Mexiko: Investitionsboom verschärft Fachkräftemangel

Die Investitionen ausländischer Unternehmen in der mexikanischen Industrie verschärfen den Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften. Deutsche Unternehmen haben vielfach Probleme, erfahrene Ingenieure und technisch qualifizierte Facharbeiter zu finden.

Eine Herausforderung für den mexikanischen Bildungssektor ist es, die Fachkräfteausbildung praxisnäher zu gestalten und die Inhalte akademischer Studiengänge zu überarbeiten.

Die mexikanische Industrie hat in den vergangenen Jahren einen enormen Investitionsboom erfahren. Besonders im Kraftfahrzeug (Kfz)-Sektor sind ständig neue Werke von Herstellern und Zulieferern entstanden. Die Entwicklung reißt trotz zuletzt leicht gefallener Produktionszahlen nicht ab: Bis 2020 wird die Personenkraftwagen (Pkw)-Herstellung Prognosen zufolge auf 5,0 Millionen Fahrzeuge steigen, nachdem sie 2015 noch bei 3,4 Millionen Einheiten gelegen hatte.

Auch in der Luftfahrt- und Elektronikindustrie sowie in der Metallverarbeitung entstehen neue Fertigungskapazitäten, angetrieben durch die hohe internationale Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Die Energiereform, die zurzeit umgesetzt wird, ermöglicht mehr privates Engagement und zieht schon jetzt neue Unternehmen ins Land.

Die Expansionsabsichten der Wirtschaft treffen auf einen Arbeitsmarkt, auf dem gut qualifiziertes Personal knapp ist. Der Studie 2015 Talent Shortage Survey des Personalvermittlers Manpower zufolge haben 54 Prozent der befragten Firmen Probleme, geeignete Mitarbeiter zu rekrutieren, 2014 waren es noch 44 Prozent. Besonders schwierig zu finden sind der Umfrage zufolge Verkaufspersonal, Büroassistenten, zertifizierte Facharbeiter, Ingenieure im Bereich Mechanik sowie Maschineneinrichter.

Diese Erfahrung macht auch Rosemarie Fleischmann, Managing Partner der Personalberatungsfirma Boege & Business: "Unsere Kunden berichten uns verstärkt davon, dass sie Probleme haben, geeignetes Personal zu finden. Dieser Trend ist besonders stark in der Kfz-Industrie, da die Firmen dort bei Neueinstellungen Kandidaten bevorzugen, die bereits in derselben Branche Erfahrungen gesammelt haben." Zwar sei immer noch gut qualifiziertes Personal verfügbar, der hohe Konkurrenzdruck lasse jedoch die Gehälter steigen.

Auswirkungen auf das Lohnniveau

Die Personalvermittlungsfirma Hays kommt in ihrem Reporte Laboral México 2016 zu dem Schluss, dass die Entlohnung für spezialisierte Tätigkeiten in den kommenden Jahren überdurchschnittlich steigen wird.

Für das Jahr 2015 gaben 80 Prozent der befragten Unternehmen an, dass sie höhere Löhne als im Vorjahr zahlen. Im verarbeitenden Gewerbe sind der Studie zufolge Stellen von Qualitätsmanagern sowie Produktionsleitern besonders schwer zu besetzen. "Die Anforderungen an die Kandidaten steigen, was beispielsweise Fremdsprachen- und IT-Kenntnisse angeht. Darauf ist der Arbeitsmarkt nicht ausreichend vorbereitet. In vielen Fällen sind auch die Lehrpläne an den Universitäten veraltet", sagt Miriam Trillo, Section Manager bei Hays.

Deutsche Unternehmen trifft Mangel besonders bei Facharbeitern

Das unzureichende Qualifikationsniveau ist für die deutschen Firmen im Land ein brennendes Thema, denn an vielen Standorten stehen Neuanstellungen an. Einer Befragung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages vom Frühjahr 2016 zufolge werden 62 Prozent der Firmen in den kommenden zwölf Monaten ihr Personal in Mexiko aufstocken.

In Gesprächen mit Germany Trade & Invest äußern sich Vertreter deutscher Unternehmen generell zufrieden über den Arbeitseinsatz und die Lernfähigkeit mexikanischer Mitarbeiter. Jedoch gebe es eine Lücke zwischen dem Qualifikationsbedarf und der Vorbereitung der Schulabgänger.

Nachgefragt sind vor allem gut ausgebildete und technisch qualifizierte Angestellte unterhalb des Ingenieurniveaus, da das Ingenieurstudium in Mexiko vielfach sehr theorielastig ist. Auch technische Spezialisierungen in Kombination mit guten Englischkenntnissen sind ein Engpass.

Besonders schwer zu finden sind erfahrene Mitarbeiter für spezielle Aufgaben etwa im Werkzeug- und Formenbau sowie beim Schweißen und beim Einrichten von Maschinen. Sie müssen gegebenenfalls abgeworben werden, was die Löhne nach oben treibt.

Mit den neuen Investitionen im Kfz-Sektor dürfte sich diese Problematik vor allem in den Automobilregionen Puebla, Querétaro, Aguascalientes und Guanajuato sowie in den nördlichen Landesteilen nahe der US-Grenze verschärfen.

Deutsche Auslandshandelskammer engagiert sich für duale Ausbildung

Beobachter halten es für notwendig, die lange vernachlässigten technischen Ausbildungen praktischer zu gestalten und die Wirtschaft stärker einzubinden. Laut Andreas Müller, stellvertretendem Geschäftsführer der Deutsch-Mexikanischen Industrie- und Handelskammer (Camexa), müssen Bildungsinstitutionen und Wirtschaftsverbände Standards entwickeln, die in der gemeinsamen Ausbildung mit den Unternehmen umgesetzt werden.

"Nur mit einer guten Facharbeiterausbildung kann die starke Präferenz der Jugendlichen und jungen Erwachsenen für einen universitären Studiengang hin zu einer praxisnahen Ausbildung verschoben werden", so Müller.

Camexa hat mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) eine auf mexikanische Bedürfnisse abgestimmte Version von Lehrplänen nach dem Muster der deutschen dualen Bildung erstellt. Auf dieser Basis werden derzeit in zahlreichen Bundesstaaten gemeinsam mit dem Arbeitgeberverband Coparmex Ausbildungsgänge eingeführt.


Quelle: Germany Trade & Invest GTAI, gtai.de, 30.06.2016