnung mit dem Geschäftspartner

Als Eisbrecher ist der Verweis auf einen gemeinsamen Partner, eine öffentliche Stelle oder Empfehlung hilfreich. Um eine gute Basis zu schaffen, sollte der Erstkontakt über das Telefon erfolgen und in kurzem Abstand von einem persönlichen Treffen gefestigt werden. Brief- und E-Mail-Kontakt gelten in Polen als unpersönlich.

Beim ersten Treffen ist der Austausch von Visitenkarten und Infomaterialien üblich. Die eigene Visitenkarte sollte zweisprachig oder auf Englisch sein, da weit mehr Polen Englisch als Deutsch sprechen. Wegen des hierarchischen Denkens an der Weichsel, sollte die auf der Visitenkarte stehende Position einen eindeutigen Rückschluss auf die Kompetenzen ermöglichen. Beim ersten Kontakt sind Polen eher distanziert. Stimmt die Chemie, fällt die Mauer aber schnell.

Small Talk ist ein wichtiger Bestandteil bei Geschäftskontakten. In Polen ist die Grenze zwischen Berufs- und Privatleben fließend, deswegen werden Themen wie Familie, Sport, Hobbies oder Reisen angesprochen. Ganz wichtig dabei: nicht abschotten, sondern offen in die Konversation gehen.

Anders als in Deutschland, erfolgt die Ansprache nicht über die Losung Herr/Frau plus Nachnahme - diese Form gilt als unhöflich. Zum Standard gehört hingegen die Verbindung zwischen Herr/Frau und der Position ohne Namen, zum Beispiel: "Pani Prezes" (Frau Vorsitzende), "Panie Dyrektorze" (Herr Direktor). Kennt man sich oder spricht eine Person an, die keine führende Position einnimmt, so geschieht das über Herr/Frau und den Vornamen. Achtung: Dies ist kein Anzeichen des Duzens!

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Quelle: Germany Trade & Invest GTAI, Länder.Märkte.Chancen. - Die GTAI Online-News, 12.09.2016